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Inland
Gabriel kündigt besseren Schutz gegen Handy-Strahlung an
Mobilfunk und Politik
Von Peter Kleinert

Der Mobilfunk sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Erkrankungen des Nervensystems, verkürzte Lebenserwartung und Krebsdiagnosen durch die Strahlung von Mobiltelefonen und die Sendemasten verursacht werden. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verkündete dagegen, nach Veröffentlichung der Ergebnisse des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms (DMF), dass man keine Hinweise für eine schädigende Wirkung gefunden habe. Untersuchungen, über die die NRhZ bereits in den Ausgaben Nr. 87 und 97 vom 21. März und 30.Mai 2007 berichtete, beweisen das Gegenteil.
 

Dietmar Gabriel
Senkt er die Grenzwerte für den Mobilfunk?
– Umweltminister Sigmar Gabriel
Quelle: spd-schopfheim.de
Am 20. August meldete die Süddeutsche Zeitung erfreut unter der Überschrift „Gabriel will besseren Schutz gegen Handy-Strahlung“, die Bundesregierung wolle die Bürger besser vor möglichen Krankheitsrisiken durch Handy-Strahlung schützen. Was bei diesem Gesetzesentwurf „zum Schutz vor nicht ionisierender Strahlung“ herauskommen wird, bleibt abzuwarten. Denn während sich das DMF unter Beteiligung und mit Unterstützung der Industrie bisher erfolgreich große Mühe gab, weiter die Unbedenklichkeit der Mobilfunkstrahlung zu betonen und dabei auch von Medien wie dem WDR und dem SPIEGEL unterstützt wurde (siehe NRhZ 104, 111, 136 und 138), liegen in anderen Ländern Untersuchungen zu Gesundheitsschäden vor, die das Gegenteil beweisen.
 
Krankheitsrisiko vermindern
 
Inzwischen befasst sich auch DIE LINKE im Bundestag mit dem Thema. „Mobilfunkstrahlung minimieren – Vorsorge stärken“ lautet ein Antragsentwurf vom April, den die Fraktion jetzt in den Bundestag eingebracht hat. Gefordert werden dort schärfere Grenzwerte als Vorsorgemaßnahmen, um das Krankheitsrisiko bzw. das Sterberisiko Betroffener zu vermindern. Die Fraktion hat dabei nicht nur Handys, sondern auch die Nutzung anderer Geräte, wie z. B. W-LAN-Systeme, UMTS, schnurlose Telefone, Babyfone etc. im Blick. Gefordert werden auch Zonen ohne Sendemasten in und um Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Altenheime, um wenigstens die für die Strahlung empfindlichsten Menschen zu schützen. Außerdem setzt sich DIE LINKE für die Einführung einer deutlichen und für alle verständlichen Kennzeichnungspflicht der Strahlung von Mobilfunkgeräten ein, wie man das von Kühlschränken und Waschmaschinen kennt. Bürgerinnen und Bürger müssten auf einem Blick erkennen können, welcher Strahlung sie sich aussetzen.

Montage: Gisela Segieth
Das DMF sei im Jahr 2007 ausgelaufen, heißt es in dem Antrag weiter. Anstatt die Forschungen weitgehend einzustellen, wie es die Bundesregierung beabsichtige, müsse das Programm durch unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ärztinnen und Ärzte fortgeführt werden.
 
MdB Lutz Heilmann forderte anlässlich des Abschlussberichts des DMF in einer von den üblichen Medien natürlich nicht beachteten Presseerklärung: „Die Forschung zu den Gesundheitsgefahren der Mobilfunkstrahlung muss weiter gehen und die Grenzwerte müssen gesenkt werden.“ Der naturschutzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE weiter: „Nach Aussage des Bundesumweltministers Sigmar Gabriel geben die Ergebnisse keinen Anlass, die Schutzwirkungen der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen. Er verschweigt dabei, dass die Strahlungsbelastung gegenüber Kindern nicht ausreichend untersucht wurde. Gesundheitsgefährdende Wirkungen durch eine Langzeitbelastung von über 10 Jahren können nicht ausgeschlossen werden. Eine Weiterführung des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms ist daher zwingend notwendig.“ Durch die Beteiligung der Mobilfunkindustrie am DMF „wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Unabhängige Forschungen belegen seit Jahren, dass große Gefahren von der Funktechnik ausgehen.“
 
heilmann
MdB Lutz Heilmann:
„Bock zum Gärtner gemacht“
Foto: Junge Welt
Auf Einladung der Bürgerinitiative "Mobilfunk Wuhletal" berichtete Lutz Heilmann über die ablehnende Haltung der Bundesregierung zur Verschärfung der Grenzwerte für Handys und der rechtlichen Bestimmungen bei der Errichtung von Sendeanlagen. Die Bundesregierung habe von 2002 bis 2007 das DMF durchgeführt. Ausgegeben wurden dafür 17 Millionen Euro, wobei sich das Bundesumweltministerium und die Netzbetreiber die Kosten teilten. Die Frage sei aber, ob man damit wirklich aufklären wollte „oder ob das nicht eher der Verschleierung der Fakten gedient hat“. Als Ergebnis liege nun ein Gesetzesentwurf vor, bei dem sich auch noch die bayrischen Wahlkämpfer Seehofer und Glos quer stellten. Heilmann: „Auch bei anderen Umweltrisiken wie Asbest, Röntgenstrahlen oder dem Rauchen schwenkten die Behörden erst aufgrund eindeutiger Forschungsergebnisse um, mit der Folge von zehntausenden anerkannten Berufskrankheiten sowie hohen Sanierungskosten für öffentliche und private Haushalte.“ Der Antrag der LINKEN fordere die Bundesregierung dagegen zur Vorsorge auf.

Mobilfunklobby in den Fraktionen
 
Hinsichtlich der Erfolgsaussichten ist der Abgeordnete allerdings pessimistisch: „Unser Antrag wird mit Sicherheit abgelehnt werden. Die Bundesregierung hält an den Grenzwerten der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung fest… Die Telekommunikationsbranche hat eine viel zu starke Lobby, welche Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie die Presse durch Millionenzuflüsse im Anzeigensektor finanziert.“
 
Bestätigt wird Heilmann, wenn man einmal genauer bei den entscheidenden Positionen im Bund recherchiert. Dort findet man quer durch die großen Parteien einflussreiche Vertreter der Mobilfunk-Konzerne. (1)

SPD
 
In den Reihen der SPD sitzt z.B. der Mobilfunkbefürworter Vito Cecere. Er ist Leiter der Planungsgruppe im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Zuvor arbeitete er für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering im Deutschen Bundestag. Davor jedoch war er der Leiter Public Affairs bei Vodafone D2, Konzernrepräsentanz Berlin. Cecere springt seit Jahren zwischen Mobilfunk und Politik hin und her. Das einzig „Soziale“ an diesem Sozialdemokraten dürfte wohl sein, dass er weiß, wie man so seine eigene Tasche - auch zum Leidwesen der BundesbürgerInnen - am besten füllt.

CDU/CSU
 
Dr. Mark Speich unterstützt den Mobilfunk als Leiter der Planungsgruppe innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er wurde zum 1. Mai 2008 Leiter der Corporate Responsibility und Stiftungen bei Vodafone. Außerdem wurde er zum gleichen Datum zum Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland GmbH berufen. Und er ist nicht der einzige Mobilfunkmann in der CDU/CSU.

Thomas Ellerbeck ist seit dem 1. August 2008 Direktor Konzernkommunikation, Politik und Stiftungen von Vodafone Deutschland und der Arcor AG. Er ist Mitglied des Executive Committees von Vodafone Deutschland und der Arcor AG. Von 1995 bis 2000 war er im Bundespräsidialamt zunächst stellvertretender Sprecher von Bundespräsident Roman Herzog (CDU) und anschließend Leiter von dessen Persönlichem Büro. Davor war er Leiter der Pressestelle der Staatskanzlei im CDU/FDP-geführten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Grüne
 
Das Beispiel von Michael Wedell zeigt deutlich, dass der Mobilfunk selbst von den Grünen gefördert wird. Wie könnte es sonst sein, dass er derzeit der Leiter der Konzernrepräsentanz und des Bereichs Public Affairs von Vodafone Deutschland ist? Seine berufliche Laufbahn begann er in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, zuletzt als Vorstandsreferent.

Diese Beispiele, die quer durch die großen Parteien beliebig fortgeführt werden könnten, zeigen wieder einmal deutlich, dass Deutschland längst von den Konzernen - darunter auch die großen Mobilfunkanbieter - regiert wird. Umso wichtiger, dass „Die LINKE“ sich dieser Thematik mit ihrem Antrag an den Bundestag angenommen hat, den unsere LeserInnen unter diesem Artikel im Wortlaut finden. Welche Erfolgsaussichten die Fraktion sieht, werden sie in einem Interview mit Lutz Heilmann in einer der kommenden Ausgaben der NRhZ erfahren. (PK)
 
(1) http://www.kompetenzinitiative.de/

Hierzu auch die Broschüre: „Macht Mobilfunk krank?“ in der zweiten aktualisierten Auflage, 2008; 28 S. zum Preis von 5 Euro zuzgl. Versandkosten. Erschienen beim Privatinstitut für ganzheitliche Medizin und Gesundheitsförderung, Auf dem Vievacker 16, 21407 Deutsch Evern, e-mail: institut@gladiss.de. Eine Rezension finden Sie in NRhZ 136.

Den  Antrag der LINKEN finden Sie unter  http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/094/1609485.pdf

Online-Flyer Nr. 161  vom 27.08.2008

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