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Kultur und Wissen
Monika Blankenbergs neues Kabarett-Programm im Bürgerhaus Stollwerk
„Stachelige Zeiten“
Von Christian Heinrici

„Stachelige Zeiten“, das neue Kabarett-Programm von Monika Blankenberg, hatte am vergangenen Mittwoch im Bürgerhaus Stollwerk seine Köln-Premiere. Einige Besucher und Besucherinnen wussten noch nicht, auf was sie sich da eingelassen hatten, kamen sie doch von so weit her wie aus Hamburg, hatten die Premiere bei der Suche nach einer netten Abendunterhaltung eher zufällig im Internet entdeckt und saßen nun erwartungsvoll in der ersten Reihe. So viel zu sehen wie bei ARD und ZDF bekamen sie allemal.

Nach einem 90minütigen Parforce-Ritt durch die deutsch-kölsche Befindlichkeit waren sich alle einig: Monika und ihre Charaktere, allen voran Elfriede Schmitz und Babsi Lützenkirchen müssen berühmt werden! Wie kommt es bloß, dass die Fernsehkanäle und auch viele Veranstaltungssäle voll sind mit allenfalls mittelmäßiger Comedy, die sich manchmal sogar Kabarett nennt, während Monika Blankenbergs „Stachelige Zeiten“ von „nur“ vierzig alten und neuen Fans bejubelt wurde? Am Inhalt ihres Programms kann es wahrlich nicht liegen, und auch der Stimmung tat es keinen Abbruch.

„Meckern, Nölen, Motzen!“

Schon der Einstieg ins Programm hatte es in sich und läutete mit einem Paukenschlag einen der Höhepunkte des Abends ein. Zu sakraler Musik ihres versierten musikalischen Begleiters Jochen Walter zog sie feierlich ein: „Päpstin“ Monika – sehr schön auch die „Papstrobe“, die sich bei näherem Hinsehen als eine Art blumige Tischdecke entpuppte.

Predigt als Päpstin der nölenden Gemeinde
Predigt als Päpstin der nölenden Gemeinde

Was folgte, war allerdings keine Papstparodie, obwohl „wir“ als Papst ja erst kürzlich 80 Jahre alt geworden sind. Nein, Monika Blankenberg predigte als oberstes Mitglied zu ihrer Gemeinde „praktizierender Pessimisten“: „Völlig umsonst haben wir befürchtet, es könne zu positivem Handeln der großen regierenden Kloaktion im so herrlich überschuldeten Berlin kommen. Völlig daneben lagen wir mit unserer düsteren Vorahnung, die Deutschen würden sich bewegen. Ich aber sage Euch, in diesem Land bewegt sich nichts. Und das ist gut so!“ Am Schluss der Predigt gedachte die oberste Pessimistin auch noch „unserem Motzbruder Hans Filbinger... Er ging würdelos und er konnte sich nicht mehr gegen den Vorwurf verteidigen, er sei kein Nazi gewesen.“ Die „Gemeinde“ dankte es ihr ob dieser trefflichen Einschätzung zu der von Berlin verordneten Aufbruchstimmung mit tosendem Applaus.

Gleich zu Beginn von „Stachelige Zeiten“ zeigte Monika Blankenberg einige ihrer Stärken: kurzfristig integrierte tagespolitische Bezüge, wie hier mit dem originellen Seitenhieb auf Oettingers „Würdigung“ seines Amtsvorgängers Filbinger sowie die spontane Interaktion mit dem Publikum. So „ermahnte“ sie einen Zuschauer, der sich beim Mitsingen des Refrains als nicht ganz textsicher erwies, mit den Worten: „Falscher Text, Bruder. Du bist sicher noch neu in unserer Gemeinde.“ Dieser ließ sich davon jedoch nicht irritieren, sondern wurde im Laufe des Abends zum wiederholten „Spielpartner“, bis hin zu einem Flirtangebot von Babsi Lützenkirchen.

Musiker Jochen Walter
Ständiger Spielpartner – Musiker Jochen Walter

Womit auch wir bei den Hauptfiguren des Programms angelangt sind: Elfriede Schmitz begleitet Monika Blankenberg und ihr Publikum schon seit Längerem durch die Irrungen und Wirrungen von Politik und Alltag. Babsi Lützenkirchen ist erst vor kurzem in dasselbe Sechsparteien-Mietshaus eingezogen, das nicht nur in irgendeinem Kölner Stadtviertel sondern beinahe in jeder Stadt stehen könnte.

„…die wohnen ja schon alle in mir...“

Auf die Frage, wie sie ihre Charaktere denn erfinde, antwortete die Kabarettistin: „Die muss ich ja nicht erfinden, die wohnen ja schon alle in mir. Jeder Mensch ist ja ein Kaleidoskop und hat so ganz viele Figuren in sich. Ich lass die nur raus, was anderes tu ich ja im Prinzip nicht. Es wäre mir persönlich zu wenig, nur als Monika Blankenberg auf der Bühne zu stehen. Wahrscheinlich würde ich auch zu moralisch oder zu betroffen wirken – ich brauche diesen Umweg über Figuren, um meine Spiellaune auch ausleben zu können.“

Schmitz und Lützenkirchen leben Schulter an Schulter in Blankenberg
Schmitz und Lützenkirchen leben Schulter an Schulter in Blankenberg

Dank dieser Spiellaune und ihrer Fähigkeit, mit wenigen Requisiten die Rollen zu wechseln und schnell in eine andere Figur zu schlüpfen, nimmt sie ihr Publikum in den Alltag ihrer Figuren mit. Und so lernen wir den Elfriede „anvertrauten Dauerlieger Eberhard“, ihren Schwarm Willi, Hausmeister Herrn Doll, ein Rentnerehepaar aus dem Erdgeschoss und nicht zuletzt die alleinerziehende Babsi Lützenkirchen mit ihrem 20jährigen Sohn Basti kennen – beide „auf Hartz IV“. Wir erfahren eine Menge über ganz alltägliche Schwarzarbeit, unauffindbare Kölner Amtsstuben, Bewerbungstelefonate bei der Bundeswehr, die Sehnsucht nach den „guten alten Zeiten“ – die „muffigen“ 50er Jahre und die Vorteile der Hauptschule: „Wenn du deinen Hauptschulabschluss in der Tasche hast, dann hast du schon gelernt, wie man einen Hartz IV-Antrag korrekt ausfüllt, und das ist weiß Gott nicht einfach.“

Vom Mikrokosmos zur Makrofinanz

Nur ganz selten verlässt Blankenberg den Mikrokosmos des Mietshauses. Und so konnten wir einen weiteren Höhepunkt des Abends erleben, das wirklich herzzerreißende Flehen einer „globalisierten Großunternehmerin“ um ein wenig Mitgefühl: „Das hat alles mal so harmlos angefangen. Ich wollte doch nur ein kleines bisschen Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, ein bisschen Aufweichung des Kündigungsschutzes, aber diese blöde Gewerkschaft hat einfach allem zugestimmt. Und jetzt auch das noch, diese entsetzlichen Subventionen... Und nun schon wieder eine Demütigung: eine Unternehmenssteuerreform und schon wieder von einem sozialdemokratischen Finanzminister.“

als Großunternehmerin im Spiel mit dem Publikum
Als Großunternehmerin im Spiel mit dem Publikum
Fotos: Christian Heinrici


Das ist politisches Kabarett vom Feinsten, das zugleich durch die uns allen so nahen Figuren höchst menschlich daherkommt und so die Identifikation mit den politischen Themen quer durch alle Gesellschaftsschichten ermöglicht.

Was sie dem Publikum außer bestens trainierten Lachmuskeln mit auf den Weg geben möchte, formuliert Monika Blankenberg, ganz zufrieden und entspannt nach einer tollen Premiere so: „Wenn überhaupt wäre es sehr schön, das Publikum nur anzuregen, dass sie wieder nachdenken und hinhören, was hier eigentlich so mit uns passiert, weil diese Entpolitisierung mich persönlich sehr stört. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass die Menschen wieder etwas politischer werden und wir den sogenannten Volksvertretern doch auch mal wohin treten.“

Wann die nächste Aufführung von „Stachelige Zeiten“ stattfindet, steht auf Grund des engen Terminkalenders der Künstlerin noch nicht fest. Bitte dem Terminkalender auf www.monika-blankenberg.de entnehmen. Wer aber möchte, kann hier nachträglich und fast live ins Programm hören.





Online-Flyer Nr. 92  vom 25.04.2007

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