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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Sport
Rätselraten bei Dynamo Dresden
Halloween ist doch vorbei
Von Hermann

„Fastelovend es vörbei, Jung“ bellte es mir einst entgegen, als ich mit bunt gefärbtem Haupthaar wenige Tage nach Aschermittwoch frohen Mutes eine Straßenbahn betrat. Glaubte ich anfangs noch an einen freundlich gemeinten Hinweis aus der Bevölkerung, wurde mir nach kurzer aber eingehender Betrachtung des hasserfüllten Blickes des schnäuzertragenden Absenders besagter Anmerkung schnell bewusst, dass Nächstenliebe und Sympathie nicht die Grundlagen seiner Äußerung sein konnten.
Dynamo Dresden
Von denen war’s wohl keiner – Dynamo Dresden-Team
Quelle: www.fanforum-dynamo.de


Nein, ich war an ein Musterbeispiel des toleranten Rheinländers geraten, der außerhalb seiner heiligen Feiertage – Karneval, Vatertag, Malle, Betriebsweihnachtsfeier – neben dem Herzen eben auch die Gallenblase auf der Zunge trägt, wenn ihm irgendein sichtlich mit sich selbst zufriedener Zeitgenosse über den Weg läuft, während ihm selbst der Hass auf sein erbärmlich monotones Leben beinahe vom Oberlippenbart tropft. Toleranz schön und gut, aber eben alles zu seiner Zeit.

Das soll hier aber gar nicht das Thema sein, an diese Begebenheit musste ich nur denken, als ich etwas bemerkenswertes aus einer Region las, die vom Kölner Karneval ähnlich weit entfernt ist, wie vom Erstligafußball. In Dresden haben einige freche Unbekannte in der Nacht nach der Heimniederlage gegen Paderborn für Gruselstimmung gesorgt, indem sie auf eigene Faust dem Trainingsgelände ihres Vereins das Antlitz eines Gottesackers verliehen. Elf kleine Gräber wurden ausgehoben, jedes stilecht mit einem Holzkreuz versehen. Und das, obwohl Halloween doch schon vorbei war!

Strafanzeige gestellt
 
Während es früher unter angehenden Akademikern und Gymnasiasten schwer in Mode war, alles was künftig vielleicht nicht in ausreichender Menge vorhanden sein könnte (Bildung, guter Geschmack etc.) symbolisch in einem Pappsarg zu Grabe zu tragen, gingen nun einige junge Sachsen bedeutend handwerklicher zu Werke. Kein Wunder also, dass der Verein Strafanzeige gestellt hat. Hierzu möchte ich gerne den ersten Hinweis geben: Die Täter sind nicht unter friedhofsnahen Berufsgruppen zu finden, denn als ehemaliger Steinmetzlehrling kann ich mit Sicherheit sagen, dass kein Profi die Gräber derart bunt verstreut angelegt hätte. Bekanntlich gelten auf einem deutschen Reihenfeld strengste Verordnungen bezüglich der Beschaffenheit der letzten Ruhestätte. Hier waren blutige Anfänger am Werk. Und obwohl die Dynamo-Hymne Zusammenhalt vermittelnde Zeilen wie „Wir sind der zwölfe Mann, auf uns kommts heute an“ und „Dynamo, Dynamo, wir stehn zu unserer Mannschaft - ist doch klar“ aufweist, aber nur elf Gräber vorgefunden wurden, vermutet man von Vereinsseite die Täter in den eigenen Fankreisen.
 
„Es ist absolut nichts dagegen einzuwenden, wenn Fans ihren berechtigten Unmut über die schlechte Leistung und das Ergebnis kundtun wollen. Aber hier wurde die Grenze erheblich überschritten, das werden wir nicht tolerieren“ lässt sich Dynamo-Geschäftsführer Ralf Minge zitieren. „Diese niveaulose Art von Kritik finden wir beschämend" und „Die Fan-Gemeinschaft Dynamo e.V. verurteilt die pietätlose Aktion auf das Schärfste“ ließen das Dresdner Fan-Projekt und die Fan-Gemeinschaft verlautbaren. Vermutlich sind aber weder die Niveau-, noch die Pietätlosigkeit der wahre Grund für den lauten Aufschrei – wie gesagt, zwei Tage früher wäre das Ganze vielleicht als Halloweenscherz durchgegangen – sondern vielleicht steckt auch ein kleines bisschen Sorge dahinter, dass eines Tages den Drohungen auch Taten folgen könnten. Bereits Anfang letzten Jahres hatten Dresdner Fans eindrucksvoll bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihren Unmut verdammt nah an die Mannschaft zu tragen, als fünfzig vermummte Gestalten auf dem Trainingsgelände auftauchten und die Restbestände ihrer Silvesterknallerei präsentierten. Vor diesem Hintergrund sieht die Grabaktion noch ein Quäntchen düsterer aus.

Vor fünf Jahren schon in Split
 
Übrigens stammt dieser kreative Einfall der nonverbalen Kritik nicht aus Dresden, eher ist es ein geschicktes Medley zweier Coverversionen. Anhänger von Hajduk Split schaufelten bereits vor fünf Jahren Gräber, als ihre Mannschaft den Erwartungen weder in der kroatischen Liga noch im Europapokal gerecht wurde. Allerdings wurde hier an exponierterer Stelle gegraben: die Fans gaben sich mit nichts geringerem als dem Stadionrasen zufrieden. Und Berichten zufolge fanden sich Holzkreuze vor drei Jahren nach einer weniger hübschen Serie von fünf verlorenen Partien auch am Kölner Geißbockheim. Diese waren sogar mit den Namen der ersten Elf versehen. Leider trug sich diese Begebenheit im Oktober zu. Wäre das in der Karnevalszeit passiert, hätte so ein wunderbarer Bogen diese Kolumne abschließen können. So bleibt mir nur, auf einen Witz zurückzugreifen, der immerhin zur Überschrift passt:
 
Es ist Halloween. Ein paar Kinder klingeln an einem Haus, um Süßwaren einzutreiben. Der Hausbesitzer öffnet die Tür: „Halloween? Da haben wir nichts mit am Hut, macht das ihr wegkommt!“ Die Kinder aber lassen nicht locker: „Aber vielleicht ist es gar nicht verkehrt, sich auch ein wenig amerikanische Kultur anzueignen.“ Der Hausbesitzer zeigt sich einsichtig: „Vermutlich habt ihr Recht. Na, dann verlasst mein Grundstück oder ich knall euch ab.“ (PK)

Online-Flyer Nr. 172  vom 12.11.2008

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