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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Besitzer PS-starker Diesel-Geländewagen zahlen künftig weniger
Absurde Kfz-Steuerreform
Von Peter Kleinert

Der Kabinettsbeschluss über CO2-basierte Kfz-Steuer wird von der Deutschen Umwelthilfe scharf kritisiert. Er enthalte keine Kaufanreize für effiziente Fahrzeuge, im Gegenteil: Die Steuersenkung begünstige ausgerechnet die Besitzer PS-starker Diesel-SUVs. Diese einseitige Begünstigung von Diesel-Pkw erhöhe aber die Schadstoffbelastung und helfe nicht beim Klimaschutz. Auch bei der Abwrackprämie fehle eine ökologische Komponente.

Kein Fortschritt für den Klimaschutz – im Gegenteil

„Das vom Bundeskabinett im Rahmen des Konjunkturprogramms verabschiedete Konzept für eine CO2-basierte Kfz-Steuer bringt keinen Fortschritt für den Klimaschutz und erhöht voraussichtlich sogar die Luft­schad­stoffbelastung durch den Pkw-Verkehr.“

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nennt die Beschlüsse der Regierung „eine reine Absatzförderung für die derzeitigen Ladenhüter der deutschen Automobilindustrie“. Hauptgrund sei das „unübersehbare Motiv der Koalition, den vor allem von deutschen Herstellern produzierten schweren Diesel-Limousinen und SUVs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Gleichzeitig verzichte die Bundesregierung im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten auf jegliche Anreize für besonders saubere beziehungsweise CO2-redu­zierte Antriebstechnologien wie Hybrid, Gas- oder Elektrofahrzeuge“. Diesel-Pkw seien aber wegen ihrer hohen und gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen auch heute noch um ein Vielfaches schmutziger als Benzin-Pkw. Zudem würden immer noch knapp 10 Prozent der Diesel-Neuwagen ohne geregelten Partikelfilter angeboten. Durch die vor allem im Dieselsegment in den vergangenen Jahren vorangetriebene Übermotorisierung habe sich bei den verkauften Pkw in jüngster Zeit sogar der frühere Vorteil bei den CO2-Emissionen insgesamt in sein Gegenteil verkehrt.

Koalition in der Sackgasse
 
Die Regierung hatte einen einheitlichen, CO2-basierten Steuersatz von zwei Euro pro Gramm CO2 über die gesamte Pkw-Palette beschlossen, der bei einem Grenzwert von 120 Gramm CO2 pro Kilometer auf einem „Sockelbetrag“ aufsetzt. Zur Höhe und gegebenenfalls Differenzierung dieses "Sockelbetrages" nach Benzin- und Dieselmotoren gibt es nach Informationen der DUH noch keine Einigung in der Bundesregierung. Das zentrale Problem sei: Wird der Sockelbetrag für Dieselmotoren gegenüber Benzinern erheblich angehoben, steigt ausgerechnet die Steuer für dieselgetriebene Kleinwagen stark an und damit für die einzigen Spritsparmodelle der deutschen Autobauer. Jürgen Resch: "Die Koalitionsrunde hat sich mit einem untauglichen Konzept in eine Sackgasse manövriert, aus der sie nur durch eine grundsätzliche Revision der bisherigen Festlegungen wieder herausfinden kann.“
 
Die Deutsche Umwelthilfe hat die Auswirkungen des Koalitionskonzepts auf Basis eines insbesondere aus der Union in den vergangenen Tagen ins Spiel gebrachten für Diesel- und Benzin-Pkws einheitlichen Sockelbetrags von 50 Euro bis zu einem CO2-Ausstoß von 120 Gramm CO2 pro Kilometer (g CO2/km) für eine Reihe ausgewählter Pkw ermittelt. Das Ergebnis zeigen die Tabellen.

Tabelle kfz steuer
Kfz-Steuer für Kleinwagen

diesel kfz-steuer
Kfz-Steuer für PS-starke Diesel SUVs

Ergebnis: Für wirklich umwelt- und klimafreundliche Fahrzeuge entwickelt eine derartige Kfz-Steuer keine oder allenfalls eine symbolische Anreizwirkung: So betrüge auf dieser Basis die Kfz-Steuersenkung für die beiden Spitzenreiter der aktuellen Auto-Umweltliste des Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Hybrid-Modelle Toyota Prius und Honda Civic, 51 beziehungsweise 45 Euro pro Jahr. Das einzige deutsche Modell unter den Top Ten der VCD-Liste, der Smart Fortwo coupé mhd würde um ganze 17 Euro pro Jahr entlastet. Der Halter eines Citroen C2 1.1 Advance müsste sogar mit einer kleinen Steuererhöhung um 5 Euro pro Jahr rechnen.


Der Halter dieses Citroen C2 1.1 Advance
müsste 5 Euro mehr zahlen
Quelle: www.citroen-haeusler.de
Gewinner der Operation wären also nach den DUH-Berechnungen auf Basis eines einheitlich ausgestalteten Sockelbetrages ausgerechnet die dieselgetriebenen Edel-Geländewagen, deren Siegeszug erst zu der Debatte über eine Umstellung der Kfz-Besteuerung auf CO2-Basis geführt hatte und die in praktisch allen anderen europäischen Ländern mit hohen Strafsteuern erfolgreich zurückgedrängt wurden. Das absurde Signal der Reform: Je mehr PS, je höher die Beschleunigung und Spitzengeschwindigkeit, umso größer fällt die Entlastung bei der Steuer aus. Absoluter Gewinner der Kfz-Steuerreform wäre der seit wenigen Tagen ausgelieferte stärkste Serien-Diesel-Pkw der Welt, der "Monster-SUV" Audi Q7 mit 12-Zylinder Dieselmotor und 500 PS Leistung. Seine Kfz-Steuer würde von 926 Euro auf ganze 406 Euro, also um 520 Euro pro Jahr sinken. Auch der 313 PS starkeVW Touareg V10 TDI käme mit einer Steuersenkung in Höhe von 332 Euro pro Jahr bestens davon, der Halter eines 240 PS-Touareg V6 TDI erhielte eine Steuervergünstigung von 161 Euro.


VW Touareg V10 TDI bringt eine Steuersenkung 332 Euro
Quelle: www.caravanclub.co.uk


„Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland Dieselkraftstoff weiter steuerlich begünstigt wird, muss die Kfz-Steuer diesen Umstand berücksichtigen und für Diesel-Pkw wie bisher auch einen deutlich höheren, ebenfalls am CO2-Ausstoß orientierten Steuersatz vorsehen. Sockelbeträge belasten, egal wie sie ausgestaltet werden, ausgerechnet die effizienten Fahrzeuge und begünstigen die Klimakiller-Pkw", so Resch.
 
DUH: Abgeordnete sollen nicht zustimmen
 
Die Umsetzung des Koalitionskonzepts würde bei Beibehaltung des Sockelkonzepts – einheitliche Besteuerung bis zu einem CO2-Wert von 120 g CO2/km – zudem auf jede Lenkungswirkung unterhalb dieser Grenze verzichten. „Warum sollte ein Autohersteller Mühen in die Entwicklung von Pkw mit einem Ausstoß 100, 90 oder 80 g CO2/km investieren, wenn dies keinen Gewinn mehr bei der Besteuerung oder sonstigen Anreizen bringt?“, fragt Resch. In anderen europäischen Staaten würden bei der Anschaffung besonders schadstoffarmer und CO2-reduzierter Fahrzeuge bis zu mehrere tausend Euro Zuschuss gewährt, die zudem nicht vom Steuerzahler, sondern von den Haltern besonders klimaschädlicher Fahrzeuge aufgebracht werden müssen.
 
Der DUH-Geschäftsführer fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages deshalb auf, diesem Konzept für den Automobilsektor nicht zuzustimmen und es dahingehend zu überarbeiten, dass es „eine für Klimaschutz und Luftreinhaltung positive Wirkung entfaltet. Nur so wäre der Automobilindustrie auch langfristig geholfen.“ Auch die beschlossene undifferenzierte Kaufprämie für Neufahrzeuge, die völlig zu Unrecht als „Umweltprämie“ tituliert werde, müsse grundsätzlich überarbeitet werden.

Konjunkturpolitisch völlig wirkungslos

Die im Rahmen des Konjunkturprogramms beschlossenen Hilfen für die Automobilindustrie sind laut DUH und Verkehrsclub Deutschland (VCD) nicht nur ökologisch kontraproduktiv, sondern auch konjunkturpolitisch weitgehend wirkungslos. Anstatt dass „zukünftige Autokäufer ausgerechnet für die übelsten Klimakiller weniger zahlen als bisher“, so Jürgen Resch von der DUH, sollte man die Automobilindustrie endlich dazu bringen, „Sprit sparende Fahrzeuge mit deutlich niedrigeren CO2-Emissionen voranzutreiben oder innovative Antriebe wie etwa Erdgas-, Hybrid- oder Elektro-Motoren weiter zu entwickeln“. Nach Überzeugung der DUH sollte die Bundesregierung für besonders effiziente Pkw von zum Beispiel weniger als 90 g CO2/km Kaufanreize schaffen und hohe Kraftstoffverbräuche stark überproportional belasten. Ein solches Konzept hatte der VCD bereits vor knapp zwei Jahren ausgearbeitet und gemeinsam mit der DUH der Öffentlichkeit vorgestellt.

Verschrottungsprämie eine Mogelpackung
 
Der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen, kritisierte insbesondere die von der Bundesregierung beschlossene Verschrottungsprämie in Höhe von 2.500 Euro für mindestens neun Jahre alte Autos: „Der Begriff ´Umweltprämie´ ist völlig irreführend. Die Bundesregierung verfolgt mit der Geldspritze für die Autoindustrie keinerlei ökologische Zielsetzung. Sie subventioniert vielmehr die internationale Autoindustrie und verteilt nach dem Zufallsprinzip Geld an Autokäufer.“ Darüber hinaus seien zahlreiche Details der Verschrottungsprämie noch nicht geklärt: Zum Beispiel, ob die Alt-Pkw als Ersatzteillager in Einzelteile zerlegt oder ins Ausland exportiert werden dürfen oder in die Schrottpresse müssen. Sollte letzteres der Fall sein, werde es wenig Nachfrage für die Verschrottungsprämie geben, weil viele Gebrauchtwagen auf dem Markt mehr bringen als 2.500 Euro. Lottsiepen: „Die sogenannte Umweltprämie ist eine 1,5 Milliarden Euro teure Mogelpackung, die zum Missbrauch einlädt und der Umwelt eher schadet als nutzt. Sie ist auch durch Verbesserungen im Detail nicht zu retten“.

Öffentlichen Personennahverkehr stärken!
 
Lottsiepen forderte stattdessen Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die viel höhere Beschäftigungs- und Umwelteffekte zur Folge hätten. Würde der Umweltverbund durch modernere Fahrzeuge und bessere Verbindungen gestärkt, führe dies zu mehr Fahrgästen in Bussen und Bahnen und somit zu einem Aufschwung bei Busherstellern und im Schienenfahrzeugbau. Mehr Bus-, Lok- und Straßenbahnfahrer würden gebraucht, dazu mehr Service- und Wartungskräfte. So könnten zigtausende Jobs geschaffen und eine zukunftsfähige Verkehrspolitik eingeleitet werden.
 
Resch und Lottsiepen erklärten, sie seien keineswegs grundsätzlich gegen konjunkturfördernde Umweltprämien im Autobereich. So wäre es nach Überzeugung von DUH und VCD vernünftig, Dieselpartikelfilter in Nutzfahrzeugen zu fördern, wovon allerdings im Konjunkturprogramm der Regierung keine Rede sei. Partikelfilter in Transportern und Lkw würden die Luftqualität in den Ballungszentren nachhaltig verbessern. Weil sie hauptsächlich in heimischen mittelständischen Betrieben gefertigt und in ortsansässigen Werkstätten eingebaut werden, hätte ein solches Programm tatsächlich eine konjunkturfördernde Wirkung.(PK)

Online-Flyer Nr. 181  vom 21.01.2009

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