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"Sie sagen ja jetzt..." - Teil 5
Früher war das mehr so hintenrum
Von Ulla Lessmann
Man darf aber nichts mehr verdrängen und sich anstauen lassen, weil das total schädlich ist und man dann Magengeschwüre und Herzinfarkte bekommt von dem ganzen Unausgesprochenen und Verschwiegenen. Und gerade als älterer Mensch muß man auf diese ganzen verdrängten Emotionen achten, wo wir früher Gefühle gesagt haben und soll sich nach Herzenslust kabbeln und fetzen, damit man gesund bleibt.
Ulla Lessmann
Foto: www.nrw-autoren-im-netz.de
Wir haben uns früher auch gestritten, aber so, dass es keiner gemerkt hat und niemand davon wußte. Man hat dann eher mal hintenrum was fallen lassen, dann wußten schließlich auch alle, was gemeint war. Das macht man nicht mehr, sondern man macht das jetzt richtig mit Regeln und Vorschriften und vor allem mit Kultur. Nämlich Streitkultur. Viele können ja leider nicht an sich halten und benutzen Wörter, von denen man nicht wußte, dass sie die überhaupt kennen.
Deshalb gibt es jetzt Seminare in der Volkshochschule, in denen man lernt, sich ohne schreckliche Schimpfwörter und unanständige Flüche die schlimmsten Sachen an den Kopf zu werden und sich gut erzogen zu streiten. Man übt, wahnsinnig aufzupassen und nur bei dem einen Thema zu bleiben, um das es gerade geht und sich zu achten und zu respektieren, obwohl man sich viel lieber gegenseitig erwürgen würde. Und man lernt, kluge und sachliche Argumente auszutauschen anstatt rumzubrüllen, auch wenn einem genau danach ist. Ich dachte eigentlich, gegen das Magengeschwür wäre so eine wilde Schreierei an sich besser. Man darf niemals "du hast mir noch nie was gegönnt" kreischen oder "unterbrich mich nicht immer, du blöde Kuh!" schreien, auch wenn man vor Wut und Raserei platzt. Gegen dieses Miststück von einer Cousine, das mich noch nie hat ausreden lassen, in 60 Jahren nicht und immer Recht hat, die dumme Nuss und nie mir mal Recht gibt - das gibt´s doch wohl nicht, dass nur immer Eine Recht hat - gegen die jedenfalls, habe ich gedacht, mache ich mal so ein Streitseminar, damit ich endlich auch mal Recht bekomme bei dieser Zimtzicke, dieser verdammten.
Ulla Lessman wurde 1952 in Bremerhaven geboren, lebt seit 1964 in Köln, ist Journalistin, Diplom-Volkswirtin und Schriftstellerin. Sie war langjährige Chefredakteurin des "Sozialdemokrat Magazin" und des "Vorwärts" in Bonn, ist seit 1995 freie Autorin für Zeitschriften und Hörfunk und hat mehr als 100 literarische Veröffentlichungen in Printmedien, Hörfunk und Internet ("Hier schreit nur einer", Gerichtsreportagen, www.internet-editionen.de) geschrieben. Zahlreiche Preise, unter anderem den Sonderpreis des "Emma"-Journalistinnenpreises für Glossen und den Förderpreis für satirische Literatur der Stadt Herne. Ulla Lessmann ist Mitglied im VS.
Online-Flyer Nr. 32 vom 21.02.2006
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"Sie sagen ja jetzt..." - Teil 5
Früher war das mehr so hintenrum
Von Ulla Lessmann
Man darf aber nichts mehr verdrängen und sich anstauen lassen, weil das total schädlich ist und man dann Magengeschwüre und Herzinfarkte bekommt von dem ganzen Unausgesprochenen und Verschwiegenen. Und gerade als älterer Mensch muß man auf diese ganzen verdrängten Emotionen achten, wo wir früher Gefühle gesagt haben und soll sich nach Herzenslust kabbeln und fetzen, damit man gesund bleibt.
Ulla Lessmann
Foto: www.nrw-autoren-im-netz.de
Wir haben uns früher auch gestritten, aber so, dass es keiner gemerkt hat und niemand davon wußte. Man hat dann eher mal hintenrum was fallen lassen, dann wußten schließlich auch alle, was gemeint war. Das macht man nicht mehr, sondern man macht das jetzt richtig mit Regeln und Vorschriften und vor allem mit Kultur. Nämlich Streitkultur. Viele können ja leider nicht an sich halten und benutzen Wörter, von denen man nicht wußte, dass sie die überhaupt kennen.
Deshalb gibt es jetzt Seminare in der Volkshochschule, in denen man lernt, sich ohne schreckliche Schimpfwörter und unanständige Flüche die schlimmsten Sachen an den Kopf zu werden und sich gut erzogen zu streiten. Man übt, wahnsinnig aufzupassen und nur bei dem einen Thema zu bleiben, um das es gerade geht und sich zu achten und zu respektieren, obwohl man sich viel lieber gegenseitig erwürgen würde. Und man lernt, kluge und sachliche Argumente auszutauschen anstatt rumzubrüllen, auch wenn einem genau danach ist. Ich dachte eigentlich, gegen das Magengeschwür wäre so eine wilde Schreierei an sich besser. Man darf niemals "du hast mir noch nie was gegönnt" kreischen oder "unterbrich mich nicht immer, du blöde Kuh!" schreien, auch wenn man vor Wut und Raserei platzt. Gegen dieses Miststück von einer Cousine, das mich noch nie hat ausreden lassen, in 60 Jahren nicht und immer Recht hat, die dumme Nuss und nie mir mal Recht gibt - das gibt´s doch wohl nicht, dass nur immer Eine Recht hat - gegen die jedenfalls, habe ich gedacht, mache ich mal so ein Streitseminar, damit ich endlich auch mal Recht bekomme bei dieser Zimtzicke, dieser verdammten.
Ulla Lessman wurde 1952 in Bremerhaven geboren, lebt seit 1964 in Köln, ist Journalistin, Diplom-Volkswirtin und Schriftstellerin. Sie war langjährige Chefredakteurin des "Sozialdemokrat Magazin" und des "Vorwärts" in Bonn, ist seit 1995 freie Autorin für Zeitschriften und Hörfunk und hat mehr als 100 literarische Veröffentlichungen in Printmedien, Hörfunk und Internet ("Hier schreit nur einer", Gerichtsreportagen, www.internet-editionen.de) geschrieben. Zahlreiche Preise, unter anderem den Sonderpreis des "Emma"-Journalistinnenpreises für Glossen und den Förderpreis für satirische Literatur der Stadt Herne. Ulla Lessmann ist Mitglied im VS.
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