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Inland
Berlin soll endlich für Nazi-Massaker in Italien und Griechenland zahlen
Prozess der „Gebirgstruppe“ gegen VVN abgesagt
Von Ulrich Sander
Symbol der Gebirgstruppe
Foto: NRhZ-Archiv
Das Urteil des obersten italienischen Gerichtshofes gegen Deutschland und seine NS-Täter fanden viele Medien zunächst sympathisch und unzulässig zugleich. Deutschlands Regierung sei aber verpflichtet, „so gut sie kann, auf die Familien der Opfer zuzugehen". So kommentierte z.B. die Süddeutsche Zeitung am 23. Oktober. Am 19. November betonte die Zeitung, die übrigens große Verdienste bei der Aufdeckung deutscher Verbrechen an Italienern hat, dass sie überhaupt keine Verpflichtung Deutschlands mehr sieht. Viele Medien unterstützen die Verabredung der Bundeskanzlerin und des italienischen Ministerpräsidenten, gegen das Urteil aus Rom mit einer Klage in Den Haag vorzugehen.
Schlußstrich?
Und es wurde etwas ins Spiel gebracht, auf das noch niemand kam: Die Behauptung, nicht nur Naziopfer könnten nun gegen den deutschen Staat klagen, sondern das Prinzip der Staatenimmunität werde dann insgesamt aufgehoben. Soll endlich ein Schlussstrich unter die deutschen Jahrtausendverbrechen gezogen werden? Oder ist ernstlich damit zu rechnen, dass die Kolonialmächte von den Nachkommen der Opfer vor Gericht gebracht werden? Die Indianer und Nachfolger der Sklaven contra Christoph Columbus sowie die maritimen Mächte? Dies Argument wurde erfunden - warum? Um den Nationalsozialismus und seinen Vernichtungskrieg in ein milderes Licht zu tauchen? Die anderen haben doch auch! - das Argument kannten wir bisher nur aus der ultrarechten Ecke.
Und wenn Deutschland nicht zahlen soll, was dann? Wird es dann wenigstens die Täter bestrafen? Oder die Verurteilten nach Italien ausliefern? Auch das geschieht nicht. Ein einziger von Hunderten noch lebenden schwer belasteten Gebirgsjägern, Wehrmachts- und SS-Soldaten steht derzeit in München vor Gericht. Was gar nicht nötig wäre, würde Deutschland nicht die italienischen Gerichte wie Einrichtungen einer Bananenrepublik behandeln. Denn jener Sepp Scheungraber aus Ottobrunn ist in Italien schon zu lebenslänglich verurteilt worden – warum ihn also nicht ausliefern?
Ende September 2006 in Italien in
Abwesenheit zu lebenslanger Haft
verurteilt - Joseph Scheungraber
Kameradenkreismitglied wie
CSU-Staatssekretär Schmidt | Foto:
Vogler/ www.nrw.vvn-bda.de
Wenn die Bundeskanzlerin nicht zahlen will, warum unternimmt sie nicht alles, um die eng der Wehrmachtstradition verbundene Organisation Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V., dem viele der mutmaßlichen Kriegsverbrecher angehören, zu isolieren? Rund 800 Gebirgssoldaten der Wehrmacht haben einst die deutschen Staatsanwaltschaften ermittelt, die am Massaker an 5.000 italienischen entwaffneten Kriegsgefangenen auf der Insel Kefalonia teilnahmen. Kürzlich hat ein Münchner Gericht auch den letzten Mörder von Kefalonia freigesprochen, weil man es nicht Mord, sondern die Tötung von "Verrätern" nennen könne, was geschah. So hatte schon Goebbels die italienischen Soldaten bezeichnet, nachdem sie 1943 aus dem Krieg austraten.
Zeuge Staatssekretär
Die Bundesregierung geht nicht auf die Opfer, sondern auf die Täter zu. Deren Kameradenkreis wurde auch in der "Süddeutschen" von einem Experten "Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher" genannt, und eine Probe seines Könnens bei der Zeugenbeeinflussung gab er in diesen Wochen, als bekannt wurde, wie die Juristen des Kameradenkreises Zeugen für den Scheungraber-Prozess präparierten. Das Bundesverteidigungsministerium lässt nämlich durch seinen Staatssekretär Christian Schmidt (CSU, Kameradenkreismitglied) immer wieder versichern (auf Anfrage der LINKEN), dass die deutsche Gebirgstruppe keine "verbrecherische Vergangenheit" habe; allenfalls seien einzelne Soldaten schuldig geworden. Aber gegen die könne man nichts unternehmen, weil man die Mordmerkmale nicht individuell nachweisen könne (so die zuständige Stuttgarter Staatsanwaltschaft). Wenn eine Horde von Männern mit dem Edelweiß an der Mütze das Dorf Kommeno in Griechenland mit fast allen Einwohnern – gleich Hunderten Dörfern - niedermacht, dann war der Einzelne kein Mörder? Dann doch wenigstens der Kommandeur? Doch das war Oberstleutnant Reinhold Klebe, und der wurde bei der Bundeswehr-Gebirgstruppe wieder ein hohes Tier.
Total befangen
Wann trennt sich die Bundesregierung endlich vom Kameradenkreis? Wann greift die Kanzlerin endlich ein - angesichts der Tatsache, dass Christian Schmidt total befangen und überfordert ist, im Namen der Regierung zum Kameradenkreis Stellung zu nehmen? Wann werden die italienischen Ex-Militärinternierten, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurden – darunter Überlebende von Kefalonia - endlich entschädigt, so wie die anderen Zwangsarbeiter auch? Die Zwangsarbeiter aus aller Welt wurden entschädigt, aber nicht jene aus Italien und die Russen aus den Kriegsgefangenenlagern – es waren einfach zu viele. Wann hört der gespenstische jährliche Zauber auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald auf, wo die Bundeswehr gemeinsam mit dem Kameradenkreis die Würdigung der Mitkämpfer beim Vernichtungskrieg vornimmt?
Bundeswehr immer dabei –
Kameradenkreistreffen | Foto: NRhZ-Archiv
Selbst wenn die Regierung das Urteil des höchsten italienischen Gerichtshofes nicht umsetzen will, weil sie für so etwas kein Geld hat, denn sie braucht es ja für neue Kriege – was hindert sie daran, endlich wenigstens den Opfern gegenüber ein Mindestmaß an Respekt an den Tag zu legen?
Eine Art bayerische Armee
Gefordert ist natürlich auch die bayerische Landesregierung, nachdem das Kameradenkreismitglied Stoiber nun nicht mehr Ministerpräsident ist und Herr Beckstein nicht mehr seine Polizei zum Schutz des Kameradenkreises gegen protestierende Antifaschisten, darunter auch italienische und griechische NS-Opfer, einsetzen kann. Die Gebirgstruppe wurde immer als eine Art bayerische Armee angesehen. Wann ist endlich Schluss damit?
Ein Erfolg in der Auseinandersetzung mit dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V. konnte in diesen Tagen immerhin verbucht werden. Der Kameradenkreis zog seine Widerrufsklage gegen die VVN-BdA zurück, und ich darf als deren Bundessprecher nun wieder auf die NS-Vergangenheit des Kameradenkreises hinweisen und sagen, dass an den Treffen des Kameradenkreises auch Kriegsverbrecher teilnehmen. Der Prozesstermin gegen mich am 2. Dezember 2008 in Nürnberg wurde aufgehoben. (PK)
Zu dem Thema finden Sie mehr in NRhZ 145, 147 und 154
Online-Flyer Nr. 174 vom 26.11.2008
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Berlin soll endlich für Nazi-Massaker in Italien und Griechenland zahlen
Prozess der „Gebirgstruppe“ gegen VVN abgesagt
Von Ulrich Sander
Symbol der Gebirgstruppe
Foto: NRhZ-Archiv
Schlußstrich?
Und es wurde etwas ins Spiel gebracht, auf das noch niemand kam: Die Behauptung, nicht nur Naziopfer könnten nun gegen den deutschen Staat klagen, sondern das Prinzip der Staatenimmunität werde dann insgesamt aufgehoben. Soll endlich ein Schlussstrich unter die deutschen Jahrtausendverbrechen gezogen werden? Oder ist ernstlich damit zu rechnen, dass die Kolonialmächte von den Nachkommen der Opfer vor Gericht gebracht werden? Die Indianer und Nachfolger der Sklaven contra Christoph Columbus sowie die maritimen Mächte? Dies Argument wurde erfunden - warum? Um den Nationalsozialismus und seinen Vernichtungskrieg in ein milderes Licht zu tauchen? Die anderen haben doch auch! - das Argument kannten wir bisher nur aus der ultrarechten Ecke.
Und wenn Deutschland nicht zahlen soll, was dann? Wird es dann wenigstens die Täter bestrafen? Oder die Verurteilten nach Italien ausliefern? Auch das geschieht nicht. Ein einziger von Hunderten noch lebenden schwer belasteten Gebirgsjägern, Wehrmachts- und SS-Soldaten steht derzeit in München vor Gericht. Was gar nicht nötig wäre, würde Deutschland nicht die italienischen Gerichte wie Einrichtungen einer Bananenrepublik behandeln. Denn jener Sepp Scheungraber aus Ottobrunn ist in Italien schon zu lebenslänglich verurteilt worden – warum ihn also nicht ausliefern?
Ende September 2006 in Italien in
Abwesenheit zu lebenslanger Haft
verurteilt - Joseph Scheungraber
Kameradenkreismitglied wie
CSU-Staatssekretär Schmidt | Foto:
Vogler/ www.nrw.vvn-bda.de
Zeuge Staatssekretär
Die Bundesregierung geht nicht auf die Opfer, sondern auf die Täter zu. Deren Kameradenkreis wurde auch in der "Süddeutschen" von einem Experten "Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher" genannt, und eine Probe seines Könnens bei der Zeugenbeeinflussung gab er in diesen Wochen, als bekannt wurde, wie die Juristen des Kameradenkreises Zeugen für den Scheungraber-Prozess präparierten. Das Bundesverteidigungsministerium lässt nämlich durch seinen Staatssekretär Christian Schmidt (CSU, Kameradenkreismitglied) immer wieder versichern (auf Anfrage der LINKEN), dass die deutsche Gebirgstruppe keine "verbrecherische Vergangenheit" habe; allenfalls seien einzelne Soldaten schuldig geworden. Aber gegen die könne man nichts unternehmen, weil man die Mordmerkmale nicht individuell nachweisen könne (so die zuständige Stuttgarter Staatsanwaltschaft). Wenn eine Horde von Männern mit dem Edelweiß an der Mütze das Dorf Kommeno in Griechenland mit fast allen Einwohnern – gleich Hunderten Dörfern - niedermacht, dann war der Einzelne kein Mörder? Dann doch wenigstens der Kommandeur? Doch das war Oberstleutnant Reinhold Klebe, und der wurde bei der Bundeswehr-Gebirgstruppe wieder ein hohes Tier.
Total befangen
Wann trennt sich die Bundesregierung endlich vom Kameradenkreis? Wann greift die Kanzlerin endlich ein - angesichts der Tatsache, dass Christian Schmidt total befangen und überfordert ist, im Namen der Regierung zum Kameradenkreis Stellung zu nehmen? Wann werden die italienischen Ex-Militärinternierten, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurden – darunter Überlebende von Kefalonia - endlich entschädigt, so wie die anderen Zwangsarbeiter auch? Die Zwangsarbeiter aus aller Welt wurden entschädigt, aber nicht jene aus Italien und die Russen aus den Kriegsgefangenenlagern – es waren einfach zu viele. Wann hört der gespenstische jährliche Zauber auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald auf, wo die Bundeswehr gemeinsam mit dem Kameradenkreis die Würdigung der Mitkämpfer beim Vernichtungskrieg vornimmt?
Bundeswehr immer dabei –
Kameradenkreistreffen | Foto: NRhZ-Archiv
Eine Art bayerische Armee
Gefordert ist natürlich auch die bayerische Landesregierung, nachdem das Kameradenkreismitglied Stoiber nun nicht mehr Ministerpräsident ist und Herr Beckstein nicht mehr seine Polizei zum Schutz des Kameradenkreises gegen protestierende Antifaschisten, darunter auch italienische und griechische NS-Opfer, einsetzen kann. Die Gebirgstruppe wurde immer als eine Art bayerische Armee angesehen. Wann ist endlich Schluss damit?
Ein Erfolg in der Auseinandersetzung mit dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V. konnte in diesen Tagen immerhin verbucht werden. Der Kameradenkreis zog seine Widerrufsklage gegen die VVN-BdA zurück, und ich darf als deren Bundessprecher nun wieder auf die NS-Vergangenheit des Kameradenkreises hinweisen und sagen, dass an den Treffen des Kameradenkreises auch Kriegsverbrecher teilnehmen. Der Prozesstermin gegen mich am 2. Dezember 2008 in Nürnberg wurde aufgehoben. (PK)
Zu dem Thema finden Sie mehr in NRhZ 145, 147 und 154
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