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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Aktuelles
Umweltminister Gabriel schont Atomindustrie vor den Folgekosten in Asse
Steuerzahler sollen haften
Von Joachim Keller und Peter Kleinert

"Die Folgekosten der Atomindustrie dürfen niemals auf den Steuerzahler abgewälzt werden." Dies solle man, so Prof. Dr. Klaus Buchner, Atomphysiker in München und Bundesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp), keinesfalls durchgehen lassen. Umweltverbände und Bürger warnten ebenfalls vor einer Verwässerung des Atomgesetzes. Dennoch wurde am Freitagnachmittag mit Billigung von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ein kurzfristig von der Regierung eingebrachter Gesetzesvorschlag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP im Bundestag angenommen. Er sieht u. a. vor, dass nicht die Atomindustrie, sondern der Steuerzahler für die Stilllegung des einsturzgefährdeten Atommüll-Lagers Asse bei Wolfenbüttel aufkommen muss.
Gabriel
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
(SPD): Zahlen soll nicht die Atomindustrie,
sondern der Steuerzahler
Foto: NRhZ-Archiv
Die Bürgerinitiativen vor Ort sind bestürzt. Minister Gabriel hatte es mit seinem vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Atomwirtschaft ihrer Ansicht nach noch eiliger als befürchtet. Dabei ist erst seit wenigen Tagen (1. Januar 2009) das dem Umweltminister unterstellte "Bundesamt für Strahlenschutz" für das Endlager Asse verantwortlich. Zuvor musste das "Helmholtz-Zentrum München" wegen Schlamperei und gravierenden Sicherheitsmängeln von dieser Aufgabe entbunden werden.
 
"Normalerweise gilt das Verursacherprinzip. Das bedeutet, dass diejenigen, die für den Atommüll verantwortlich sind, auch für die Entsorgung aufkommen müssen", erklärte Professor Buchner. Er kritisiert, dass die Atomindustrie ohnehin jährlich mit Milliarden Euros subventioniert werde. Allein die Steuerfreiheit für Uran und Plutonium finanziere der Steuerzahler mit rund einer Milliarde Euro jährlich. Professor Buchner: "Es ist Zeit für einen kompletten Ausstieg aus der Atomenergie. Eine solch teure Risikotechnologie darf dem Steuerzahler nicht mehr länger zugemutet werden."

Buchner
Prof. Klaus Buchner – Physiker und
Kritiker der Atomindustrie
Quelle: www.kandidatenwatch.de
Der ödp-Chef appellierte vergeblich an die Bundestagsabgeordneten, wachsam zu sein und dem Gesetz nicht zuzustimmen. Statt die marode Atomwirtschaft weiter zu subventionieren, müsse in die erneuerbaren Energien sowie in mehr Energieeffizienz investiert werden.
 
Auch der NABU kritisierte das Vorhaben der Bundesregierung heftig. "Wer Abfall verursacht, der muss für seine Entsorgung zahlen. Was beim Hausmüll selbstverständlich ist, muss auch beim Atommüll gelten", erklärte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. "Die sichere Entsorgung aller radioaktiven Gebinde, die aus Atomkraftwerken stammen, muss selbstverständlich von den Betreibern dieser Kraftwerke finanziert werden.", so Miller.
 
Proteste auch von CDU-Mitgliedern

Nicht nur NABU und ödp forderten daher die Bundestagsabgeordneten auf, die Atomgesetznovelle in dieser Form abzulehnen. Auf keinen Fall sollten die Steuerzahler die Suppe der Atomkonzerne auslöffeln müssen. Gabriels SPD - diesmal ausdrücklich gelobt von der FDP - interessierte das herzlich wenig. Und geschlossen hinter der Atomlobby standen auch alle CDU-Abgeordneten, obwohl sie rechtzeitig einen Offenen Brief des BUNDESVERBAND CHRISTLICHE DEMOKRATEN GEGEN ATOMKRAFT (CDAK) rechtzeitig erhalten hatten. Darin hieß es: „Wir bitten Sie dringlich: Stimmen Sie diesem mittelstandsfeindlichen Änderungsantrag keinesfalls zu!“ Auf Wunsch der Atomwirtschaft war dem Gesetz nämlich der folgende das Atommüll-Lager Asse betreffende Satz eingefügt worden: "Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund".

Demo, Protest der Grünen
Grünen-Protestaktion vor dem Atommülllager Asse
Quelle: www.gruene-wf.de/_images


Auf den dem CDAK-Appell beigefügten Brief eines Ehepaars, das über 30 Jahre Mitglied der CDU ist, hörte die CDU-Fraktion natürlich auch nicht. Hier einige Zitate aus dem Brief: "Minister Gabriel will Atomkonzerne mit 2,5 Milliarden beschenken! Der Nuklearsozialist Minister Gabriel führt die Feder, wenn es darum geht, den vor Stromgewinnen schier platzenden Atomstromkonzernen weitere circa 2,5 Milliarden zu schenken. Der an Finanzschwindsucht leidende Steuerzahler soll die Zeche für das einstürzende Atomlager Asse bei Wolfenbüttel bezahlen… Wir stehen als Mittelständler im Wettbewerb, das heißt: in direkter Konkurrenz zur Atomwirtschaft. "Fast unser gesamtes Kapital steckt in der Produktion von Zukunftstechnik, d.h. erneuerbarer Energie…

Warum sollen wir zukünftig noch jemanden wählen, der 1. uns augenscheinlich wirtschaftlich schädigt? 2. unserer Alterssicherung gefährdet? 3. den Totalschaden unserer Volkswirtschaft riskiert? 4. im Schadensfall bei Atomkraftwerken das Verursacherprinzip außer Kraft setzt?
5. augenscheinlich Tausende Strahlentote in Kauf nimmt? (Zeugnis: IPPNW) 6. verhindert, daß sich die Atomwirtschaft einem fairen Wettbewerb stellen muß? 7. und damit der nuklearen Schmutzkonkurrenz gigantische Privilegien gewährt?“
 
"Populistisches Wahlgeklingel“?
 
In der Debatte vor der Abstimmung erklärte CDU-Sprecher Georg Nüsslein es für "unseriös“ durch eine solche „Kostendiskussion die Kernenergie in Misskredit zu bringen“ und der Sprecher der FDP lobte den SPD-Umweltminister überschwänglich: Gabriel genieße europaweit "Anerkennung für seine Fachkompetenz“. Auch in diesem Gesetzesentwurf sei "alles bestens“. Und ein Parteifreund Gabriels nannte die von Grünen und Linksfraktion in Gang gebrachte Kostendebatte "populistisches Wahlgeklingel“.
 
Protestkundgebungen
 
Damit meinte er vermutlich vor allem die Sprecherin der Linksfraktion, Dorothee Menzner. Sie hatte am Ende ihres Beitrags die Bürger bundesweit zur Beteiligung an einer Demonstration aufgerufen hatte. Unter dem Motto “Licht ins Dunkel!“ wollen am 26.Februar  entlang der Strecke Braunschweig – ASSE II – Schacht KONRAD Atomkraftgegner ihre Sorgen, Bedenken und ihre Kritik am Umgang mit dem Atommüll.öffentlich machen. Mehr dazu unter www.lichterkette09.de.
 
Bereits für den 4. und 5. Februar rufen Anti-Atom-Bürgerinitiativen und Umweltverbände  gemeinsam zu Protesten gegen die geplante Wintertagung des Deutschen Atomforums in Berlin auf. Schon der Titel der Wintertagung “Energieverantwortung für Deutschland“ sei “eine Anmaßung derjenigen, die mit ihren alternden Atommeilern Tag für Tag die Möglichkeit einer Großkatastrophe billigend in Kauf nehmen“, erklärte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Anmaßend sei es ebenso, eine Technik für die Zukunft zu preisen, deren Ende unter aktiver Mitwirkung und mit Zustimmung der Atomkraftwerksbetreiber vor wenigen Jahren gesetzlich festgeschrieben wurde. Weitere Informationen unter http://www.duh.de. (PK)

Online-Flyer Nr. 182  vom 30.01.2009

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