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Globales
US-Verhörmethoden einst und jetzt:
Von der Wasserkur zum Waterboarding
Von Eberhard Rondholz
Die Vermutung läge nahe. Doch die hier von dem US-Soldaten A.F. Miller beschriebene Folterszene, Walter Kramer hat sie dieser Tage in einem Aufsatz der Reihe Annals of American History des Magazins „The New Yorker“ aus aktuellem Anlass zitiert, stammt aus dem Jahre 1901. US-Soldaten praktizierten diese Verhörmethode im philippinisch- amerikanischen Krieg. Der war ausgebrochen, nachdem die USA die gerade von spanischer Kolonialherrschaft befreiten Philippinen annektiert und den ersten Präsidenten der philippinischen Republik, Emilio Aguinaldo, für abgesetzt erklärt hatten. Der Krieg war ein Guerilla-Krieg, und die „Counter-Insurgency-Methoden“ der US-Truppen, daran erinnert Walter Kramer, nahmen nicht die geringste Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, ganze Dörfer wurden abgefackelt. Und es gab die institutionalisierte Folter.
Verwundete Phillipiner im philippinisch-amerikanischen Krieg
„The Water Cure“ ist Kramers Aufsatz überschrieben, die Wasserkur. Das war die launige Bezeichnung, die die US-Soldaten für die damals gängige Praxis benutzten, die Ähnlichkeit zum jetzt von den US-Amerikanern gern angewandten „Waterboarding“, dem simulierten Ertränken eines Gefangenen – ein Zufall? Es gibt hier allerdings einen nicht ganz unwesentlichen Unterschied zu vermerken. Damals auf den Philippinen, vor etwas mehr als einem Jahrhundert, stellte die „Wasserkur“, darauf verweist Kramer ausdrücklich. einen eindeutigen Verstoß gegen amerikanisches Recht dar. „Militärische Notwendigkeit erlaubt keine Grausamkeit – auch nicht die Folter zum Erzwingen von Geständnissen“, zitiert Kramer aus einer damals gültigen Militärvorschrift. Auch gab es, nachdem die Methode „Wasserkur“ in der US-amerikanischen Öffentlichkeit bekannt wurde, auf ausdrückliches Drängen des Präsidenten der Vereinigten Staaten, William McKinley, in wenigstens einem Fall eine militärgerichtliche Untersuchung. Ein Captain Glenn, verantwortlich für die mehrfache Anwendung der Wasserkur bei dem gefangenen Philippiner Tobeniano Ealdama, musste sich eine Woche lang vor Gericht verantworten.
Im Fall Ealdamas war eine verschärfte Form der Folter angewandt worden: nachdem er beim ersten Mal nicht gestanden hatte, wurde das mit Gewalt eingeflößte Wasser aus ihm herausgepresst, indem ein Soldat mit den Füßen so lange auf seinem Bauch herumsprang, bis der wieder leer war, und die Folter begann aufs neue. Beileibe kein Einzelfall auch diese Praxis.
Glenn beschrieb die Wasserkur als die „übliche Methode, von Aufständischen Informationen zu erhalten.“ Doch seine Strafe war lächerlich: ein Monat Suspendierung vom Dienst, und 50 Dollar Geldstrafe. Das Opfer Ealdama kam, auf der Grundlage der mit der Folter erpressten Aussage, für zehn Jahre ins Arbeitslager. Heute haben die Anwender der neuen Form der Wasserfolter, des Waterboarding, den allerhöchsten Segen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sie sei ein außerordentlich nützliches Instrument im Kampf gegen den Terror.
George W. (mit Freundin Angela) hält „Waterboarding" für ein adäquates Mittel der „Terrorbekämpfung" | Foto: Paul Morse
Was der Präsident nicht sagte, was aber so manche seiner Landsleute sicherlich empfinden, wurde anlässlich der Wasserkur vor hundert Jahren noch offen ausgesprochen: Die Opfer der inhumanen Praktiken unsrer Leute sind Menschen, die es nicht anders verdienen. „Der philippinische Aufstand wurde geführt mit einer barbarischen Grausamkeit, wie sie unter unzivilisierten Rassen üblich ist,“ so hieß es, und die Handlungsweise unserer Leute ist nichts anderes als der Reflex auf den barbarischen Zustand der Bewohner eines semizivilisierten Landes, auf asiatische Grausamkeit.
So dachte auch Präsident Theodor Roosevelt, der dem im September 1901 ermordeten McKinley im Amt folgte. In einem Brief an einen Freund äußert er Verständnis dafür, wenn nicht wenige der rekrutierten Soldaten im Angesicht eines heimtückischen Feindes die alte philippinische Methode der Wasserkur anzuwenden begonnen hätten. Wobei er überzeugt war, dass niemand dabei ernstlich verletzt worden sei, während die Philippinos den US-Soldaten unvorstellbare Foltern zugefügt hätten.
Gleichzeitig war Roosevelt überzeugt von der amerikanischen Mission bei den „unzivilisierten“ Philippinos: „Unsere Armeen tun mehr als den Frieden zu bringen, mehr als die Ordnung herzustellen: sie bringen Freiheit.“ Die Regierung Aguinaldo war für ihn illegal, die Philippinos unfähig, sich selbst zu regieren, sie hungerten geradewegs nach amerikanischem Schutz. Doch auf einer Bestrafung jeden Akts der Barbarei, begangen durch amerikanische Militärs, bestand auch er.
Jean-Paul Sartre 1964
Jetzt ist, zum ersten Mal seit der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen im Jahr 1948, die Folter in einer Demokratie der westlichen Welt von einem Staatschef zur legalen Praxis erhoben worden. Angewandt wurde die Folter, auch im ach so zivilisierten alten Europa immer wieder, auch nach 1948, machen wir uns nichts vor – zum Beispiel im französischen Algerienkrieg. Und da war es auch verboten, über die Folter zu berichten. Aber es fand sich ein Philosoph namens Jean-Paul Sartre, um das Folter-Tagebuch „La Question“ von Henri Alleg, des Verbots ungeachtet, zu publizieren und so eine breite öffentliche Debatte über die Folter in der Algérie Francaise, dem noch französischen Algerien, in Gang zu setzen. Ob Sartres mehr oder weniger prominenten Schülern heute zum Folterbefehl des US-Präsidenten etwas einfällt? Da sind wir mal gespannt.
Zurück ins Jahr 1902, zurück in die USA: Die öffentliche Erregung über die Wasserfolter auf den fernen Philippinen ebbte so schnell ab, wie sie gekommen war. Schon im April 1902 konnte man in der New York World diese Beschreibung des „American Public“ beim Frühstück und der Lektüre einer Zeitung voll der „philippinischen Greuel“ lesen: „Das schlürft seinen Kaffee und liest von seinen Soldaten, wie sie den Rebellen die Wasserkur verabreichen; wie eine handvoll Salz im Wasser das Ganze effizienter macht, wie es die Kehlen der Patienten herunter gezwungen wird, bis ihre Körper dem Platzen nahe kommen; wie die Soldaten auf die angeschwollenen Körper springen, um das Wasser schnell wieder heraus zu zwingen, so dass die Behandlung von vorn beginnen kann. Das American Public schlürft ein weiteres Schlückchen Kaffee und bemerkt: How very unpleasant – wie außerordentlich unerfreulich.“ (CH)
Online-Flyer Nr. 140 vom 02.04.2008
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Globales
US-Verhörmethoden einst und jetzt:
Von der Wasserkur zum Waterboarding
Von Eberhard Rondholz
Die Vermutung läge nahe. Doch die hier von dem US-Soldaten A.F. Miller beschriebene Folterszene, Walter Kramer hat sie dieser Tage in einem Aufsatz der Reihe Annals of American History des Magazins „The New Yorker“ aus aktuellem Anlass zitiert, stammt aus dem Jahre 1901. US-Soldaten praktizierten diese Verhörmethode im philippinisch- amerikanischen Krieg. Der war ausgebrochen, nachdem die USA die gerade von spanischer Kolonialherrschaft befreiten Philippinen annektiert und den ersten Präsidenten der philippinischen Republik, Emilio Aguinaldo, für abgesetzt erklärt hatten. Der Krieg war ein Guerilla-Krieg, und die „Counter-Insurgency-Methoden“ der US-Truppen, daran erinnert Walter Kramer, nahmen nicht die geringste Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, ganze Dörfer wurden abgefackelt. Und es gab die institutionalisierte Folter.
Verwundete Phillipiner im philippinisch-amerikanischen Krieg
„The Water Cure“ ist Kramers Aufsatz überschrieben, die Wasserkur. Das war die launige Bezeichnung, die die US-Soldaten für die damals gängige Praxis benutzten, die Ähnlichkeit zum jetzt von den US-Amerikanern gern angewandten „Waterboarding“, dem simulierten Ertränken eines Gefangenen – ein Zufall? Es gibt hier allerdings einen nicht ganz unwesentlichen Unterschied zu vermerken. Damals auf den Philippinen, vor etwas mehr als einem Jahrhundert, stellte die „Wasserkur“, darauf verweist Kramer ausdrücklich. einen eindeutigen Verstoß gegen amerikanisches Recht dar. „Militärische Notwendigkeit erlaubt keine Grausamkeit – auch nicht die Folter zum Erzwingen von Geständnissen“, zitiert Kramer aus einer damals gültigen Militärvorschrift. Auch gab es, nachdem die Methode „Wasserkur“ in der US-amerikanischen Öffentlichkeit bekannt wurde, auf ausdrückliches Drängen des Präsidenten der Vereinigten Staaten, William McKinley, in wenigstens einem Fall eine militärgerichtliche Untersuchung. Ein Captain Glenn, verantwortlich für die mehrfache Anwendung der Wasserkur bei dem gefangenen Philippiner Tobeniano Ealdama, musste sich eine Woche lang vor Gericht verantworten.
Im Fall Ealdamas war eine verschärfte Form der Folter angewandt worden: nachdem er beim ersten Mal nicht gestanden hatte, wurde das mit Gewalt eingeflößte Wasser aus ihm herausgepresst, indem ein Soldat mit den Füßen so lange auf seinem Bauch herumsprang, bis der wieder leer war, und die Folter begann aufs neue. Beileibe kein Einzelfall auch diese Praxis.
Glenn beschrieb die Wasserkur als die „übliche Methode, von Aufständischen Informationen zu erhalten.“ Doch seine Strafe war lächerlich: ein Monat Suspendierung vom Dienst, und 50 Dollar Geldstrafe. Das Opfer Ealdama kam, auf der Grundlage der mit der Folter erpressten Aussage, für zehn Jahre ins Arbeitslager. Heute haben die Anwender der neuen Form der Wasserfolter, des Waterboarding, den allerhöchsten Segen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sie sei ein außerordentlich nützliches Instrument im Kampf gegen den Terror.
George W. (mit Freundin Angela) hält „Waterboarding" für ein adäquates Mittel der „Terrorbekämpfung" | Foto: Paul Morse
Was der Präsident nicht sagte, was aber so manche seiner Landsleute sicherlich empfinden, wurde anlässlich der Wasserkur vor hundert Jahren noch offen ausgesprochen: Die Opfer der inhumanen Praktiken unsrer Leute sind Menschen, die es nicht anders verdienen. „Der philippinische Aufstand wurde geführt mit einer barbarischen Grausamkeit, wie sie unter unzivilisierten Rassen üblich ist,“ so hieß es, und die Handlungsweise unserer Leute ist nichts anderes als der Reflex auf den barbarischen Zustand der Bewohner eines semizivilisierten Landes, auf asiatische Grausamkeit.
So dachte auch Präsident Theodor Roosevelt, der dem im September 1901 ermordeten McKinley im Amt folgte. In einem Brief an einen Freund äußert er Verständnis dafür, wenn nicht wenige der rekrutierten Soldaten im Angesicht eines heimtückischen Feindes die alte philippinische Methode der Wasserkur anzuwenden begonnen hätten. Wobei er überzeugt war, dass niemand dabei ernstlich verletzt worden sei, während die Philippinos den US-Soldaten unvorstellbare Foltern zugefügt hätten.
Gleichzeitig war Roosevelt überzeugt von der amerikanischen Mission bei den „unzivilisierten“ Philippinos: „Unsere Armeen tun mehr als den Frieden zu bringen, mehr als die Ordnung herzustellen: sie bringen Freiheit.“ Die Regierung Aguinaldo war für ihn illegal, die Philippinos unfähig, sich selbst zu regieren, sie hungerten geradewegs nach amerikanischem Schutz. Doch auf einer Bestrafung jeden Akts der Barbarei, begangen durch amerikanische Militärs, bestand auch er.
Jean-Paul Sartre 1964
Zurück ins Jahr 1902, zurück in die USA: Die öffentliche Erregung über die Wasserfolter auf den fernen Philippinen ebbte so schnell ab, wie sie gekommen war. Schon im April 1902 konnte man in der New York World diese Beschreibung des „American Public“ beim Frühstück und der Lektüre einer Zeitung voll der „philippinischen Greuel“ lesen: „Das schlürft seinen Kaffee und liest von seinen Soldaten, wie sie den Rebellen die Wasserkur verabreichen; wie eine handvoll Salz im Wasser das Ganze effizienter macht, wie es die Kehlen der Patienten herunter gezwungen wird, bis ihre Körper dem Platzen nahe kommen; wie die Soldaten auf die angeschwollenen Körper springen, um das Wasser schnell wieder heraus zu zwingen, so dass die Behandlung von vorn beginnen kann. Das American Public schlürft ein weiteres Schlückchen Kaffee und bemerkt: How very unpleasant – wie außerordentlich unerfreulich.“ (CH)
Online-Flyer Nr. 140 vom 02.04.2008
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