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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Lokales
Aufruf für einen Baustopp, eine öffentliche Untersuchung und Debatte
Die Zukunft der Kölner U-Bahn
Von den UnterzeichnerInnen

Die Kölner Verkehrsbetriebe haben eine für Montag angekündigte Pressekonferenz zu den Ursachen der Katastrophe am Kölner Stadtarchiv kurzfristig wieder abgesagt. Als Grund gab eine KVB-Presse-Info Gremien-Sitzungen an. Deshalb könne die Pressekonferenz nicht stattfinden. Eine unabhängige öffentliche Untersuchung, einen Baustopp und eine Debatte über die Zukunft der U-Bahn fordern die UnterzeichnerInnen des hier folgenden Aufrufs an die Kölner BürgerInnen. Außerdem stellt die Fraktion DIE LINKE. Köln nun Dokumente zum Thema ins Internet. – Die Redaktion

Ergebnis des U-Bahn-Baus – Kölner Stadtarchiv
NRhZ-Archiv
 
Zwei junge Menschen sind tot, Dutzende haben alles verloren, wertvolle historische Dokumente sind zerstört. Die AnwohnerInnen in der Südstadt fragen sich, ob der Boden unter ihren Füßen noch sicher ist. Doch statt schneller, umfassender Aufklärung über die Ursachen der Katastrophe wird von den Verantwortlichen nur offen gelegt, was ohnehin schon durchgesickert ist.
 
Niemand will verantwortlich sein
 
Während Feuerwehrleute und andere Helfer an der Unglücksstelle Leib und Leben riskierten, hielten KVB und Baufirmen anscheinend Informationen zurück, die auch für die Sicherheit der Retter vor Ort wichtig gewesen wären, weil sie Hinweise auf die Ursachen der Katastrophe hätten geben können.

Baukonzerne, KVB und Stadtspitze schieben die Verantwortung von sich. Wir werden weiterhin nicht informiert. Gutachten und Planungsunterlagen, Protokolle von Vorstand und Aufsichtsrat der KVB sind noch immer nicht veröffentlicht worden. Spätestens seit Dezember 2008 waren KVB-Vorstand und Aufsichtsrat über den Bau weiterer Brunnen unterrichtet. Aber noch in der Sondersitzung des Stadtrats am 11. März sagte KVB-Sprecher Fenske: „Für den Fall, dass es ein Brunnenproblem gab, hatten die KVB keine Kenntnis davon.“

Wie können wir ausschließen, dass es zu weiteren Unfällen kommt, wenn nicht die volle Wahrheit über den Einsturz in der Severinstraße ans Tageslicht kommt? Wie können wir der KVB vertrauen, wenn sie immer noch Verstecken spielt? Wie kann es sein, dass die KVB nach dem Unfall hat weiter bauen lassen?

Die Verantwortung für diesen Unfall liegt unserer Ansicht nach sowohl bei den Baukonzernen, welche am Waidmarkt tätig waren, als auch bei Vorstand und Aufsichtsrat der KVB, welche die Warnzeichen bezüglich des Grundwassers ignoriert haben. Auch die Verwaltungsspitze und die etablierten Parteien SPD, CDU und FDP können der Verantwortung nicht entkommen. Sie haben dieses riskante, teure und verkehrspolitisch unsinnige Projekt gegen den Willen vieler Anwohnerinnen und Anwohner beschlossen. Sie haben die Bauleitung an die KVB abgegeben und auf eine wirksame Kontrolle verzichtet.

Aussetzung der Bauarbeiten sofort!

Die KVB muss sämtliche Arbeiten an der Baustelle der Nord-Süd-U-Bahn auf die reine Sicherung der Baustelle konzentrieren. Andere Baumaßnahmen sind sofort bis auf weiteres einzustellen. Zuerst müssen die Ursachen der Katastrophe ermittelt werden.

Eine unabhängige Untersuchung des U-Bahn-Baues und der Katastrophe um das Stadtarchiv ist nötig. Es sollte eine Kommission unter Hinzuziehung von ExpertInnen gebildet werden, unter demokratischer Beteiligung der Bevölkerung, der Beschäftigten der Bau-Unternehmen und der KVB und ihrer Gewerkschaften ver.di und IG BAU. Dieser Kommission sind sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, ihre Arbeit sollte in aller Öffentlichkeit stattfinden.

Direkte Kontrolle für die KVB!
 
Die KVB müssen grundlegend demokratisiert und der direkten Kontrolle durch Stadtrat und Bevölkerung unterworfen werden. Eine Entscheidung über die Fortsetzung, Abänderung oder Beendigung des Projektes darf erst nach einer breiten öffentlichen Debatte und mit Zustimmung der Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Trasse fallen.

Zunächst müssen alle Fakten und Informationen auf den Tisch: Wurden auch an anderer Stelle Auflagen nicht beachtet? Drohen weitere Gefahren? Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten die infolge der Katastrophe jetzt entstehen? Sämtliche Kosten und Folgekosten, der gesamte Aufwand und die Risiken müssen der Öffentlichkeit detailliert dargelegt werden.

Warum wurde gepfuscht?

Noch ist nicht eindeutig geklärt, wie der Unfall abgelaufen ist. Doch offensichtlich haben die Baukonzerne und die KVB nicht so oft und gründlich gemessen wie unabhängige Experten es für sinnvoll halten, haben möglicherweise nicht die sichersten Bauverfahren angewendet.

Haben die am Waidmarkt beteiligten Baufirmen unter der Federführung von Bilfinger & Berger an der Sicherheit gespart um ihre Profite zu erhöhen?

Hat die KVB-Spitze weg geschaut, weil die Kosten ohnehin schon völlig aus dem Ruder gelaufen sind? Hat die Stadtspitze gar nicht wissen wollen, welche teuren Probleme es geben könnte?

Die Baukosten sind im Laufe der Jahre von 600 Millionen Euro auf über 1,1 Milliarden gestiegen. Die Stadt Köln trägt davon 285 Millionen Euro. Da sie das Geld nicht hat, muss sie es über Kredite finanzieren. Die 4 km lange Strecke kostet die Stadt laut Verwaltung inklusive Zinsen 665 Mio. Euro.

Ein Kilometer Kölner Nord-Süd-U-Bahn ist 50 mal so teuer wie ein Kilometer einer modernen oberirdischen Straßenbahnlinie, so der Verkehrsexperte Winfried Wolf in der Zeitung „Junge Welt“ vom 11.3.09.

U-Bahnen sind unter dem Strich nicht schneller als oberirdische. Sie dienen vor allem dazu, den Vorrang des Autoverkehrs zu sichern. Mit diesem Geld, das in der Innenstadt buchstäblich versenkt wurde, könnten oberirdische Bahn- und Buslinien im gesamten Stadtgebiet ausgebaut und Preise bis hin zum Nulltarif gesenkt werden. Eine wirkliche ökologische und soziale Umgestaltung des ÖPNV würde damit in Gang gesetzt.

Menschen vor Profite!

Die Skandale um die Messehallen und die Sparkasse, die „Beraterverträge“ von Bietmann und Müller, die Zerstörung des Naturschutzgebietes Sürther Aue durch den Ausbau des Godorfer Hafens sowie der U-Bahn-Bau haben eines gemeinsam: diese Art der “Stadtentwicklung“ orientiert sich nicht am Interesse der Bevölkerung, sondern an den Profitinteressen privater
Investoren, Bauträger und Kreditgeber.

Sie basiert auf der Aushebelung demokratischer Rechte, beginnend mit der Geheimhaltung von Verträgen und Planungen. Proteste wie im Barmer Viertel oder Bürgerbegehren wie zum Thema Sürther Aue werden ignoriert.

Köln wird dadurch noch hässlicher und kaputter. Diese falsche “Stadtentwicklung“ muss gestoppt werden. Die Stadt darf nicht den Bankern, Bonzen und städtischen Bürokraten gehören. Die breite Masse der Bevölkerung, die arbeitenden und erwerbslosen Menschen, müssen sich diese Stadt wieder zurückerobern.

ErstunterzeichnerInnen:
 
Claus Ludwig, Ratsmitglied, Fraktion Die LINKE.; Özlem Demirel, Ratsmitglied, Fraktion Die LINKE.; Bernd Weber, Sachkundiger Einwohner im Ausschuss Bauen und Wohnen, Gemeinsam gegen Sozialraub; Gottfried Schweitzer, Sozialpädagoge, Bauspielplatz; Thies Gleiss, Parteivorstand Die LINKE.; Phillip Lührs, Geschäftsführer Die LINKE.BONN; Sabine Jeromin, Attac, Bürgerinitiative „Sürther Aue retten“; Nina Baucke, Sprecherrat linksjugend [solid] Köln; Georg Kümmel, Sozialistische Alternative – SAV Köln; Francis Byrne, Netzwerk Linke Opposition; Özgür Metin Demirel, Kalker Bezirksvertreter, Die LINKE., DIDF; Joachim Ziskoven, Vorstand OV Innenstadt, Die LINKE.; Claudia Borchardt, Mitglied Die LINKE.; Martin Zorn, Mitglied DIE LINKE.

Mehr Transparenz im Internet

Um mehr Transparenz zur Geschichte des U-Bahn-Baus und den Ursachen des Unglücks zu schaffen, stellt die Fraktion DIE LINKE. Köln Dokumente über die Planung und den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn sowie Dokumente zur Aufklärung des Unglücks am Waidmarkt auf ihre Internetseite. Sie können unter dem Link http://www.linksfraktion-koeln.de/stadtarchiv.html aufgerufen werden.

Fraktionsvorsitzender Jörg Detjen dazu: „Die Stadt ist zögerlich, die KVB hält Informationen zurück und die Baufirmen mauern massiv. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse und ein Recht auf Informationen. Deshalb werden wir alle Informationen öffentlich machen, die wir öffentlich machen dürfen.“ (PK)


Online-Flyer Nr. 190  vom 25.03.2009

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