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Lokales
Gegen Bürger- aber für Autobesitzer- und Autokonzern-Interessen
Kölner Rat will Rheinuferstraße kahl schlagen
Von Joachim Schmidt von Schwind

Am 29. Januar wurde auf der 5. BürgerInnenversammlung von fünf Kölner Südstadt-Bürgerinitiativen - in Anwesenheit von 200 SüdstädterInnen - heftig mit den eingeladenen Vertretern der Kölner Ratsfraktionen über den Ratsbeschluß vom 25. 09. 2008 gestritten. Die Forderungen der Initiativen: Kein Ausbau der Rheinuferstraße auf sechs Spuren! Kein Kahlschlag von 180 denkmalgeschützten, hundertjährigen Alleebäumen entlang der Rheinuferstraße! Sofortige Aufhebung des Ratsbeschlusses!



Rheinuferstraße im Juni 2006 – noch stehen alle Bäume

Der Stadtrat hatte am 25. 09. 2008 mit den 25 Stimmen der SPD, gegen die restlichen 64 Stimmen im Rat - bei Enthaltung von CDU und FDP, und gegen die Stimmen der Grünen und Linken - beschlossen, nach dem eben fertiggestellten, monatelangen Ausbau der Rheinuferstraße, jetzt zur Verbreiterung auf sechs Spuren, dort abermals mit der Planung von Bauarbeiten zu beginnen.
 
Sechs anstatt vier Spuren
 
Der Grund: Die neu geplante, ebenerdige Überquerung der Straßen-/Stadtbahn-Linie 16 über die Rheinuferstraße hinter der Südbrücke, müsse mit einer neuartigen Ampelsteuerschranke geführt werden. Diese erfordere längere Wartezeiten für den Autoverkehr. Der Autostau solle deshalb auf sechs statt auf vier Spuren verteilt werden - natürlich vor die Ohren und in die Nasen der Anwohner. Diese gesundheitsschädliche Lärm- und Feinstaub-Belästigung halten nicht nur die direekt betroffenen AnwohnerInnen für unverantwortlich.


November 2006 – erster Kahlschlag auf der Rheinuferstrasse

Dazu kommt, daß wegen der Straßenerweiterung 180 denkmalgeschützte hundertjährige Alleebäume gefällt werden müssen. Diese sind, bei der Einfahrt nach Köln - mit dem Dom in der Bildmitte - nicht nur eine Visitenkarte für die Stadt, sondern schützen auch die Anwohner vor Lärm und Feinstaubbelastungen.
 
SPD versteckt sich hinter KVB-Gutachten
 
Der Beschluß des Stadtrats empört wegen seiner Folgen die Bürger in der Südstadt und wird von ihnen nicht akzeptiert. Die BISA - Bürgerinitiative Südliche Altstadt e.V. -, die sich seit 38 Jahren erfolgreich für die Belange und die Bedürfnisse der Bürger in der Südstadt einsetzt, hat daraufhin im Oktober und November 2008 erste Bürgerversammlungen einberufen. Nach einem schriftlichen Protest wurde die BISA von den Fraktionen der SPD und CDU eingeladen. Dabei versteckte sich die SPD mit ihrer Ratsentscheidung hinter einem Gutachten der Kölner Verkehrsbetriebe. Das hatten die Initiativen in Analysen von Fachleuten als falsch und im Interesse der KVB deklarieren können, worauf die SPD erklärte, daß Gutachten in der Regel entsprechend der Wünsche der Auftraggeber ausfallen würden und sich dabei bezüglich des KVB-Gutachtens selbst ins Knie schoß. Bei der CDU-Fraktion sorgten die von der BISA vorgelegten Unterlagen über die Lärmbelästigung der Anwohner und deren Luftverschmutzung für eine unerwartete Überraschung. Aber, so erklärte sie, sie  hätte sich ja bei der Abstimmung im Rat enthalten.     


Kölner Ratsmitglieder am 29. Januar im Bürgerhaus Stollwerck
Alle Fotos: Kein Kahlschlag!

Nachdem zwei Monate später noch immer keine Signale für eine Umkehr der Kahlschlagpolitik im Sinne der Bürger erkennbar wurden, luden nun die BISA, die Bürgerintitaive Rheinuferstraße, das Netzwerk Bürger für Bäume und die Baumfreunde, NABIS-Bürger informieren Bürger, zur 5. Bürgerversammlung im Saal des Bürgerhauses Stollwerck ein. Die eingeladenen Fraktionsmitglieder der Ratsparteien CDU, SPD, Die Grünen, FDP, DIE LINKE und der KBB-Freie Wähler-Kölner Bürger Bündnis sollten den anwesenden 200 Anwohnern Antworten auf ihre Fragen zum Ratsbeschluß vom September 2008 und über dessen Auswirkungen geben.
 
Vollkommen unbefriedigende Antworten
 
Die Antworten der Politiker auf die Fragen und Vorwürfe der Bürger blieben für diese vollkommen unbefriedigend. Beispiel 1: Für die Untertunnelung der Straßen-/Stadtbahn unter der Rheinuferstraße hindurch - mit der viele der angesprochenen Probleme gelöst werden könnten - müßten ca. EUR 80 Millionen zusätzlich aufgewendet werden. Da die Kosten für die bisherige Nord-Süd-Stadtbahn von der ursprünglich kalkulierten Höhe von Euro 560 Millionen auf inzwischen EUR 1,2 Milliarden angewachsen sind (Kölner Variante), müßten doch die EUR 80 Millionen eingeplant werden können, wurde von den BürgerInnen erklärt. Die Antwort: Nein, das gehe nicht. Die Untertunnelung müßte 2011 fertig sein - zum Termin, der den Geldgebern Bund und Land bei der Planung angegeben worden sei.
 
Planungsfehler
 
Beispiel 2: Der auf den 70er Jahren basierende Verkehrsplan der Stadt Köln - mit einer zukünftig erwarteten Autoverkehrszunahme - hat zu der jetzt beschlossenen Ausbauplanung auf sechs Spuren geführt. Für das Jahr 2008 wurde aber eine Abnahme des Autoverkehrs in der Kölner Innenstadt von 10 Prozent festgestellt. Frage der Bürger: Wäre nicht eine neue Verkehrsplanung erforderlich, um Planungsfehler zu vermeiden? Antwort: Nein, denn die KVB hat schon vor einem dreiviertel Jahr den Rat aufgefordert, entsprechende Entschlüsse nach dem KVB-Gutachten vor Ablauf des Jahres 2008 zu fassen. Mehrere Sondertermine der zuständigen Ratsausschüsse, Bezirksvertretungen und des Rates selbst hätten deshalb stattgefunden. Finanzierungsanträge habe man bis Ende 2008 stellen müssen.
 
„Nehm’ Se doch die KVB!“
 
Beispiel 3: Auf die Vorhaltung, eine gute Verkehrsplanung müsse doch grundsätzlich zur Verringerung des Verkehrs in der Stadt führen, und der Nahverkehr müsse doch gefördert werden, kam die Antwort: die Nord-Süd-Stadtbahn sei ja eine solche Initiative. Dabei machte der Vorsitzende der Ratsfraktion der FDP allerdings den Fehler, zuzugeben, daß er bei Strecken zwischen Straße sowieso und einer anderen ein Auto benutzen müsse. Der Chor der anwesenden 200: „Nehm Se doch die KVB, KVB, KVB ...“ hatte keine karnevalistischen Züge - und wurde deshalb auch nicht amüsiert aufgenommen.
 
Fünf Forderungen der Bürger
 
Ergebnis der Veranstaltung: Die Forderungen der Südstadt-Bürgerinitiativen bleiben bestehen, und sie werden für diese bis zur Kommunalwahl 2009 kämpfen:

1.) Kein Ausbau der Rheinuferstraße auf sechs Spuren.
2.) Kein Kahlschlag von 180 Alleebäumen zum Zwecke des Ausbaus.
3.) Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 25. 09. 2008.
4.) Erarbeitung einer verkehrspolitisch vertretbaren Alternativlösung.
5.) Stopp aller Baumaßnahmen der KVB, die eine neue Planung verhindern würden.
    
Einer der Bürger erklärte gegen Schluß der Veranstaltung: „Es kommt einem 'demokratischen Schildbürgerstreich' gleich, sich als Ratsmitglied gegen die Bürgerinteressen und für die Autobesitzer und Autoproduzenten zu entscheiden.“ (PK)     

Weitere Informationen unter Kein Kahlschlag!

Online-Flyer Nr. 183  vom 04.02.2009

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