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BAYER-Konzern verdient mit seinen Antibabypillen Milliarden – aber:
Für Frauen lebensgefährlich
Von Jan Pehrke und Philipp Mimkes
BAYER-Werbung für die Yasminelle
-Pille
Quelle: http://www.bayerhealthcare.at
Tanya Hayes litt seit ihrem elften Lebensjahr unter Akne. Die 24jährige Studentin ließ sich das Verhütungsmittel Yasmin verschreiben, da die Werbung für das Präparat eine positive Wirkung auf Hautausschläge versprach. Vier Monate nach der Einnahme von Yasmin, 2008, klagte die junge Frau plötzlich über Atembeschwerden und starken Husten, nahm diese Gesundheitsstörungen aber nicht allzu ernst. Wenig später folgte der Zusammenbruch: Auf einem Restaurantparkplatz versagte der Kreislauf, und knapp fünf Stunden später war Tanya Hayes tot. Die Notärzte diagnostizierten eine Lungenembolie infolge von verdicktem Blut „verursacht durch Faktoren, die mit der Einnahme von Verhütungsmitteln zusammenhängen“.
Die Schwerstbehinderung der 18jährigen Céline hängt ebenfalls mit der Einnahme von Yasmin zusammen. Die Schweizerin erlitt eine Lungenembolie, die das Gehirn von der Sauerstoffzufuhr abschnitt. Seither ist der Teenager ein Pflegefall, unfähig, sich zu artikulieren und selbständig zu bewegen. Der im Mai bekannt gewordene Fall löste in der Schweiz eine breite Diskussion über die Sicherheit von Antibabypillen sowie eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde SwissMedic aus.
Vor zwei Wochen wurde nun der Todesfall der 21jährigen Yvonne B. bekannt. Die junge Frau litt seit Monaten unter Schmerzen im Brustbereich und hatte sich dreimal ärztlich untersuchen lassen. Erst als sie an einer Lungenembolie starb, rückte die wahrscheinliche Ursache in den Fokus – ihr Verhütungspräparat. Yvonne B. hatte seit Ende letzten Jahres das Präparat Yaz eingenommen, das ebenso wie Yasmin die Hormone Ethinylestradiol und Drospirenon enthält. Die Medikamentenaufsicht vermutet „einen Zusammenhang des Todes mit der Einnahme der Pille“.
Erhöhte Nebenwirkungen
Thrombosen, also die Bildung von Blutgerinnseln, meist in den Venen, und Embolien, die plötzliche Verstopfung eines Blutgefäßes, sind bekannte Nebenwirkungen von Antibabypillen. Das absolute Risiko ist zwar gering: Von 10.000 Frauen, die hormonale Kontrazeptiva einnehmen, erkranken jährlich etwa fünf. Die Brisanz der aktuellen Fälle ergibt sich jedoch zum einen aus der hohen Zahl von Verschreibungen – allein in der Schweiz schlucken rund 100.000 Frauen das Präparat Yasmin – und zum anderen aus der erhöhten Gefahr neuer Antibabypillen der sogenannten dritten Generation gegenüber älteren Präparaten.
In Deutschland ist Yasmin seit acht Jahren zugelassen und stieg mit seinen Schwesterprodukten Yaz, Yasminelle und Petibelle rasch zum Marktführer auf. Hergestellt wurden Yasmin und Co. zunächst von der Firma Schering mit Sitz in Berlin sowie der Schering-Tochterfirma Jenapharm. Seit der Übernahme durch den Leverkusener BAYER-Konzern vor drei Jahren werden die Pillen nun von Bayer-Schering vermarktet. Der Konzern erlöste mit Yasmin im vergangenen Jahr rund 1,2 Milliarden Euro – so viel wie mit keinem anderen Präparat. Bayer-Schering ist nach eigenen Angaben damit zum Weltmarktführer bei hormonellen Verhütungsmitteln aufgestiegen. Rund um den Globus verhüten etwa 100 Millionen Frauen mit der Antibabypille.
Keine Einzelfälle
Der Fall Céline erregte in der Schweiz großes Aufsehen. Die Yasmin-Verkäufe brachen um ein Drittel ein. Die Behörden starteten eine Untersuchung aller Verhütungspillen, die das synthetische Hormon Drospirenon enthalten; die Ergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen. Patientenverbände forderten gar ein Verbot der Pille. Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen: „Die Behörden müssen das Medikament vom Markt nehmen. Wir können keine Antibabypillen abgeben, deren Risiken noch nicht in Langzeitstudien getestet wurden.“
Für die Forderung nach einem Vermarktungsstopp gibt es gute Gründe, denn um Einzelfälle handelt es sich beileibe nicht. Allein im Zeitraum von 2004 bis 2008 verzeichnete beispielsweise die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) 50 Tote durch Yasmin und Yaz. In den Vereinigten Staaten wurden in den vergangenen Monaten 74 Klagen von Geschädigten eingereicht, die Zahl steigt fast täglich. Das bundesrepublikanische Gegenstück zur FDA, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), zählt sieben Verstorbene seit dem Jahr 2000. Bei der Arzneikommission der deutschen Ärzteschaft gingen bis September 2006 mehr als dreißig Berichte über „thromboembolische Ereignisse“ ein.
Was Yasmin und Yaz so gefährlich macht, ist dabei genau der von Bayer-Schering immer wieder beworbene „Figurbonus“. Denn indem das in Yasmin enthaltene Hormon Drospirenon Wassereinlagerungen entgegenwirkt, macht es zugleich das Blut zähflüssiger und steigert so die Gefahr gefährlicher Blutgerinnsel.
Eine im August von Dr. Frits Roosendaal, Professor an der niederländischen Universität Leiden, im British Medical Journal veröffentlichte Studie erhärtet den Verdacht: Drospirenonhhaltige Antibabypillen verdoppeln demnach gegenüber älteren Präparaten das Risiko schwerster Nebenwirkungen. Um das Thromboserisiko zu vermindern, gibt Studienleiter Roosendaal eine eindeutige Empfehlung: „Angesichts der großen Zahl von Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, betrifft schon eine geringfügige Erhöhung der Nebenwirkungen viele Personen. Es ist äußerst wichtig, diese Risiken zu verringern.“ Roosendaal empfiehlt die Einnahme älterer Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel.
Zielgruppe „jüngste Frauen“
Bei der Markteinführung von Yasmin erhielt Schering breite publizistische Unterstützung. „Neue Antibabypille macht sogar schlank“, jubilierte die BZ am 15. November 2000. Da mochten einen Tag später weder die taz – „schlanker und fitter“ – noch die Ärztezeitung nachstehen, die „Verhütung ohne Gewichtszunahme“ attestierte. Des Weiteren schneidet der Pharmariese seine Werbeaktionen paßgenau auf eine junge Zielgruppe zu. Er hält kleine Herzen zum Herunterladen aufs Handy bereit und übt sich in Verpackungskunst. So erhielt Céline die für sie so unheilvollen Yasmin-Tabletten von ihrem Arzt in einem neckischen rosa Täschchen überreicht. Im Internet und in gezielt plazierten Artikeln werden besonders der „Beautyeffekt“ oder der „Figurbonus“ als Verkaufsargument herausgestellt, z.B. mit dem Slogan „Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus dem Grund gern eine geeignete Pille an“. In den USA verpflichtete der Konzern für Werbeclips kürzlich die aus der MTV-Serie „The Hill“« bekannte Schauspielerin Lauren „Lo“ Bosworth.
Um eine dauerhafte Medienpräsenz zu erreichen, streut Bayer zudem fast täglich die Ergebnisse ominöser Studien zu Fragen rund um Sex und Fortpflanzung („Holländer haben im Durchschnitt 5,7 Sexualpartner im Leben", „Während für die Italiener Sex in einem öffentlichen Gebäude zu den geheimen Favoriten gehört, ist es für die deutschen Umfrageteilnehmer der Aufzug“). Die Meldungen werden mit ihrer dezenten Schlüpfrigkeit gerne von vielen Medien aufgegriffenen, meist im Teil „Vermischtes“.
Ebenso finanziert der Konzern internationale Kampagnen wie den „Weltverhütungstag“, der am 26. September auf Initiative von Bayer zum dritten Mal begangen wurde, und die Konferenz „Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung“, die sich speziell mit dem Thema Familienplanung beschäftigt. Informiert man sich auf der Website des Unternehmens über die Gründe für dieses Engagement, so stellt sich der Eindruck ein, bei den Globalisierungsgegnern von ATTAC gelandet zu sein („weltweit Armut bekämpfen, die Umwelt schützen, die Globalisierung gerechter gestalten“). Tatsächlich dürften die Gründe profaner sein: Hormonale Verhütungsmittel sollen auch in Ländern der sogenannten dritten Welt als Standardkontrazeptiva durchgesetzt werden.
Kritikwürdige Entlastungsstudie
Obwohl seit Jahren Zweifel an der vom Hersteller behaupteten Ungefährlichkeit geäußert werden – hervorzuheben ist hier vor allem der industriekritische Informationsdienst arznei-telegramm – wiegelten deutsche Behörden bislang ab. Ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht sicher belegt. Die neuen Untersuchungen aus den Niederlanden reichten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nun zusammen mit den Daten einer anderen Expertise, endlich ein wenig Aktivität zu zeigen: „Diese beiden aktuellen Studien werden zur Zeit vom BfArM in Kooperation mit den Arzneimittelbehörden der anderen EU-Länder bewertet. Basierend auf dieser Bewertung wird über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen entschieden werden“, verlautete es Ende August aus Bonn.
Bislang hatte sich das BfArM bei seiner Einschätzung auf eine Untersuchung gestützt, die auch das Unternehmen Bayer-Schering gern zitiert. Die sogenannte EURAS-Studie des Berliner Zentrums für Epidemiologie und Gesundheitsforschung (ZEG) brachte laut Bayer-Pressestelle angeblich den Beweis, „daß Yasmin-Anwenderinnen kein höheres Venenthrombose- und kein höheres Embolierisiko im Vergleich zu Anwenderinnen anderer niedrig dosierter Antibabypillen haben“. Zu dieser Einschätzung kam es allerdings offenbar auch deshalb, weil mit Jürgen C. Dinger ein ehemaliger Schering-Beschäftigter zu den Studienleitern gehörte und weil das ZEG meist industriefreundlich urteilt. Die New York Times kritisierte denn auch in der vergangenen Woche, daß die EURAS-Studie von Schering finanziert wurde – weder die Tätigkeit des Studienleiters bei dem Konzern noch die Finanzierung durch das Unternehmen wurden bei der Veröffentlichung der Studie erwähnt. Untersuchungen zeigen immer wieder, daß die von Herstellern bezahlten Untersuchungen im Vergleich zu unabhängigen Studien fast ausnahmslos geringere Risiken finden.
Entschädigung bei Stillschweigen
Nach einem Fernsehbericht über die schweren Folgeschäden bei Schweizer Jugendlichen erklärte sich Bayer-Schering zunächst bereit, Entschädigungen zu leisten. „Der Fall von Céline ist ein besonders tragischer Ausgang von einer schweren, aber seltenen Nebenwirkung“, räumte eine Konzernsprecherin ein und sagte die Übernahme der Rehabilitationskosten in Höhe von 200.000 Schweizer Franken zu. Der Konzern wollte die Zahlungen jedoch nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen und bat sich Stillschweigen über die Höhe der Summe aus. Der Anwalt der Familie ging auf diese Bedingungen nicht ein. Da zeigte der Multi, daß er auch anders kann und ruderte zurück. „Ob die Lungenembolie auf einer Einnahme unseres Präparates Yasmin beruht, ist nicht belegt“, schrieb Bayer dem Juristen und drohte, die Kosten doch nicht zu übernehmen. Ein wie auch immer geartetes Schmerzensgeld zu zahlen weigert sich die Firma ohnehin.
Zudem ist das Unternehmen nicht bereit, die Zahl aller gemeldeten Yasmin-Nebenwirkungen bekanntzugeben. Solche Angaben würden „die Kundinnen nur verunsichern“, beschied Bayer-Sprecherin Astrid Kranz anfragenden Journalisten. Problematisch ist dies vor allem, da keine der nationalen Aufsichtsbehörden alle weltweit gemeldeten Fälle kennt, niemand also so viele Daten besitzt wie der Hersteller. Hierzu Pharmakritiker Hubert Ostendorf, Mitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren: „Das Ziel von Bayer ist es, Hormonpräparate weltweit als Standardverhütungsmittel zu etablieren, denn die Gewinne sind gigantisch. Der Konzern läßt deshalb negative Informationen in der Schublade verschwinden, um den Absatz nicht zu gefährden.“ Ostendorf fordert eine Offenlegungspflicht aller gemeldeten Nebenwirkungen und aller Anwendungsstudien sowie wirksame Strafen für unlautere Pharmawerbung.
Frühzeitige Bedenken
Zu Thrombosen und Embolien kommen weitere Gefahren der neuen Kontrazeptiva. Das in Yasmin enthaltene Hormon Drospirenon kann den Kaliumspiegel auf einen gesundheitsgefährdenden Wert erhöhen. Zudem besteht chemisch eine enge Verwandtschaft mit der Substanz Spironolakton, die sich in Tierversuchen als krebserregend erwiesen und bei klinischen Erprobungen Gesundheitsstörungen verursacht hat, weshalb die Anwendung nun starken Einschränkungen unterliegt. Darüber hinaus löst die Hormonkombination von Yasmin überdurchschnittlich oft Bauchspeicheldrüsenentzündungen aus. Auch Schlaganfälle und Krebserkrankungen sind verzeichnet.
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte schon bei der Zulassung der Präparate Bedenken und verlangte zusätzliche Studien. Zudem stellte die FDA jüngst bei Betriebsinspektionen bei Bayer erhebliche Mängel in puncto Reinheit und Stabilität der Yasmin-Wirkstoffe fest und verlangte ultimativ eine Umstellung der Verfahren. Auch in anderen Ländern wurden die Präparate nur mit Verzögerung zugelassen. Norwegen nahm das Produkt direkt unter besondere Beobachtung, der Berufsverband der niederländischen Allgemeinärzte warnt seine Mitglieder sogar ausdrücklich vor der Verordnung. Besonders das arznei-telegramm hat das Unheil kommen sehen und warnte frühzeitig vor Yasmin: „Bei dieser dürftigen Risikoinformation halten wir den Gebrauch von Petibelle und Yasmin, die offensichtlich den Lifestylebereich abdecken sollen, für nicht begründbar. Wir raten von der Verordnung ab.“
Gezielte Werbeverstöße
Das Marketing, das die Gesundheitsrisiken unter den Teppich kehrt und ganz auf Lifestylefaktoren setzt, kritisiert auch Felicitas Rohrer im Interview mit dem Autoren, ein weiteres Opfer der Bayer-Pillen: „Daß ich noch lebe, ist ein Wunder und auf unglaublich tolle Arbeit der Ärzte und einige glückliche Umstände zurückzuführen.“ Die 25jährige hatte im Juli nach der Einnahme der Pille Yasminelle eine schwere Lungenembolie erlitten und war in allerletzter Sekunde gerettet worden. „Fatal an dieser Pille ist, daß sie sich gezielt an junge Mädchen richtet. Die erste Packung kommt in einem schicken, silberfarbenen Schächtelchen mit Schminkpinsel daher. Zusammen mit dem angeblichen Vorteil, daß man nicht an Gewicht zunimmt, erhöht das die Akzeptanz bei jungen Frauen enorm. Aber sie erfahren nichts davon, daß sie damit ein höheres Risiko für Thrombosen und Embolien haben“, so Felicitas Rohrer weiter.
Über die Gründe für den Verkaufserfolg vor allem bei jungen Frauen bestehen denn auch kaum Zweifel. „Es sind alles Lifestylefaktoren, weshalb die Mädchen die Pille verlangen“, so Franziska Maurer-Marti von der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Zeitung Sonntag vom 30. Mai 2009. Dabei lösen Yasmin und Petibelle das Versprechen einer Gewichtsabnahme kaum ein, denn der „Figurbonus“ fällt tatsächlich wenig ins Gewicht. Gerade einmal 300 Gramm weniger als die Probandinnen der Vergleichsgruppe brachten die Yasmin-Schluckerinnen in einer Studie auf die Waage. In einer anderen Untersuchung verloren die Frauen die Pfunde nicht dauerhaft. Der Leidener Professor Frits Roosendaal hat in seiner Studie gar keine diätische Wirkung festgestellt. „Dafür gibt es keine klaren Beweise“, hielt der Mediziner fest.
Bewußter Gesetzesbruch?
Bei seinen verkaufsfördernden Maßnahmen schreckt der Leverkusener Multi nicht einmal vor Rechtsbrüchen zurück. Obwohl das Heilmittelwerbegesetz es untersagt, preist der Konzern Yasmin und Co. im Internet kräftig an. Gibt man bei Google das Suchwort „Pille“ ein, so landet man direkt bei der entsprechenden Bayer-Seite, die sich den Anstrich unabhängiger Verbraucherinformation gibt. Das arznei-telegramm konstatierte bereits im September 2006: „Da das Verbot der Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst Anfängern im Pharmamarketing bekannt ist, gehen wir von einem gezielten Verstoß aus. Offensichtlich soll (...) auch getestet werden, ob das Werbeverbot hierzulande noch durchgesetzt wird.“
In den USA existieren keine Werbebeschränkungen für verschreibungspflichtige Medikamente, die Hersteller dürfen ihre Produkte auf allen Kanälen propagieren. Dafür funktioniert die Aufsicht manchmal besser als hierzulande. Die Gesundheitsbehörde FDA ließ es Bayer im Gegensatz zu ihren bundesdeutschen Pendants nicht durchgehen, Yaz als Mittel gegen Akne und das „prämenstruelle Syndrom“ zu bewerben und gleichzeitig die Nebenwirkungen herunterzuspielen. Letzteres empfand die US-Behörde als „besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“. Edmund Brown, Generalbundesanwalt von Kalifornien, urteilte: „Die irreführenden Werbespots von Bayer ließen junge Frauen in dem Glauben, daß das Kontrazeptivum Yaz Symptome beheben könne, für die das Präparat gar nicht zugelassen wurde.“ Die US-Behörden verboten nicht nur die TV-Spots, sie zwangen Bayer-Schering auch dazu, den Sachverhalt klarzustellen. So heißt es in der neuen Pillenwerbung nun: „Vielleicht haben Sie Werbespots für Yaz gesehen, die nicht ganz klar waren. Die FDA will, daß wir ein paar Punkte in diesen Spots korrigieren.“ Die Richtigstellung kostet den Konzern immerhin 20 Millionen Dollar.
Der Leverkusener Multi kennt die Nachteile hormoneller Schwangerschaftsverhütung also ganz genau. Aus diesem Grund hatte er sich auch einmal auf die Suche nach Alternativen zur Antibabypille begeben. Seit geraumer Zeit wickelt er diesen Bereich jedoch ab, wie der Bayer-Schering-Forschungschef Andreas Busch in einem Interview mit der Berliner Zeitung vom April 2008 erklärte: „Wir werden die laufenden Forschungsprojekte voranbringen, aber wir wollen nicht mehr nach komplett neuen Mechanismen suchen.“
Nicht mehr lange, hofft zumindest Felicitas Rohrer, die darauf baut, daß ihr Beispiel eine abschreckende Wirkung entfaltet: „Um zu verhindern, daß weitere junge Frauen ein ähnliches oder sogar tödliches Schicksal erleiden, muß die Problematik publik gemacht werden. Wir wollen doch nur nicht schwanger werden und nicht unser Leben riskieren!“ (PK)
Jan Pehrke und Philipp Mimkes sind Mitarbeiter der Coordination gegen BAYER-Gefahren
Online-Flyer Nr. 220 vom 21.10.2009
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Lokales
BAYER-Konzern verdient mit seinen Antibabypillen Milliarden – aber:
Für Frauen lebensgefährlich
Von Jan Pehrke und Philipp Mimkes
BAYER-Werbung für die Yasminelle
-Pille
Quelle: http://www.bayerhealthcare.at
Die Schwerstbehinderung der 18jährigen Céline hängt ebenfalls mit der Einnahme von Yasmin zusammen. Die Schweizerin erlitt eine Lungenembolie, die das Gehirn von der Sauerstoffzufuhr abschnitt. Seither ist der Teenager ein Pflegefall, unfähig, sich zu artikulieren und selbständig zu bewegen. Der im Mai bekannt gewordene Fall löste in der Schweiz eine breite Diskussion über die Sicherheit von Antibabypillen sowie eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde SwissMedic aus.
Vor zwei Wochen wurde nun der Todesfall der 21jährigen Yvonne B. bekannt. Die junge Frau litt seit Monaten unter Schmerzen im Brustbereich und hatte sich dreimal ärztlich untersuchen lassen. Erst als sie an einer Lungenembolie starb, rückte die wahrscheinliche Ursache in den Fokus – ihr Verhütungspräparat. Yvonne B. hatte seit Ende letzten Jahres das Präparat Yaz eingenommen, das ebenso wie Yasmin die Hormone Ethinylestradiol und Drospirenon enthält. Die Medikamentenaufsicht vermutet „einen Zusammenhang des Todes mit der Einnahme der Pille“.
Erhöhte Nebenwirkungen
Thrombosen, also die Bildung von Blutgerinnseln, meist in den Venen, und Embolien, die plötzliche Verstopfung eines Blutgefäßes, sind bekannte Nebenwirkungen von Antibabypillen. Das absolute Risiko ist zwar gering: Von 10.000 Frauen, die hormonale Kontrazeptiva einnehmen, erkranken jährlich etwa fünf. Die Brisanz der aktuellen Fälle ergibt sich jedoch zum einen aus der hohen Zahl von Verschreibungen – allein in der Schweiz schlucken rund 100.000 Frauen das Präparat Yasmin – und zum anderen aus der erhöhten Gefahr neuer Antibabypillen der sogenannten dritten Generation gegenüber älteren Präparaten.
In Deutschland ist Yasmin seit acht Jahren zugelassen und stieg mit seinen Schwesterprodukten Yaz, Yasminelle und Petibelle rasch zum Marktführer auf. Hergestellt wurden Yasmin und Co. zunächst von der Firma Schering mit Sitz in Berlin sowie der Schering-Tochterfirma Jenapharm. Seit der Übernahme durch den Leverkusener BAYER-Konzern vor drei Jahren werden die Pillen nun von Bayer-Schering vermarktet. Der Konzern erlöste mit Yasmin im vergangenen Jahr rund 1,2 Milliarden Euro – so viel wie mit keinem anderen Präparat. Bayer-Schering ist nach eigenen Angaben damit zum Weltmarktführer bei hormonellen Verhütungsmitteln aufgestiegen. Rund um den Globus verhüten etwa 100 Millionen Frauen mit der Antibabypille.
Keine Einzelfälle
Der Fall Céline erregte in der Schweiz großes Aufsehen. Die Yasmin-Verkäufe brachen um ein Drittel ein. Die Behörden starteten eine Untersuchung aller Verhütungspillen, die das synthetische Hormon Drospirenon enthalten; die Ergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen. Patientenverbände forderten gar ein Verbot der Pille. Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen: „Die Behörden müssen das Medikament vom Markt nehmen. Wir können keine Antibabypillen abgeben, deren Risiken noch nicht in Langzeitstudien getestet wurden.“
Für die Forderung nach einem Vermarktungsstopp gibt es gute Gründe, denn um Einzelfälle handelt es sich beileibe nicht. Allein im Zeitraum von 2004 bis 2008 verzeichnete beispielsweise die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) 50 Tote durch Yasmin und Yaz. In den Vereinigten Staaten wurden in den vergangenen Monaten 74 Klagen von Geschädigten eingereicht, die Zahl steigt fast täglich. Das bundesrepublikanische Gegenstück zur FDA, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), zählt sieben Verstorbene seit dem Jahr 2000. Bei der Arzneikommission der deutschen Ärzteschaft gingen bis September 2006 mehr als dreißig Berichte über „thromboembolische Ereignisse“ ein.
Was Yasmin und Yaz so gefährlich macht, ist dabei genau der von Bayer-Schering immer wieder beworbene „Figurbonus“. Denn indem das in Yasmin enthaltene Hormon Drospirenon Wassereinlagerungen entgegenwirkt, macht es zugleich das Blut zähflüssiger und steigert so die Gefahr gefährlicher Blutgerinnsel.
Eine im August von Dr. Frits Roosendaal, Professor an der niederländischen Universität Leiden, im British Medical Journal veröffentlichte Studie erhärtet den Verdacht: Drospirenonhhaltige Antibabypillen verdoppeln demnach gegenüber älteren Präparaten das Risiko schwerster Nebenwirkungen. Um das Thromboserisiko zu vermindern, gibt Studienleiter Roosendaal eine eindeutige Empfehlung: „Angesichts der großen Zahl von Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, betrifft schon eine geringfügige Erhöhung der Nebenwirkungen viele Personen. Es ist äußerst wichtig, diese Risiken zu verringern.“ Roosendaal empfiehlt die Einnahme älterer Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel.
Zielgruppe „jüngste Frauen“
Bei der Markteinführung von Yasmin erhielt Schering breite publizistische Unterstützung. „Neue Antibabypille macht sogar schlank“, jubilierte die BZ am 15. November 2000. Da mochten einen Tag später weder die taz – „schlanker und fitter“ – noch die Ärztezeitung nachstehen, die „Verhütung ohne Gewichtszunahme“ attestierte. Des Weiteren schneidet der Pharmariese seine Werbeaktionen paßgenau auf eine junge Zielgruppe zu. Er hält kleine Herzen zum Herunterladen aufs Handy bereit und übt sich in Verpackungskunst. So erhielt Céline die für sie so unheilvollen Yasmin-Tabletten von ihrem Arzt in einem neckischen rosa Täschchen überreicht. Im Internet und in gezielt plazierten Artikeln werden besonders der „Beautyeffekt“ oder der „Figurbonus“ als Verkaufsargument herausgestellt, z.B. mit dem Slogan „Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus dem Grund gern eine geeignete Pille an“. In den USA verpflichtete der Konzern für Werbeclips kürzlich die aus der MTV-Serie „The Hill“« bekannte Schauspielerin Lauren „Lo“ Bosworth.
Um eine dauerhafte Medienpräsenz zu erreichen, streut Bayer zudem fast täglich die Ergebnisse ominöser Studien zu Fragen rund um Sex und Fortpflanzung („Holländer haben im Durchschnitt 5,7 Sexualpartner im Leben", „Während für die Italiener Sex in einem öffentlichen Gebäude zu den geheimen Favoriten gehört, ist es für die deutschen Umfrageteilnehmer der Aufzug“). Die Meldungen werden mit ihrer dezenten Schlüpfrigkeit gerne von vielen Medien aufgegriffenen, meist im Teil „Vermischtes“.
Ebenso finanziert der Konzern internationale Kampagnen wie den „Weltverhütungstag“, der am 26. September auf Initiative von Bayer zum dritten Mal begangen wurde, und die Konferenz „Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung“, die sich speziell mit dem Thema Familienplanung beschäftigt. Informiert man sich auf der Website des Unternehmens über die Gründe für dieses Engagement, so stellt sich der Eindruck ein, bei den Globalisierungsgegnern von ATTAC gelandet zu sein („weltweit Armut bekämpfen, die Umwelt schützen, die Globalisierung gerechter gestalten“). Tatsächlich dürften die Gründe profaner sein: Hormonale Verhütungsmittel sollen auch in Ländern der sogenannten dritten Welt als Standardkontrazeptiva durchgesetzt werden.
Kritikwürdige Entlastungsstudie
Obwohl seit Jahren Zweifel an der vom Hersteller behaupteten Ungefährlichkeit geäußert werden – hervorzuheben ist hier vor allem der industriekritische Informationsdienst arznei-telegramm – wiegelten deutsche Behörden bislang ab. Ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht sicher belegt. Die neuen Untersuchungen aus den Niederlanden reichten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nun zusammen mit den Daten einer anderen Expertise, endlich ein wenig Aktivität zu zeigen: „Diese beiden aktuellen Studien werden zur Zeit vom BfArM in Kooperation mit den Arzneimittelbehörden der anderen EU-Länder bewertet. Basierend auf dieser Bewertung wird über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen entschieden werden“, verlautete es Ende August aus Bonn.
Bislang hatte sich das BfArM bei seiner Einschätzung auf eine Untersuchung gestützt, die auch das Unternehmen Bayer-Schering gern zitiert. Die sogenannte EURAS-Studie des Berliner Zentrums für Epidemiologie und Gesundheitsforschung (ZEG) brachte laut Bayer-Pressestelle angeblich den Beweis, „daß Yasmin-Anwenderinnen kein höheres Venenthrombose- und kein höheres Embolierisiko im Vergleich zu Anwenderinnen anderer niedrig dosierter Antibabypillen haben“. Zu dieser Einschätzung kam es allerdings offenbar auch deshalb, weil mit Jürgen C. Dinger ein ehemaliger Schering-Beschäftigter zu den Studienleitern gehörte und weil das ZEG meist industriefreundlich urteilt. Die New York Times kritisierte denn auch in der vergangenen Woche, daß die EURAS-Studie von Schering finanziert wurde – weder die Tätigkeit des Studienleiters bei dem Konzern noch die Finanzierung durch das Unternehmen wurden bei der Veröffentlichung der Studie erwähnt. Untersuchungen zeigen immer wieder, daß die von Herstellern bezahlten Untersuchungen im Vergleich zu unabhängigen Studien fast ausnahmslos geringere Risiken finden.
Entschädigung bei Stillschweigen
Nach einem Fernsehbericht über die schweren Folgeschäden bei Schweizer Jugendlichen erklärte sich Bayer-Schering zunächst bereit, Entschädigungen zu leisten. „Der Fall von Céline ist ein besonders tragischer Ausgang von einer schweren, aber seltenen Nebenwirkung“, räumte eine Konzernsprecherin ein und sagte die Übernahme der Rehabilitationskosten in Höhe von 200.000 Schweizer Franken zu. Der Konzern wollte die Zahlungen jedoch nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen und bat sich Stillschweigen über die Höhe der Summe aus. Der Anwalt der Familie ging auf diese Bedingungen nicht ein. Da zeigte der Multi, daß er auch anders kann und ruderte zurück. „Ob die Lungenembolie auf einer Einnahme unseres Präparates Yasmin beruht, ist nicht belegt“, schrieb Bayer dem Juristen und drohte, die Kosten doch nicht zu übernehmen. Ein wie auch immer geartetes Schmerzensgeld zu zahlen weigert sich die Firma ohnehin.
Zudem ist das Unternehmen nicht bereit, die Zahl aller gemeldeten Yasmin-Nebenwirkungen bekanntzugeben. Solche Angaben würden „die Kundinnen nur verunsichern“, beschied Bayer-Sprecherin Astrid Kranz anfragenden Journalisten. Problematisch ist dies vor allem, da keine der nationalen Aufsichtsbehörden alle weltweit gemeldeten Fälle kennt, niemand also so viele Daten besitzt wie der Hersteller. Hierzu Pharmakritiker Hubert Ostendorf, Mitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren: „Das Ziel von Bayer ist es, Hormonpräparate weltweit als Standardverhütungsmittel zu etablieren, denn die Gewinne sind gigantisch. Der Konzern läßt deshalb negative Informationen in der Schublade verschwinden, um den Absatz nicht zu gefährden.“ Ostendorf fordert eine Offenlegungspflicht aller gemeldeten Nebenwirkungen und aller Anwendungsstudien sowie wirksame Strafen für unlautere Pharmawerbung.
Frühzeitige Bedenken
Zu Thrombosen und Embolien kommen weitere Gefahren der neuen Kontrazeptiva. Das in Yasmin enthaltene Hormon Drospirenon kann den Kaliumspiegel auf einen gesundheitsgefährdenden Wert erhöhen. Zudem besteht chemisch eine enge Verwandtschaft mit der Substanz Spironolakton, die sich in Tierversuchen als krebserregend erwiesen und bei klinischen Erprobungen Gesundheitsstörungen verursacht hat, weshalb die Anwendung nun starken Einschränkungen unterliegt. Darüber hinaus löst die Hormonkombination von Yasmin überdurchschnittlich oft Bauchspeicheldrüsenentzündungen aus. Auch Schlaganfälle und Krebserkrankungen sind verzeichnet.
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte schon bei der Zulassung der Präparate Bedenken und verlangte zusätzliche Studien. Zudem stellte die FDA jüngst bei Betriebsinspektionen bei Bayer erhebliche Mängel in puncto Reinheit und Stabilität der Yasmin-Wirkstoffe fest und verlangte ultimativ eine Umstellung der Verfahren. Auch in anderen Ländern wurden die Präparate nur mit Verzögerung zugelassen. Norwegen nahm das Produkt direkt unter besondere Beobachtung, der Berufsverband der niederländischen Allgemeinärzte warnt seine Mitglieder sogar ausdrücklich vor der Verordnung. Besonders das arznei-telegramm hat das Unheil kommen sehen und warnte frühzeitig vor Yasmin: „Bei dieser dürftigen Risikoinformation halten wir den Gebrauch von Petibelle und Yasmin, die offensichtlich den Lifestylebereich abdecken sollen, für nicht begründbar. Wir raten von der Verordnung ab.“
Gezielte Werbeverstöße
Das Marketing, das die Gesundheitsrisiken unter den Teppich kehrt und ganz auf Lifestylefaktoren setzt, kritisiert auch Felicitas Rohrer im Interview mit dem Autoren, ein weiteres Opfer der Bayer-Pillen: „Daß ich noch lebe, ist ein Wunder und auf unglaublich tolle Arbeit der Ärzte und einige glückliche Umstände zurückzuführen.“ Die 25jährige hatte im Juli nach der Einnahme der Pille Yasminelle eine schwere Lungenembolie erlitten und war in allerletzter Sekunde gerettet worden. „Fatal an dieser Pille ist, daß sie sich gezielt an junge Mädchen richtet. Die erste Packung kommt in einem schicken, silberfarbenen Schächtelchen mit Schminkpinsel daher. Zusammen mit dem angeblichen Vorteil, daß man nicht an Gewicht zunimmt, erhöht das die Akzeptanz bei jungen Frauen enorm. Aber sie erfahren nichts davon, daß sie damit ein höheres Risiko für Thrombosen und Embolien haben“, so Felicitas Rohrer weiter.
Über die Gründe für den Verkaufserfolg vor allem bei jungen Frauen bestehen denn auch kaum Zweifel. „Es sind alles Lifestylefaktoren, weshalb die Mädchen die Pille verlangen“, so Franziska Maurer-Marti von der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Zeitung Sonntag vom 30. Mai 2009. Dabei lösen Yasmin und Petibelle das Versprechen einer Gewichtsabnahme kaum ein, denn der „Figurbonus“ fällt tatsächlich wenig ins Gewicht. Gerade einmal 300 Gramm weniger als die Probandinnen der Vergleichsgruppe brachten die Yasmin-Schluckerinnen in einer Studie auf die Waage. In einer anderen Untersuchung verloren die Frauen die Pfunde nicht dauerhaft. Der Leidener Professor Frits Roosendaal hat in seiner Studie gar keine diätische Wirkung festgestellt. „Dafür gibt es keine klaren Beweise“, hielt der Mediziner fest.
Bewußter Gesetzesbruch?
Bei seinen verkaufsfördernden Maßnahmen schreckt der Leverkusener Multi nicht einmal vor Rechtsbrüchen zurück. Obwohl das Heilmittelwerbegesetz es untersagt, preist der Konzern Yasmin und Co. im Internet kräftig an. Gibt man bei Google das Suchwort „Pille“ ein, so landet man direkt bei der entsprechenden Bayer-Seite, die sich den Anstrich unabhängiger Verbraucherinformation gibt. Das arznei-telegramm konstatierte bereits im September 2006: „Da das Verbot der Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel selbst Anfängern im Pharmamarketing bekannt ist, gehen wir von einem gezielten Verstoß aus. Offensichtlich soll (...) auch getestet werden, ob das Werbeverbot hierzulande noch durchgesetzt wird.“
In den USA existieren keine Werbebeschränkungen für verschreibungspflichtige Medikamente, die Hersteller dürfen ihre Produkte auf allen Kanälen propagieren. Dafür funktioniert die Aufsicht manchmal besser als hierzulande. Die Gesundheitsbehörde FDA ließ es Bayer im Gegensatz zu ihren bundesdeutschen Pendants nicht durchgehen, Yaz als Mittel gegen Akne und das „prämenstruelle Syndrom“ zu bewerben und gleichzeitig die Nebenwirkungen herunterzuspielen. Letzteres empfand die US-Behörde als „besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“. Edmund Brown, Generalbundesanwalt von Kalifornien, urteilte: „Die irreführenden Werbespots von Bayer ließen junge Frauen in dem Glauben, daß das Kontrazeptivum Yaz Symptome beheben könne, für die das Präparat gar nicht zugelassen wurde.“ Die US-Behörden verboten nicht nur die TV-Spots, sie zwangen Bayer-Schering auch dazu, den Sachverhalt klarzustellen. So heißt es in der neuen Pillenwerbung nun: „Vielleicht haben Sie Werbespots für Yaz gesehen, die nicht ganz klar waren. Die FDA will, daß wir ein paar Punkte in diesen Spots korrigieren.“ Die Richtigstellung kostet den Konzern immerhin 20 Millionen Dollar.
Der Leverkusener Multi kennt die Nachteile hormoneller Schwangerschaftsverhütung also ganz genau. Aus diesem Grund hatte er sich auch einmal auf die Suche nach Alternativen zur Antibabypille begeben. Seit geraumer Zeit wickelt er diesen Bereich jedoch ab, wie der Bayer-Schering-Forschungschef Andreas Busch in einem Interview mit der Berliner Zeitung vom April 2008 erklärte: „Wir werden die laufenden Forschungsprojekte voranbringen, aber wir wollen nicht mehr nach komplett neuen Mechanismen suchen.“
Nicht mehr lange, hofft zumindest Felicitas Rohrer, die darauf baut, daß ihr Beispiel eine abschreckende Wirkung entfaltet: „Um zu verhindern, daß weitere junge Frauen ein ähnliches oder sogar tödliches Schicksal erleiden, muß die Problematik publik gemacht werden. Wir wollen doch nur nicht schwanger werden und nicht unser Leben riskieren!“ (PK)
Jan Pehrke und Philipp Mimkes sind Mitarbeiter der Coordination gegen BAYER-Gefahren
Online-Flyer Nr. 220 vom 21.10.2009
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