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Aktueller Online-Flyer vom 27. Dezember 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Widerstand gegen Rüstungsexporte auf der Daimler-Hauptversammlung
„Den Opfern eine Stimme geben!“
Von Jürgen Grässlin

Das war harter Tobak, der den gemeinhin gewinnorientierten Aktionärinnen und Aktionären bei der Hauptversammlung der Daimler AG am 14. April 2010 zugemutet wurde: Nicht genug, dass Daimler 2009 eines seiner schlimmsten Geschäftsjahre verbuchte, die US-Ermittlungsbehörde SEC Korruption in 22 Ländern belegte, in den letzten beiden Jahren ziemlich genau 200.000 Fahrzeuge weniger verkauft wurden, ein Gewinneinbruch von rund 6,6 Milliarden € verzeichnet wurde, in der Folge rund 16.000 Beschäftige entlassen wurden und nunmehr eine Null-Runde bei den Dividenden hingenommen werden musste. Auch wir Rüstungskritikerinnen und -kritiker und ein Apartheid-Opfer meldeten uns lautstark zu Wort.

Daimler-Boss Zetsche vervielfacht
Alle Fotos: www.juergengraesslin.com/
 
Kaum hatten die Aktionäre den Eingangsbereich der Messe Berlin vor Augen, da wurden sie von Aktivisten der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Ohne Rüstung Leben, dem RüstungsInformationsBüros und kritischen Gewerkschaftern empfangen. Letztere wiesen als tödliche Sensemänner verkleidet mit Zetsche-Gesichtsmasken auf den sozialen Kahlschlag im Konzern hin.
 
Auf Postkarten forderten wir „Fairplay Daimler“ und damit den Stopp von Waffenlieferungen, die Halbierung des Flottenverbrauchs und das Eingeständnis der Mitverantwortung am Leid zahlreicher Menschen durch die Lieferung von Militär-Unimogs an das südafrikanische Apartheidregime. Mit uns hielt auch Mpho Masemola das Transparent mit unserer zentralen Forderung „Stoppt Daimlers Rüstungsexporte!“.
 
Vom Apartheidregime profitiert
 
Geladen von medico international und anderen, war Mpho Masemola als Vertreter der Khulumani Support Group aus Südafrika angereist. Khulumani gibt Opfern und Überlebenden des Apartheidregimes eine Stimme. In seinem Gegenantrag forderte KAD-Sprecher Holger Rothbauer die Nichtentlastung des Daimler-Vorstands. Rothbauer begründete seinen Gegenantrag damit, dass sich die Daimler AG als frühere Daimler-Benz AG von 1948 bis 1994 in der Ära des Apartheidsregimes ökonomisch stark in Südafrika engagiert „und somit auch stark von der Unterdrückung der schwarzen und farbigen Bevölkerungsmehrheit profitiert“ hatte.


Mpho Masemola ud Jürgen Grässlin
 
Zurzeit ist deshalb in den USA eine Klage gegen sechs Konzerne anhängig, darunter Daimler. In der so genannten „Khulumani-Sammelklage“ erheben rund 58.000 Apartheid-Opfer und ihre Familien ihre Schadensersatzforderungen. Den Konzernen wird „Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen während der Apartheidzeit“ vorgeworfen. Die Vorwürfe gegen Daimler fokussieren im Vorwurf der Beihilfe durch Kollaboration mit den Sicherheitskräften sowie durch deren Belieferung mit Nutzfahrzeugen bzw. Nutzfahrzeugkomponenten. Die Lieferung von Militär-Unimogs und Multisensorplattformen zur Überwachung der Schwarzen gilt als Beihilfehandlung zu Menschenrechtsverletzungen. Die Vereinten Nationen haben die Verwendung von Mercedes-Fahrzeugen, beispielsweise bei Gewaltrazzien der Apartheidpolizei in den Hometowns, eindeutig dokumentiert. Auf Basis des „Alien Tort Claims Act“ ließ Richterin Shira Scheindlin im April 2009 die Klagen zu. Weitere Infos siehe www.star-of-apartheid.de
 
In meinem Gegenantrag kritisierte ich im Namen der DFG-VK und befreundeter Friedensorganisationen die menschenverachtende Rüstungsexportpolitik des Daimler-Vorstands. Noch immer hält Daimler 22,5 Prozent der Stimmrechte am Rüstungsriesen European Aeronautic Defence and Space Company (EADS N.V.). Im weltweiten Ranking liegt die EADS auf Platz 7 der Rüstungsexporteure. Der Vorstand der Daimler AG, personell eng verwoben mit der Führungsebene des Rüstungsriesen EADS, unterstützt Waffenlieferungen – selbst an menschenrechtsverletzende Regime und kriegführende Staaten.
 
Beispielsweise erhalten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien Tankflugzeuge des Typs A330MRTT. Folgenschwer ist auch der Export von Militärhelikoptern, einem Bereich, in dem EADS/Eurocopter über die „weltweit größte Auswahl“ verfügt. So erhalten die brasilianischen Streitkräfte Hubschrauber der 11-Tonnen-Klasse des Typs EC725. Auch zukünftig sind Waffenexporte an Gewaltregime geplant: Malaysia soll Militärtransporter des Typs A400M erhalten. Die immense Zahl von 72 Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter/Typhoon soll an das menschenrechtsverletzende Regime in Saudi-Arabien exportiert werden.
 
„Code of Ethics“
 
Viele weitere Waffentransfers wären zu nennen. Für den Einsatz der Waffen bei Kriegen und Bürgerkriegen sind, neben der Bundesregierung, eben auch der Vorstand und der Aufsichtsrat von Daimler und EADS verantwortlich. Sie tragen Mitschuld an den Opfern des Einsatzes der Waffen auf den Schlachtfeldern in aller Welt.
 
Angesichts der real erfolgenden Rüstungsexporte wirkt der im Juli 2003 verabschiedete „Code of Ethics“ lächerlich, der die Vorstände dazu verpflichtet, „Fehlverhalten“ zu vermeiden und „ethisches Verhalten“ zu fördern. Man mag es kaum glauben, aber selbst die EADS-Führung erklärt die „Anwendung höchster moralischer Standards“ in ihrem Geschäftsbericht zur Grundlage ihres Handelns. Größer könnte die Diskrepanz zwischen dem Anspruch ethisch verantwortungsvollen Handelns und der Wirklichkeit einer völlig enthemmten Rüstungsexportpolitik der Kriegsprofiteure Daimler/EADS nicht sein.
 
Erfreulicherweise gelang es Monty Schädel, Paul Russmann und mir wiederholt, in der Hauptversammlung das Transparent „Stoppt Daimlers Rüstungsexporte!“ vor Medienvertretern und Aktionären zu präsentieren – begleitet von massiven Missmutsbekundungen von Vorständen und Aufsichtsräten und dem Abdrängen durch das Sicherheitspersonal.


"Wir kaufen keinen Mercedes!“

Ansonsten prägte die gewohnte Ignoranz das alljährliche Spektakel. Bei der Präsentation der neuen KAD-Studie zu den Waffengeschäften der TOGNUM AG in Friedrichshafen – deren Hauptversammlung findet im Übrigen am 18. Mai in Friedrichshafen statt – verweigerte der Vorstand nähere Auskünfte. Nicht anders bei Fragen zur EADS – obwohl Daimler größter Stimmrechtseigner beider Unternehmen ist. Kein Problem, denn die äußerst lesenswerte Tognum-Studie zeigt detailliert das Joint Venture mit dem chinesischen (!) Rüstungskonzern NORINCO und die zahlreichen Empfängerländer militärisch genutzter Motoren von TOGNUM-MTU. Darunter befinden sich Marineeinheiten zahlreicher Diktaturen und Scheindemokratien, die teilweise auch von NORINCO beliefert worden sind. (PK)
 
The EADS-show goes on: Am Dienstag, den 1. Juni 2010, findet ab 14.00 Uhr im Hotel Okura, Ferdinand Bolstraat 333 in 1072 Amsterdam, die Hauptversammlung der EADS N.V. statt. Bei dieser Zusammenkunft werden Vertreter der holländischen und deutschen Friedensbewegung mit der DFG-VK eine Protestaktion durchführen und unsere Kritik in Redebeiträgen äußern. Wer mehr zur EADS-Hauptversammlung wissen oder mitmachen will, melde sich per E-Mail j.graesslin@gmx.de oder telefonisch unter 0761-7678208.
 
Wichtige Websites siehe www.dfg-vk.de, www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de (siehe u.a. Studie zur TOGNUM AG), www.kritischeaktionaere.de, und www.juergengraesslin.com
 
Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der DFG-VK, Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungs-, Militär- und Wirtschaftspolitik.


Online-Flyer Nr. 247  vom 28.04.2010

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