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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Neulich hatte ich einen Unfall. Einen Autounfall.
Wat en Zwischenfall!
Von Hansjörg Fuhrken

Hansjörg Fuhrken wohnt mit seiner Familie in Marschacht bei Hamburg, von wo aus er einen herrlichen Blick hat: auf grüne Wiesen, gemütlich grasende Kühe, die Elbmarsch, den ruhig dahinfließenden Strom und das Atomkraft- werk Krümmel. In der Elbmarsch erkranken seit den 90er Jahren im welt- weiten Vergleich die meisten Kinder an Leukämie. „Kein Grund zur Panik“ beruhigten bisher gebetsmühlenartig die Betreiber der örtlichen Atomanlagen und ihre Fürsprecher in der Politik.



Hamburg – eingekreist von Atomkraftwerken

Hansjörg Fuhrken ist Mitglied in der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch und fragt sich, ob die Sicherheitsbestimmungen für Atomkraftwerke nur annähernd denen für PKWs entsprechen – die Redaktion.
Neulich hatte ich einen Unfall. Einen Autounfall.


Ich bin ein sehr sicherer Fahrer. In Deutschland leben ja die sichersten Fahrer der Welt. Da können schlimme Unfälle gar nicht passieren – wie in Schweden zum Beispiel.

Und außerdem haben wir die fortschrittlichsten Sicherheitssysteme der ganzen Welt in unseren Autos. Mein Wagen ist ein Musterbeispiel deutscher Ingenieurskunst. Gebaut in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Das Modernste vom Modernen! Das Sicherste vom Sicheren. Der hat sogar Sicherheitsgurte! Dreipunktgurte! Und einen Airbag für den Fahrer hat er auch! Wie gesagt: absolut auf dem Stand der Technik – damals.

Ich hab’ den Wagen vorletztes Jahr lange in der Werkstatt gehabt. Jetzt hat er ganze zwanzig Prozent mehr Leistung. War ganz einfach: Neuer Motor und Rennbenzin. Zack, fertig! Gekostet hat das nur den Bruchteil eines Neuwagens. Und er ist genauso schnell. Nur bei den Vollbremsungen, da fliegen mir immer die Radkappen ab. Ich hab aber gehört, dass sei so in Ordnung. Hat das Ministerium für Soziales in Schleswig-Holstein gesagt!

Normalbetrieb

Ich bin also auf der Autobahn nach Geesthacht. Im Normalbetrieb quasi: Vollgas. Plötzlich quillt aus dem Motorraum eine dicke schwarze Wolke hervor und nimmt mir Sicht und Atem. Macht aber ja erstmal nix, ist ja nicht das Auto, ist nur das Motörchen am Auto. Das gehört sich bei so ’nem alten Ding so. Hat Frau Happach-Kasan [1] gesagt. Und die kennt sich aus, ist immerhin Bundestagsabgeordnete. Das ist kein Fehler, das ist ein Feature!


Happach-Kasan (MdB), Ausschuss... für Reaktorsicherheit
Foto: Bundestag.de

Wir geraten trotzdem voll ins Schleudern. Alles dreht sich – und jetzt? Keine Ahnung, was ich tun soll. Meine Frau neben mir schreit: „Gegenlenken! Nach rechts!“ und dann: „Nach links!“. Das sind widersprüchliche Anweisungen. Ich lenk’ also erst mal ein bisschen nach links und dann nach rechts. Nützt nix.

Ich trete voll auf die Bremse. Passiert aber nix. Ist ja auch klar. Die hab ich nicht tunen lassen. Das wäre echt schweineteuer für sonne alte Möhre! Und wozu auch? Der Wagen ist doch sicher!

Wir zwirbeln also voll über die Fahrbahn, knallen aber wie durch ein Wunder nirgends gegen. Irgendwann steht die Fuhre. Meine Frau kotzt mir erstmal voll in den Fußraum. Seekrank! Wir wollen raus. Geht aber nicht. Die Fahrertür klemmt. Wir also auf der Beifahrerseite raus, erst mal ich und dann meine Frau.

Die Mängelliste

Kurz danach kommt die Polizei. Der Beamte guckt zuerst auf den TÜV-Stempel! Meckert rum, dass ich da keinen aktuellen drauf hab. Aber das kann ich erklären. Wenn ich den Wagen mal irgendwann verkaufen will, dann möchte ich nicht, dass jemand weiß, was da alles kaputt ist. Das macht ja auch im Zweifel den Preis kaputt. Der Ordnungshüter nickt nur. Da hätte ich absolut Recht, meint er, schließlich hätten schon ganz andere mit dieser Begründung Prozesse gewonnen.

Dann kommt ein Zeuge angelaufen und erzählt ihm aufgeregt, dass ich mit Vollgas durch die Kurve gebrettert sei. Der Polizist nimmt daraufhin den Zeugen fest, wegen Behinderung der Justiz. Der Beamte meint, der Zeuge sei dafür bekannt, dass er gegen Raser auf der Autobahn sei. Da müsse man sich nicht wundern. Ich erwidere, dass ich ja gar nicht zu schnell fahren könne. Zum einen bin ich ja ein zuverlässiger Fahrer, und außerdem kommt bei mir nur allerneueste Sicherheits-Technologie zum Einsatz. Das leuchtet auch dem Polizisten ein.

Und wo wir so hübsch beieinander stehen, erzähle ich ihm von meinem Unfall von vor fünf Jahren. Der Polizist erklärt sich für zuständig, meint aber, dass er das nicht weiter verfolgen wolle, da ich ja versichert habe, ein sicherer Fahrer zu sein. In Schweden und in Russland, da würde ja alle Nas’ lang was passieren, aber hier in Deutschland nicht! Außerdem, so belehrt er mich, würde er den Zusammenstoß von damals nur ein meldepflichtiges Ereignis nennen. Und das hätte ich ihm ja nun gemeldet.

Schnell wieder ans Netz

Ich beantrage dann, dass ich mit meinem Wagen weiterfahren wolle. Zeit ist schließlich Geld! Der Polizist weist mich pflichtbewusst darauf hin, dass zwei meiner Räder abgerissen seien. Ich sage zu, den ersten Teil der Strecke nur mit halber Geschwindigkeit fahren zu wollen, und erst, wenn er mich nicht mehr sehen könne, würde ich wieder Vollgas geben. Das ist dann auch in Ordnung.

Einen kleinen Schreck bekomme ich, als er mich eindringlich anstarrt und von mir wissen will, warum denn so viele Menschen in meinem Auto säßen. Da dürften höchstens vier Personen mitfahren. Aber ich kann ihn beruhigen. Schließlich ist das kein Problem, wenn da ca. 35 Menschen drin sitzen. Ich bin ja ein sicherer Fahrer und mein Auto entspricht den modernsten Sicherheitsstandards.

AKW Krümmel – entspricht auch „den modernsten Sicherheitsstandards"
Foto: Hinnerk

Der Polizist kratzt sich kurz am Nacken, gibt uns den Hinweis, dass meine Frau bei der Weiterfahrt darauf bestehen solle, dass ich Ihre Anweisungen wiederhole und gibt uns seinen Segen, mit den Worten:

„Es hat zu keiner Zeit irgendeine Gefahr für die Bevölkerung bestanden.”

Dann räumt er die Leiche des Motorradfahrers weg, den ich beim Schleudern erwischt, aber vergessen habe anzugeben und murmelt diesem leise ins Ohr „Trauernicht!“ [2] (PK)

Webseite der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch



[1] Dr. Christel Happach-Kasan (MdB) ist FDP-Sprecherin für ländliche Räume und nachwachsende Rohstoffe (gehören Menschen dazu?!), Mitglied im Ausschuss für Reaktorsicherheit und setzt sich für „grüne Gentechnik“ ein – Anm. der Red.

[2] Die Schleswig-Holsteinische für Reaktorsicherheit „verantwortliche“ Ministerin heißt Gitta Trauernicht – die Red.




Online-Flyer Nr. 107  vom 08.08.2007

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