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Lokales
ARGE-Chef will überflüssig werden:
Mit Müller-Starmann zum Sozialismus
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Leider wollten ihn die ProtestlerInnen nicht reden lassen: Kein Rederecht für Müller-Starmann, so lautete der basisdemokratische Erlaß, als man des ARGE-Chefs ansichtig wurde, der sich etwas abseits dazu gesellt hatte. Schade drum, denn dann hätte man eine Sensation erleben können. Müller-Starmann ist keinesfalls ein Verwaltungshandlanger sozialer Demontage, die ARGE ist keine Institution der Armenschikane, und Hartz IV ist auch nicht, um den kaum linksverdächtigen Konzernchef Götz Werner zu zitieren, „offener Strafvollzug". Vielmehr ist der ARGE-Leiter Kölns oberster Lobbyist aller Erwerbslosen und Hilfsbedürftigen, die ARGE ist eine Veranstaltung barmherziger Samariter, darunter etliche echte Linke, und Hartz IV ist eine Art Durchgangsstation auf dem Weg zum Sozialismus.
ARGE-Chef Klaus Müller-Starmann....
Erich und Klaus wider Ochs und Esel
Schon der Berliner Arbeiter- und Volksmund der 1880er Jahre wusste: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Das zitierte noch Erich Honecker in seiner letzten Rede am 6. Oktober 1989, bevor er abtreten musste. Er kam eben nicht nur zu spät, wofür ihn das Leben bestrafte – er war vor allem kein brillanter Doppelstratege wie der Genosse Klaus Müller-Starmann, der Zentralratsvorsitzende unseres sozialistischen Kölner ARGE-Kombinats. Was Kritiker für autoritäre Erwerbslosen-Administration und Teil eines Systems der Massenenteignung, Lohndrückerei und Zerschlagung sozialer Rechte halten, ist eigentlich ein geschickt getarnter Pfahl im Fleisch des Kapitalismus. Denn die ARGE steht, so Müller-Starmann, „auf der Seite der Hilfsbedürftigen". Der ARGE-Sozialist betont im fünfzigminütigen Meinungsaustausch mit einem Aktivisten der Kölner Linkspartei und dem Autor mehrfach die ARGE-Solidarität mit den Prekarisierten. Ein wesentlicher Teil der Leistungsempfänger steht nach Müller-Starmanns Auffassung mit Hartz IV besser da als zuvor, und die Bündelung der "sozialen Hilfssysteme unter einem Dach" sei überhaupt eine menschenfreundliche Idee. Man muss halt ein bisschen dialektisch denken, dann kommt man schon drauf. Irgendwie.
Linksdenken mit Müller-Starmann
Doch damit nicht genug- nach dreißig Minuten Geplauder entpuppt sich Kölns angeblich so beinharter Armen-Antreiber als verkappter, mindestens potentieller, Revolutionär. Er hätte nichts gegen ein „bedingungsloses Grundeinkommen", sagt er; ja, mehr noch: Er hätte auch überhaupt nichts dagegen, wenn „die Gesellschaft so umgebaut wird, dass ich überflüssig werde". Ein „Umbau der Gesellschaft" aber, die den Mängelverwalter Müller-Starmann, also die ARGE, „überflüssig machen" würde, kann sich nur auf „Sozialismus" reimen. Dagegen also hätte er gar nichts; mehr kann er in seiner Position ja öffentlich nicht sagen, also ist er eigentlich dafür. So schärfte Müller-Starmann dem Genossen von der Linkspartei ein: „Das (also für den Umbau der Gesellschaft zu sorgen) wäre dann Ihre Sache."
ARGE-Lektion als politische Bildung ?
Vorerst aber müssen wir uns noch mit dem real existierenden Kapitalismus auseinandersetzen. Hier wirkt sich die ARGE-Dialektik zunächst vor allem als beschwerlicher Hürdenlauf aus, und keinesfalls nur in „Ausnahmefällen" als Kontinuität von Ärgernis, Streß, Psychodruck, ja Hungerdrohung für die Betroffenen. Auch das hat in Grenzen sein Gutes, zum Beispiel als Erlebnisprojekt praktischer politischer Bildung. Lernt die Hartz-IV-Klientel dadurch doch als Objekt der restriktiven Resteverteilung im Kapitalismus, wie das System mit denen umgeht, die es zuvor ausgesiebt hat. Dahinter mag das durchtriebene Kalkül stehen, dass die Massen des Prekariats, entnervt durch schroffe Ablehnungsbescheide, kafkaeske Bearbeitungsprozeduren, rigide Reaktion auch auf Notlagen, wieder zum selbstbewussten Proletariat werden und den „gesellschaftlichen Umbau" in die eigenen Hände nehmen. Aber auch das ist fast schon eine Exegese der subtil systemunterwandernden Sentenzen von Müller-Starmann.
...im sozialistischen Interview
Freilich darf man in didaktischem Eifer die kapitalismuskritische Lektion auch nicht übertreiben, sonst richtet sich der berechtigte Ärger nicht mehr gegen den Kapitalismus an sich, sondern ausgerechnet gegen die kryptosozialistische ARGE. Und auch jenseits politischer Philosophie muss Müller-Starmann als Behördenleiter – wie immer es auch um den merkwürdigen Rechtsstatus dieser „Arbeitsgemeinschaft" bestellt sein mag – schon aus „Fürsorge“ darauf achten, dass seine GenossInnen MitarbeiterInnen nach außen nicht zu schlecht wegkommen.
Klage gegen KEAs wird durchgezogen
Da muss man denn auch schon mal die bürgerliche Justiz bemühen, wenn wieder einmal „unzutreffende Vorwürfe" etwa von seiten der KEAs – gegen die Genosse Müller-Starmann ja an sich überhaupt nichts hat – seine MitarbeiterInnen ins Zwielicht rücken. Einer Mitarbeiterin „vorzuwerfen, dass sie Menschen in einer existenzbedrohenden Situation drangsaliert", da setzt sich der ritterliche Chef „mit aller Kraft zur Wehr, wenn das nicht wahr ist, das lass’ ich auch die KEAs nicht über meine Mitarbeiterinnen berichten. Punkt. Ende!"
Hintergrund ist ein Fall, den wir in der NRhZ bereits aufgegriffen haben (Nr.185 vom 18.02.2009: "Verpetzt wird nicht!"), und zwar im Hinblick auf die Forderung, die KEAs hätten den Namen eines Betroffenen zu nennen, dessen Fall sie öffentlich gemacht hatten. Der junge Mann sollte aus einem Ein-Euro-Job herausgeflogen sein, weil er seine schwangere Frau ins Krankenhaus begleitet habe, ihm seien dann von der ARGE Sanktionen auferlegt worden.
Alles Quatsch, meint Müller-Starmann, der den Fall und damit den Betroffenen doch zu kennen einräumt. Wieso er dann noch auf Namensnennung besteht, erschließt sich mit normaler Logik nicht recht; dass die KEAs dies aus Gründen des Informantenschutzes und der vertraulichen Sozialberatung grundsätzlich verweigern, schon eher. Wie dem auch sei- laut Müller-Starmann war alles ganz anders: „Was in dem Zusammenhang berichtet wird, ist schlicht und ergreifend unwahr.
Ich will nicht mal sagen, er ist von den KEAs unwahr dargestellt worden. Der junge Mann, um den es geht, hat ihn unwahr dargestellt." Laut Müller-Starmann habe er „schlicht und ergreifend die Brocken hingeschmissen" und sei beim anschließenden „ernsthaften Gespräch" nicht sehr nett gewesen.
Daher auch das definitive Dekret: „Die Klage gegen die KEAs werd' ich weiter betreiben.“ Nein, nicht, weil er sie kaputtmachen wolle. Sondern eher als pädagogische Maßregel für die Zukunft: „Wirklich, eine Nachfrage hätte genügt. Wär' erkennbar gewesen, was wirklich passiert ist. Ich bin bereit, über Änderungen zu diskutieren. Aber wenn ich was ändern soll, dann will ich wissen, bei wem ich was ändern soll." Was er in diesem Fall schon selber wusste. Warum dann aber die Klage mit 20.000 Euro Streitwert gegen eine Erwerbslosen-Initiative statt einer öffentlichen Gegenäußerung? Die Linkspresse Kölns von Express bis Bild würde doch jederzeit die ARGE-Meinung breitestens darstellen. Wahrscheinlich aber verbirgt sich dahinter eine ganz raffinierte Strategie, die ARGE als Stoßtrupp des sozialistischen Gesellschaftsumbaus „allseitig zu stärken“.
Wie im Sozialismus: permanente Fehlerkritik
Auch dafür ist ständig Fehlerbeseitigung angesagt. Damit eben zeichnet sich sozialistische Organisationsentwicklung aus, etwa im Sinne der "Neuererbewegung und Wissenschaftlichen Arbeitsorganisation (WAO)" in der DDR.
Permanente Fehlerkritik
„Fehler kommen im Leben überall vor“, betont Müller-Starmann. So es aber bei der ARGE Fehler gibt, „ist das ja oft das Ergebnis von Sachen, die keiner gewollt hat“. Etwa die, dass man einer Zuckerkranken erst nach Einmarsch eines Dutzends von Beiständen und, Zeugen zufolge, nach Intervention des ARGE-Chefs selber, Bargeld für die erforderlichen Medikamente zugesteht (s. NRhZ Nr. 201 vom 11.06.2009). „Aber“, versichert der ARGE-Oberste, „wir bemühen uns wirklich, Fehler abzustellen.“
Fast wie in der DDR: 99prozentige Zustimmung
Mit Magie der großen Zahlen will uns Müller-Starmann vom ebenso erfolg- wie liebreichen ARGE-Engagement überzeugen.
„Neben Leistungsberatungen, die wir nicht zählen, machen wir im Jahr etwa 270.000 Gespräche mit Hilfesuchenden." Die verliefen größtenteils „respektvoll, zielgerichtet und auch mit der Perspektive für die Betroffenen: Wie kann ich Dir aus der Situation heraushelfen." Mehr noch: „Wir fällen im Jahr circa 200.000 menschenbezogene Entscheidungen. Widersprüche kriegen wir um 8000. Daraus werden etwa 4000 Klagen. Jetzt können Sie mal rechnen. 200.000 Entscheidungen gegen 4000 Klagen, von denen wir die Hälfte gewinnen. Wenn Sie sich das vor Augen halten, dann ist das, auf 200.000 bezogen, doch erstaunlich niedrig."
Hört die Signale
Wir staunen. Zumal „MS“, nach zweifacher Nachfrage, in aller Zahlenflut nur 18 unbearbeitete Fälle ausgemacht haben will. „Oder jedenfalls ´ne zweistellige Zahl zwischen zehn und zwanzig." Auch das wird dank WAO-„Wissenschaftlicher Arbeitsorganisation" behoben, so lange Müller-Starmann der Vorsitzende des ARGE-Exekutivrats ist. Natürlich kann vieles durch Verwaltungsakte und Gerichtsanrufung nicht gelöst – aber das liegt im System. Und hier verweist Müller-Starmann, geschickter Stratege, wieder auf politischen Kampf, wenn nicht Systemkritik. Was sich auf dem Verwaltungs- und Gerichtswege nicht ändern lasse, etwa, ob die Leistungen hoch genug seien, „da erreichen Sie nichts durch einen Widerspruch, nichts durch eine Klage, sondern eben nur durch eine Änderung des Gesetzes." Damit aber kommen wir wieder in greifbare Nähe des „gesellschaftlichen Umbaus". Hört die Signale. (HDH)
Online-Flyer Nr. 216 vom 23.09.2009
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ARGE-Chef will überflüssig werden:
Mit Müller-Starmann zum Sozialismus
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Leider wollten ihn die ProtestlerInnen nicht reden lassen: Kein Rederecht für Müller-Starmann, so lautete der basisdemokratische Erlaß, als man des ARGE-Chefs ansichtig wurde, der sich etwas abseits dazu gesellt hatte. Schade drum, denn dann hätte man eine Sensation erleben können. Müller-Starmann ist keinesfalls ein Verwaltungshandlanger sozialer Demontage, die ARGE ist keine Institution der Armenschikane, und Hartz IV ist auch nicht, um den kaum linksverdächtigen Konzernchef Götz Werner zu zitieren, „offener Strafvollzug". Vielmehr ist der ARGE-Leiter Kölns oberster Lobbyist aller Erwerbslosen und Hilfsbedürftigen, die ARGE ist eine Veranstaltung barmherziger Samariter, darunter etliche echte Linke, und Hartz IV ist eine Art Durchgangsstation auf dem Weg zum Sozialismus.
ARGE-Chef Klaus Müller-Starmann....
Schon der Berliner Arbeiter- und Volksmund der 1880er Jahre wusste: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Das zitierte noch Erich Honecker in seiner letzten Rede am 6. Oktober 1989, bevor er abtreten musste. Er kam eben nicht nur zu spät, wofür ihn das Leben bestrafte – er war vor allem kein brillanter Doppelstratege wie der Genosse Klaus Müller-Starmann, der Zentralratsvorsitzende unseres sozialistischen Kölner ARGE-Kombinats. Was Kritiker für autoritäre Erwerbslosen-Administration und Teil eines Systems der Massenenteignung, Lohndrückerei und Zerschlagung sozialer Rechte halten, ist eigentlich ein geschickt getarnter Pfahl im Fleisch des Kapitalismus. Denn die ARGE steht, so Müller-Starmann, „auf der Seite der Hilfsbedürftigen". Der ARGE-Sozialist betont im fünfzigminütigen Meinungsaustausch mit einem Aktivisten der Kölner Linkspartei und dem Autor mehrfach die ARGE-Solidarität mit den Prekarisierten. Ein wesentlicher Teil der Leistungsempfänger steht nach Müller-Starmanns Auffassung mit Hartz IV besser da als zuvor, und die Bündelung der "sozialen Hilfssysteme unter einem Dach" sei überhaupt eine menschenfreundliche Idee. Man muss halt ein bisschen dialektisch denken, dann kommt man schon drauf. Irgendwie.
Linksdenken mit Müller-Starmann
Doch damit nicht genug- nach dreißig Minuten Geplauder entpuppt sich Kölns angeblich so beinharter Armen-Antreiber als verkappter, mindestens potentieller, Revolutionär. Er hätte nichts gegen ein „bedingungsloses Grundeinkommen", sagt er; ja, mehr noch: Er hätte auch überhaupt nichts dagegen, wenn „die Gesellschaft so umgebaut wird, dass ich überflüssig werde". Ein „Umbau der Gesellschaft" aber, die den Mängelverwalter Müller-Starmann, also die ARGE, „überflüssig machen" würde, kann sich nur auf „Sozialismus" reimen. Dagegen also hätte er gar nichts; mehr kann er in seiner Position ja öffentlich nicht sagen, also ist er eigentlich dafür. So schärfte Müller-Starmann dem Genossen von der Linkspartei ein: „Das (also für den Umbau der Gesellschaft zu sorgen) wäre dann Ihre Sache."
ARGE-Lektion als politische Bildung ?
Vorerst aber müssen wir uns noch mit dem real existierenden Kapitalismus auseinandersetzen. Hier wirkt sich die ARGE-Dialektik zunächst vor allem als beschwerlicher Hürdenlauf aus, und keinesfalls nur in „Ausnahmefällen" als Kontinuität von Ärgernis, Streß, Psychodruck, ja Hungerdrohung für die Betroffenen. Auch das hat in Grenzen sein Gutes, zum Beispiel als Erlebnisprojekt praktischer politischer Bildung. Lernt die Hartz-IV-Klientel dadurch doch als Objekt der restriktiven Resteverteilung im Kapitalismus, wie das System mit denen umgeht, die es zuvor ausgesiebt hat. Dahinter mag das durchtriebene Kalkül stehen, dass die Massen des Prekariats, entnervt durch schroffe Ablehnungsbescheide, kafkaeske Bearbeitungsprozeduren, rigide Reaktion auch auf Notlagen, wieder zum selbstbewussten Proletariat werden und den „gesellschaftlichen Umbau" in die eigenen Hände nehmen. Aber auch das ist fast schon eine Exegese der subtil systemunterwandernden Sentenzen von Müller-Starmann.
...im sozialistischen Interview
Freilich darf man in didaktischem Eifer die kapitalismuskritische Lektion auch nicht übertreiben, sonst richtet sich der berechtigte Ärger nicht mehr gegen den Kapitalismus an sich, sondern ausgerechnet gegen die kryptosozialistische ARGE. Und auch jenseits politischer Philosophie muss Müller-Starmann als Behördenleiter – wie immer es auch um den merkwürdigen Rechtsstatus dieser „Arbeitsgemeinschaft" bestellt sein mag – schon aus „Fürsorge“ darauf achten, dass seine GenossInnen MitarbeiterInnen nach außen nicht zu schlecht wegkommen.
Klage gegen KEAs wird durchgezogen
Da muss man denn auch schon mal die bürgerliche Justiz bemühen, wenn wieder einmal „unzutreffende Vorwürfe" etwa von seiten der KEAs – gegen die Genosse Müller-Starmann ja an sich überhaupt nichts hat – seine MitarbeiterInnen ins Zwielicht rücken. Einer Mitarbeiterin „vorzuwerfen, dass sie Menschen in einer existenzbedrohenden Situation drangsaliert", da setzt sich der ritterliche Chef „mit aller Kraft zur Wehr, wenn das nicht wahr ist, das lass’ ich auch die KEAs nicht über meine Mitarbeiterinnen berichten. Punkt. Ende!"
Hintergrund ist ein Fall, den wir in der NRhZ bereits aufgegriffen haben (Nr.185 vom 18.02.2009: "Verpetzt wird nicht!"), und zwar im Hinblick auf die Forderung, die KEAs hätten den Namen eines Betroffenen zu nennen, dessen Fall sie öffentlich gemacht hatten. Der junge Mann sollte aus einem Ein-Euro-Job herausgeflogen sein, weil er seine schwangere Frau ins Krankenhaus begleitet habe, ihm seien dann von der ARGE Sanktionen auferlegt worden.
Alles Quatsch, meint Müller-Starmann, der den Fall und damit den Betroffenen doch zu kennen einräumt. Wieso er dann noch auf Namensnennung besteht, erschließt sich mit normaler Logik nicht recht; dass die KEAs dies aus Gründen des Informantenschutzes und der vertraulichen Sozialberatung grundsätzlich verweigern, schon eher. Wie dem auch sei- laut Müller-Starmann war alles ganz anders: „Was in dem Zusammenhang berichtet wird, ist schlicht und ergreifend unwahr.
Ich will nicht mal sagen, er ist von den KEAs unwahr dargestellt worden. Der junge Mann, um den es geht, hat ihn unwahr dargestellt." Laut Müller-Starmann habe er „schlicht und ergreifend die Brocken hingeschmissen" und sei beim anschließenden „ernsthaften Gespräch" nicht sehr nett gewesen.
Daher auch das definitive Dekret: „Die Klage gegen die KEAs werd' ich weiter betreiben.“ Nein, nicht, weil er sie kaputtmachen wolle. Sondern eher als pädagogische Maßregel für die Zukunft: „Wirklich, eine Nachfrage hätte genügt. Wär' erkennbar gewesen, was wirklich passiert ist. Ich bin bereit, über Änderungen zu diskutieren. Aber wenn ich was ändern soll, dann will ich wissen, bei wem ich was ändern soll." Was er in diesem Fall schon selber wusste. Warum dann aber die Klage mit 20.000 Euro Streitwert gegen eine Erwerbslosen-Initiative statt einer öffentlichen Gegenäußerung? Die Linkspresse Kölns von Express bis Bild würde doch jederzeit die ARGE-Meinung breitestens darstellen. Wahrscheinlich aber verbirgt sich dahinter eine ganz raffinierte Strategie, die ARGE als Stoßtrupp des sozialistischen Gesellschaftsumbaus „allseitig zu stärken“.
Wie im Sozialismus: permanente Fehlerkritik
Auch dafür ist ständig Fehlerbeseitigung angesagt. Damit eben zeichnet sich sozialistische Organisationsentwicklung aus, etwa im Sinne der "Neuererbewegung und Wissenschaftlichen Arbeitsorganisation (WAO)" in der DDR.
Permanente Fehlerkritik
„Fehler kommen im Leben überall vor“, betont Müller-Starmann. So es aber bei der ARGE Fehler gibt, „ist das ja oft das Ergebnis von Sachen, die keiner gewollt hat“. Etwa die, dass man einer Zuckerkranken erst nach Einmarsch eines Dutzends von Beiständen und, Zeugen zufolge, nach Intervention des ARGE-Chefs selber, Bargeld für die erforderlichen Medikamente zugesteht (s. NRhZ Nr. 201 vom 11.06.2009). „Aber“, versichert der ARGE-Oberste, „wir bemühen uns wirklich, Fehler abzustellen.“
Fast wie in der DDR: 99prozentige Zustimmung
Mit Magie der großen Zahlen will uns Müller-Starmann vom ebenso erfolg- wie liebreichen ARGE-Engagement überzeugen.
„Neben Leistungsberatungen, die wir nicht zählen, machen wir im Jahr etwa 270.000 Gespräche mit Hilfesuchenden." Die verliefen größtenteils „respektvoll, zielgerichtet und auch mit der Perspektive für die Betroffenen: Wie kann ich Dir aus der Situation heraushelfen." Mehr noch: „Wir fällen im Jahr circa 200.000 menschenbezogene Entscheidungen. Widersprüche kriegen wir um 8000. Daraus werden etwa 4000 Klagen. Jetzt können Sie mal rechnen. 200.000 Entscheidungen gegen 4000 Klagen, von denen wir die Hälfte gewinnen. Wenn Sie sich das vor Augen halten, dann ist das, auf 200.000 bezogen, doch erstaunlich niedrig."
Hört die Signale
Wir staunen. Zumal „MS“, nach zweifacher Nachfrage, in aller Zahlenflut nur 18 unbearbeitete Fälle ausgemacht haben will. „Oder jedenfalls ´ne zweistellige Zahl zwischen zehn und zwanzig." Auch das wird dank WAO-„Wissenschaftlicher Arbeitsorganisation" behoben, so lange Müller-Starmann der Vorsitzende des ARGE-Exekutivrats ist. Natürlich kann vieles durch Verwaltungsakte und Gerichtsanrufung nicht gelöst – aber das liegt im System. Und hier verweist Müller-Starmann, geschickter Stratege, wieder auf politischen Kampf, wenn nicht Systemkritik. Was sich auf dem Verwaltungs- und Gerichtswege nicht ändern lasse, etwa, ob die Leistungen hoch genug seien, „da erreichen Sie nichts durch einen Widerspruch, nichts durch eine Klage, sondern eben nur durch eine Änderung des Gesetzes." Damit aber kommen wir wieder in greifbare Nähe des „gesellschaftlichen Umbaus". Hört die Signale. (HDH)
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