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Globales
Interview mit einer Kubanerin zum 50sten Jahrestag der Revolution
„Kuba braucht keinen Kapitalismus“
Von H.-P. Koch

Gut 100 Zuhörer sprengten fast den Saal im Konstanzer Barbarossa-Hotel, kaum jemand fand noch Platz. Sie alle wollten Georgina Alfonso Gonzáles, stellvertretende Leiterin des Instituto de Filosofia in Havanna, hören und ihre Ansichten zu den Errungenschaften der kubanischen Revolution. Hier ein Interview mit dieser ungewöhnlichen Frau.

Georgina-Alfonso-Gonzales
Georgina Alfonso Gonzáles
Quelle: www.cofc.edu
H.-P. Koch: Wie geht es einer Kubanerin bei diesen eisigen Temperaturen?

Georgina Alfonso Gonzáles: Oh, während meines Studiums in Moskau musste ich noch schlimmere Kälte ertragen. Ich komme gut klar mit Schnee und Eis.
 
Wie geht es Fidel, Frau Gonzáles?
 
Nicht so schlecht, wie es in den Medien des Westens dargestellt wird. (In der online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger vom 16.1. behauptete man sogar unter der Schlagzeile: „Ist Fidel Castro bereits tot?“: „Gerüchte über den möglichen Tod von Kubas Revolutionsführer Fidel Castro machen die Runde.“ – Mehr über den „faktenorientierten Journalismus" im Hause DuMont in dieser Ausgabe, die Redaktion) Fidel, immerhin die politisch wichtigste Figur Südamerikas, hat während seiner Krankheit viel Solidarität erfahren. Und das hat sicherlich zu seiner Genesung beigetragen. Aber klar ist auch: Mit oder ohne Krankheit des Maximo Lider steht Kuba vor einem Generationswechsel. Doch die fortschrittliche Politik unseres Landes ist nicht von einem Individuum abhängig. Die Jüngeren müssen ihre eigene Sicht des Sozialismus erarbeiten; dieser Prozess ist derzeit in Cuba an allen Ecken und Enden spürbar.
 
Und wie steht es mit der Wirtschaft auf Kuba im 50. Revolutionsjahr?
 
Nach der Sonderperiode ging es für unser Volk ums nackte Überleben. (Anm.
der Redaktion: Als Sonderperiode bezeichnet die kubanische Regierung die
Wirtschaftskrise der 1990iger Jahre. Ursache war die Auflösung der
Sowjetunion, die Kuba bis dahin wirtschaftlich unterstützt hatte. Auf dem
"freien" Markt konnte Kuba aufgrund fehlender Devisen zunächst nur 10 Prozent des Ölverbrauchs der Vorperiode beschaffen. Infolge dessen ist die maschinelle Landwirtschaft zusammengebrochen, und es kam zu Nahrungsmittelknappheit). Zweimal mussten wir seitdem unser Wirtschaftssystem vollständig umstellen. Ohne die Hilfe anderer sozialistischer Länder, die zeitweise 85 Prozent unseres Staatshaushaltes finanzierten, hätten wir es wohl kaum geschafft. Aber jetzt sieht es besser aus: Die langsame Reformierung zeigt erste Erfolge.
 
Aber die drei verheerenden Wirbelstürme im Jahr 2008 brachten neue
Rückschläge.

 
So ist es. Der östliche Landesteil ist fast vollständig verwüstet. Doch die
Schäden sind nicht nur ökonomischer Natur - die betroffenen Menschen sind
auch psychologisch getroffen. Stellen sie sich vor: In nur einer halben Stunde wird das Haus, der Stall, das Feld - die Arbeit meist eines ganzen Lebens - zerstört. Das ist schwer zu ertragen, das wird Folgen für die Menschen auch noch in Zukunft haben. Aber da zeigte sich wieder einmal die Stärke sozialistischer Solidarität: Nicht nur national, auch international war die Hilfe für die Betroffenen groß. Und wir werden auch diese Katastrophe überleben.
 
Dennoch: Die wirtschaftlichen Probleme halten an. Der Weltmarkt für Nickel,
neben Bauxit der einzig nennenswerte Rohstoff aus Kuba, ist zusammengebrochen...

 
...das stimmt. Unsere Probleme werden nicht kleiner. Und wir fürchten, dass
auch der Tourismus, mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftszweig für uns - 2008 kamen immerhin 1,2 Millionen Besucher allein aus Deutschland, mehr noch aus Kanada - angesichts der aktuellen Naturkatastrophen noch mehr Schaden erleiden wird. Darum kann ich nur sagen: Besucht Kuba, helft Kuba auch damit.
 
In westlichen Medien wird immer wieder die Menschenrechtsfrage gestellt. Wie also geht Kuba mit seiner Opposition um?
 
Man muss wissen: Mindestens 80 Prozent der kubanischen Bevölkerung stehen vorbehaltlos hinter den Errungenschaften der kubanischen Revolution. Das Geheimnis der kubanischen Revolution ist das kubanische Volk. Natürlich verstehen nicht alle Jugendlichen in unserem Land, welche Leistung - gerade im südamerikanischen Umfeld - hinter einer kostenlosen Gesundheitsfürsorge und einem kostenlosen Bildungssystem steckt; sie haben die Erfahrungen der Zeit vor der Revolution nicht, als Kuba eine ausgebeutete Kolonie der USA war. Aber wir exportieren unsere Ideen: Zahlreiche Ärzte, Lehrer, sogar Sporttrainer arbeiten in anderen südamerikanischen Ländern. Sie exportieren revolutionäre Ideen, aber sie lernen auch, wie es in anderen Ländern aussieht. Und sie kommen zurück mit der Erkenntnis: Kuba braucht keinen Kapitalismus. 
 
Georgina Alfonso Gonzáles, danke für das Gespräch. (PK) 
 
„Vor allem bewahrt Euch stets die Fähigkeit, jede Ungerechtigkeit, die
irgendwo auf der Welt begangen wird, aufs tiefste zu empfinden. Das ist der
schönste Charakterzug eines Revolutionärs.“
Che Guevara im Abschiedsbrief an seine Kinder, 1966
 
Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Hasta la victoria siempre!

Online-Flyer Nr. 181  vom 21.01.2009

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