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Inland
Konservative Denkfabrik CEP:
Merkels Bankenrettung verfassungswidrig
Von Daniel Neun
Im Gegenzug bekam er quasi die finanzielle Kontrolle über die EU-Mitgliedsstaaten, welche Gelder aus diesem „Fonds” bekommen sollten. Die Brüsseler Räte und Kommissare hatten im gleichen Zeitraum die Kontrolle über die Haushalte der Mitgliedsländer in Form einer „Wirtschaftsregierung” verlangt. Nun aber kommt der Staatsstreich von Finanzindustrie, IWF, Brüsseler Räten und Kommissaren gegen die Republik und alle anderen souveränen Mitgliedsstaaten des Verbundes „Europäische Union” offenbar langsam zum Stehen.
Finanzmärkte offenbar verfassungswidrig bedient
Die konservative „Welt” wartete heute mit einer, gerade von dieser Zeitung nicht erwarteten, verfassungsfreundlichen Meldung auf. Wie das Springer-Blatt berichtet, schätzt ein Gutachten des von der „Stiftung Ordnungspolitik” finanzierten „Centrum für Europäische Politik” (CEP) eine vom Brüsseler Regierungsrat am 11. Mai erlassene Verordnung über eine Bereitstellung von 500 Milliarden Euro für die Finanzmärkte als verfassungswidrig ein. Nicht genug damit: die Ratsverordnung ist offenbar sogar nach EU-Recht illegal.
In der Verordnung – per EU-Recht rechtswirksam in jedem einzelnen EU-Mitgliedsland – wurde die Kommission ermächtigt, bei Banken und Finanzindustrie Kredite aufzunehmen, also sich im Namen aller Mitgliedsländer zu verschulden. Dem Gutachten zufolge war die Behauptung des Obersten Regierungsrates („EU-Gipfel”) falsch, dass die Verordnung die Summe der Verschuldung durch die Kommission auf 60 Milliarden beschränke. Doch diese Beschränkung, so das Gutachten, gibt es in der Verordnung nicht. Auch die ganze Geltungsdauer der so gern weihnachtlich „Paket” genannten gigantischen Finanzoperation sei keinesfalls lediglich drei Jahre, so das Gutachten. Vielmehr gebe es überhaupt kein Zeitlimit.
Demokratur im Elfenbeinturm?: Brüssel
Foto: Hans-Dieter Hey
Das war schon mal der erste Klopfer. 27 Regierungen beschließen zusammen eine Verordnung. Anschließend belügen sie in 27 Staaten zusammen eine halbe Milliarde Menschen über deren Inhalt – mit Hilfe der einschlägigen Medien. Das Gutachten des CEP zerriss aber auch das rechtliche Konstrukt des Regierungsrates für die gigantische Finanzoperation in der Luft: die von den Regierungen in Brüssel als Begründung aufgeführten „außergewöhnliche Ereignisse” (Artikel 122 des durch den Lissabon-Vertrag veränderten „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union”, 2) hätten niemals stattgefunden. Die Finanznot der Mitgliedsländer sei absehbar und selbst verschuldet gewesen. Auch hätte das EU-Parlament der Verordnung zustimmen müssen. Das geschah ebenfalls nicht.
Stückwerk auf der ganzen Linie
Nun zum nächsten Punkt. Der „Fond” als gigantischer Tribut an Banken und Finanzindustrie durch die von ihren Mitgliedsstaaten finanzierte „Europäischen Union”, der angeblich zur „Rettung” einer Währung dienen sollte, die nun durch Banken und Finanzindustrie vollständig kontrolliert wird, war durch den Brüsseler Regierungsrat in zwei Teile aufgeteilt worden: ein Teil sollten vorgeblich die 60 Milliarden Euro darstellen, welche die Kommission sofort bei den Banken aufnehmen sollte, zur Bezahlung der Banken selbst, bei denen wiederum Mitgliedsländer verschuldet seien. 440 Milliarden Euro sollten direkt von den EU-Mitgliedsländern aufgebracht werden und 250 Milliarden Euro – zunächst hieß es 220 Milliarden – wollte der Internationale Währungsfonds beisteuern. Insgesamt handelte es sich um die gigantische Summe von 750.000.000.000 Euro.
Dieses Vorhaben repräsentierte einen finanziellen Staatsstreich gegen die Republik Deutschland, welche eins zu eins den Forderungen der Banken nach staatlicher Alimentierung und der Schaffung einer „Bad Bank”, beziehungsweise Soffin-Behörde, auf europäischer Ebene folgten.
Nachdem das deutsche Parlament am Freitag, dem 7. Mai und nur nach drei Tagen Debatte der Bundesregierung eine Finanzermächtigung der Bundesregierung in Höhe von 22,4 Milliarden Euro erteilt, der Bundesrat zugestimmt und ex-IWF-Präsident Horst Köhler unterschrieben hatte, eilte Merkel noch am gleichen Abend nach Brüssel. Den Freitag über hatten sich das Bundesfinanzministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU) mit den Finanzministerien in Washington, Ottawa, London, Paris, Rom und Tokio, sowie die „Europäische Zentralbank” (EZB) mit kommerziellen Banken in Telefonkonferenzen abgesprochen. Innerhalb von nur wenigen Stunden stellten dann alle Beteiligten den Deutschen eine weitere gigantische Summe in Rechnung. Bereits nach Freitag Mitternacht beschlossen EU-Regierungsrat und Kommission Eingriffe in die staatliche Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten und einen gigantischen Transfer von Staatsfinanzen in die Finanzindustrie.
Heimlichtuerei statt Aufklärung
In einer Erklärung der Bundesregierung vom Samstag, dem 8.Mai, waren die Ankündigungen noch vage. Von „massiven Unterstützungsmaßnahmen” für die Währung Euro war die Rede. Man wolle „Gemeinschaftsinstrumente” schaffen und eine „beschleunigte Haushaltskonsolidierung in unseren Mitgliedstaaten durchführen”. Für Sonntag, den 9. Mai, kündigte die Berliner Regierung eine Sondersitzung des Ecofin-Wirtschafts- und Finanzrates der EU-Minister an, der auf dieser Grundlage „spezifische Beschlüsse fassen” werde. Bereits zu diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Staats- und Regierungschefs in ihrem Aussagen zur Situation. Silvio Berlusconi, Ministerpräsident von Italien, sprach von einem „Ausnahmezustand”, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy von einer „Generalmobilmachung”. Der Frage eines Journalisten, auf welcher Rechtsgrundlage nun dieser „außerordentliche Notstand jetzt erreicht sei”, wich Merkel aus. Auch alle Sätze mit dem Begriff „Fonds” vermied die Kanzlerin. Dabei hatten explizit ihre Unterhändler während der dramatischen Beratung am Freitag sich für einen „Fonds” stark gemacht und gleichzeitig die Option Mitgliedsstaaten durch einen Euro-Bond zu helfen vehement bekämpft.
Parlament ausgehebelt?: Berlin
Foto: Jürgern Matern
Ebenso drangen die deutschen Regierungsvertreter auf einen neuen EU-Vertrag. Allerdings scheiterten sie damit an der Regierung Frankreichs. Mit der Einrichtung eines „Fonds” aber setzte sich Angela Merkel durch. Überall in der Presse war von einem „Notfallfonds” zu lesen, den der Brüsseler Regierungsrat beschlossen habe. Dennoch vermied die Koalition aus CDU und FDP fortan Konkretisierungen über diese „Fonds” verlauten zu lassen.
Am Montag, den 10.Mai, gaben Kanzlerin Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dann ein „beispielloses Paket” bekannt: neben Geldsummen des Internationalen Währungsfonds, die zu diesem Zeitpunkt noch mit 220 Milliarden Euro angegeben wurden, sollten 440 Milliarden Euro „durch Garantien der Mitgliedsstaaten an eine Zweckgesellschaft bereitgestellt” werden. Diese „Zweckgesellschaft” wurde durch die Bundesregierung nicht definiert.
Am Dienstag, den 11.Mai, legte EU-Kommissar Rehn im öffentlichen Feldzug nach. Offensichtlich versuchte man, die Republik in einer Art Blitzkrieg zu übertölpeln. Rehn forderte in einem Interview allen Ernstes die Kontrolle der Haushalte aller 27 EU-Mitgliedsländer durch die Brüsseler Räte und Kommissare aus den Staaten der Eurozone. Dies sei im Interesse aller, und sicher würden alle gern mitmachen, ein neuer EU-Vertrag sei gar nicht notwendig und „die Euro-Gruppe sehr weit davon entfernt, ein Diktator zu sein. Sie sollte endlich tun können, was wir schon lange predigen.”
Kanzlerin Merkel schaffte auch Kommissar Rehn noch zu toppen. Niemand habe vor, die Parlamente zu entmachten, auch wenn diese nichts mehr zu sagen hätten. Pressekonferenz der Kanzlerin am Mittwoch, dem 12.Mai: „Frage: Sind nicht die Vorschläge von Herrn Rehn so, dass die nationalen Parlamente entmachtet werden, wenn es einen permanenten Krisenmechanismus und eine Haushaltspolitik fernab der nationalen Parlamente geben soll?” Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Das muss man ja nicht gleich so interpretieren…Wenn die Parlamente wissen, wie die Stellungnahme des Kommissars bzw. der Kommission dazu ist, dann halte ich das für ein Mittel der Transparenz, das möglich ist, ohne dass den Beratungen im nationalen Parlament vorgegriffen wird.”
Merkel ignorierte Parlament, Deutsches Recht und EU-Recht
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, attestierten der Kanzlerin einen Verfassungsbruch, weil sie nach dem Abnicken der letzten Finanzermächtigung am 7.Mai und mit Zustimmung der Grünen nur Stunden später in Brüssel im EU-Regierungsrat die Geldforderungen an die eigene Bevölkerung durch neue Beschlüsse exponential steigerte, ohne vorher das Parlament überhaupt zu konsultieren. Trittin und Künast in ihrem Brief an die Kanzlerin: „Das Vorgehen der Bundesregierung verstieß damit gegen verfassungsrechtliche und einfach gesetzliche Vorgaben”. Am 21.Mai bewilligte dann das deutsche Parlament zur „Stabilisierung des Euro” eine Finanzermächtigung in Höhe von insgesamt 148 Milliarden Euro zugunsten einer nicht näher definierten Zweckgesellschaft, über die noch nicht einmal ein Vertrag vorlag. Die Bankenrepublik unterwirft sich damit erneut der Finanzindustrie.
Das war noch längst nicht alles. Laut dem Gutachten des konservativen think tank CEP verstieß das vom Bundestag am 21. Mai abgenickte Finanzermächtigungsgesetz auch gegen das Grundgesetz. Zwar stimmte das Berliner Parlament über den bis zu 148 Milliarden schweren Anteil Deutschlands am 440 Milliarden-Tribut der Mitgliedsländer ab, nicht aber über die vermeintlichen 60 Milliarden Euro schwere Kreditermächtigung an die Kommissare. Diese stellt nun dem Gutachten zufolge ein Milliardengrab ohne Boden dar. Sämtliche Bundestagsparteien, CDU, SPD, FDP, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, sie alle schwiegen zu den Hintergründen dieses finanzielle Ermächtigungsgesetzes. Auch der vorher erfolgten EU-Verordnung attestierte das „Centrum für Europäische Politik” Illegalität nach dem EU-Recht.
Am Sonntag, dem 9. Mai tagte der Finanz- und Wirtschaftsrat Ecofin mit Innenminister Thomas de Maiziere als Vertretung für Wolfgang Schäuble. Ecofin folgte den Vorgaben, die Angela Merkel bereits am Abend des 7.Mai zusammen mit dem Regierungsrat in Brüssel beschlossen hatte – nur Stunden nachdem sie vorher die ersten 22,4 Milliarden Euro „Griechenland-Hilfe” vom Bundestag abgenickt bekam.
Die Verordnung des Europäischen Regierungsrates erfolgte am 11. Mai. Und nun steht eine Fragen im Raum. Wer war eigentlich der Urheber dieser Verordnung und wann trat sie in Kraft?
Hatten die Abgeordneten des deutschen Parlaments überhaupt Kenntnis davon? Die Bundesregierung ist dem Parlament gegenüber informationspflichtig, vor allem was Verordnungen angeht, die in den EU-Ländern zu Gesetzen werden müssen. Wenn also die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, nicht vorher über die EU-Verordnung informiert worden waren, dann mussten sie entsprechend ihrer parlamentarischen Pflichten doch wenigstens im Nachhinein sich über den genauen Wortlaut der Verordnung des Regierungsrates informiert haben. Das gilt gleichermaßen für alle anderen Bundestagsabgeordneten.
Wer hat also die deutsche Öffentlichkeit belogen? Wer hat zu Lasten von Generationen diesen Staat zugunsten der Banken beraubt? Und wer hat Beihilfe dazu geleistet? Diese Fragen müssen durch die Justiz endlich geklärt werden – und zwar bald. Nicht nur die 27 Regierungen der EU-Mitgliedsländer, nicht nur die Brüsseler Kommissare, nicht nur die Bundesregierung mit ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern vor allem und in erster Linie die Abgeordneten des deutschen Parlamentes haben den Bürgerinnen und Bürgern inzwischen viel zu erklären. (HDH)
Online-Flyer Nr. 257 vom 07.07.2010
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Inland
Konservative Denkfabrik CEP:
Merkels Bankenrettung verfassungswidrig
Von Daniel Neun
Im Gegenzug bekam er quasi die finanzielle Kontrolle über die EU-Mitgliedsstaaten, welche Gelder aus diesem „Fonds” bekommen sollten. Die Brüsseler Räte und Kommissare hatten im gleichen Zeitraum die Kontrolle über die Haushalte der Mitgliedsländer in Form einer „Wirtschaftsregierung” verlangt. Nun aber kommt der Staatsstreich von Finanzindustrie, IWF, Brüsseler Räten und Kommissaren gegen die Republik und alle anderen souveränen Mitgliedsstaaten des Verbundes „Europäische Union” offenbar langsam zum Stehen.
Finanzmärkte offenbar verfassungswidrig bedient
Die konservative „Welt” wartete heute mit einer, gerade von dieser Zeitung nicht erwarteten, verfassungsfreundlichen Meldung auf. Wie das Springer-Blatt berichtet, schätzt ein Gutachten des von der „Stiftung Ordnungspolitik” finanzierten „Centrum für Europäische Politik” (CEP) eine vom Brüsseler Regierungsrat am 11. Mai erlassene Verordnung über eine Bereitstellung von 500 Milliarden Euro für die Finanzmärkte als verfassungswidrig ein. Nicht genug damit: die Ratsverordnung ist offenbar sogar nach EU-Recht illegal.
In der Verordnung – per EU-Recht rechtswirksam in jedem einzelnen EU-Mitgliedsland – wurde die Kommission ermächtigt, bei Banken und Finanzindustrie Kredite aufzunehmen, also sich im Namen aller Mitgliedsländer zu verschulden. Dem Gutachten zufolge war die Behauptung des Obersten Regierungsrates („EU-Gipfel”) falsch, dass die Verordnung die Summe der Verschuldung durch die Kommission auf 60 Milliarden beschränke. Doch diese Beschränkung, so das Gutachten, gibt es in der Verordnung nicht. Auch die ganze Geltungsdauer der so gern weihnachtlich „Paket” genannten gigantischen Finanzoperation sei keinesfalls lediglich drei Jahre, so das Gutachten. Vielmehr gebe es überhaupt kein Zeitlimit.
Demokratur im Elfenbeinturm?: Brüssel
Foto: Hans-Dieter Hey
Das war schon mal der erste Klopfer. 27 Regierungen beschließen zusammen eine Verordnung. Anschließend belügen sie in 27 Staaten zusammen eine halbe Milliarde Menschen über deren Inhalt – mit Hilfe der einschlägigen Medien. Das Gutachten des CEP zerriss aber auch das rechtliche Konstrukt des Regierungsrates für die gigantische Finanzoperation in der Luft: die von den Regierungen in Brüssel als Begründung aufgeführten „außergewöhnliche Ereignisse” (Artikel 122 des durch den Lissabon-Vertrag veränderten „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union”, 2) hätten niemals stattgefunden. Die Finanznot der Mitgliedsländer sei absehbar und selbst verschuldet gewesen. Auch hätte das EU-Parlament der Verordnung zustimmen müssen. Das geschah ebenfalls nicht.
Stückwerk auf der ganzen Linie
Nun zum nächsten Punkt. Der „Fond” als gigantischer Tribut an Banken und Finanzindustrie durch die von ihren Mitgliedsstaaten finanzierte „Europäischen Union”, der angeblich zur „Rettung” einer Währung dienen sollte, die nun durch Banken und Finanzindustrie vollständig kontrolliert wird, war durch den Brüsseler Regierungsrat in zwei Teile aufgeteilt worden: ein Teil sollten vorgeblich die 60 Milliarden Euro darstellen, welche die Kommission sofort bei den Banken aufnehmen sollte, zur Bezahlung der Banken selbst, bei denen wiederum Mitgliedsländer verschuldet seien. 440 Milliarden Euro sollten direkt von den EU-Mitgliedsländern aufgebracht werden und 250 Milliarden Euro – zunächst hieß es 220 Milliarden – wollte der Internationale Währungsfonds beisteuern. Insgesamt handelte es sich um die gigantische Summe von 750.000.000.000 Euro.
Dieses Vorhaben repräsentierte einen finanziellen Staatsstreich gegen die Republik Deutschland, welche eins zu eins den Forderungen der Banken nach staatlicher Alimentierung und der Schaffung einer „Bad Bank”, beziehungsweise Soffin-Behörde, auf europäischer Ebene folgten.
Nachdem das deutsche Parlament am Freitag, dem 7. Mai und nur nach drei Tagen Debatte der Bundesregierung eine Finanzermächtigung der Bundesregierung in Höhe von 22,4 Milliarden Euro erteilt, der Bundesrat zugestimmt und ex-IWF-Präsident Horst Köhler unterschrieben hatte, eilte Merkel noch am gleichen Abend nach Brüssel. Den Freitag über hatten sich das Bundesfinanzministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU) mit den Finanzministerien in Washington, Ottawa, London, Paris, Rom und Tokio, sowie die „Europäische Zentralbank” (EZB) mit kommerziellen Banken in Telefonkonferenzen abgesprochen. Innerhalb von nur wenigen Stunden stellten dann alle Beteiligten den Deutschen eine weitere gigantische Summe in Rechnung. Bereits nach Freitag Mitternacht beschlossen EU-Regierungsrat und Kommission Eingriffe in die staatliche Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten und einen gigantischen Transfer von Staatsfinanzen in die Finanzindustrie.
Heimlichtuerei statt Aufklärung
In einer Erklärung der Bundesregierung vom Samstag, dem 8.Mai, waren die Ankündigungen noch vage. Von „massiven Unterstützungsmaßnahmen” für die Währung Euro war die Rede. Man wolle „Gemeinschaftsinstrumente” schaffen und eine „beschleunigte Haushaltskonsolidierung in unseren Mitgliedstaaten durchführen”. Für Sonntag, den 9. Mai, kündigte die Berliner Regierung eine Sondersitzung des Ecofin-Wirtschafts- und Finanzrates der EU-Minister an, der auf dieser Grundlage „spezifische Beschlüsse fassen” werde. Bereits zu diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Staats- und Regierungschefs in ihrem Aussagen zur Situation. Silvio Berlusconi, Ministerpräsident von Italien, sprach von einem „Ausnahmezustand”, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy von einer „Generalmobilmachung”. Der Frage eines Journalisten, auf welcher Rechtsgrundlage nun dieser „außerordentliche Notstand jetzt erreicht sei”, wich Merkel aus. Auch alle Sätze mit dem Begriff „Fonds” vermied die Kanzlerin. Dabei hatten explizit ihre Unterhändler während der dramatischen Beratung am Freitag sich für einen „Fonds” stark gemacht und gleichzeitig die Option Mitgliedsstaaten durch einen Euro-Bond zu helfen vehement bekämpft.
Parlament ausgehebelt?: Berlin
Foto: Jürgern Matern
Ebenso drangen die deutschen Regierungsvertreter auf einen neuen EU-Vertrag. Allerdings scheiterten sie damit an der Regierung Frankreichs. Mit der Einrichtung eines „Fonds” aber setzte sich Angela Merkel durch. Überall in der Presse war von einem „Notfallfonds” zu lesen, den der Brüsseler Regierungsrat beschlossen habe. Dennoch vermied die Koalition aus CDU und FDP fortan Konkretisierungen über diese „Fonds” verlauten zu lassen.
Am Montag, den 10.Mai, gaben Kanzlerin Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dann ein „beispielloses Paket” bekannt: neben Geldsummen des Internationalen Währungsfonds, die zu diesem Zeitpunkt noch mit 220 Milliarden Euro angegeben wurden, sollten 440 Milliarden Euro „durch Garantien der Mitgliedsstaaten an eine Zweckgesellschaft bereitgestellt” werden. Diese „Zweckgesellschaft” wurde durch die Bundesregierung nicht definiert.
Am Dienstag, den 11.Mai, legte EU-Kommissar Rehn im öffentlichen Feldzug nach. Offensichtlich versuchte man, die Republik in einer Art Blitzkrieg zu übertölpeln. Rehn forderte in einem Interview allen Ernstes die Kontrolle der Haushalte aller 27 EU-Mitgliedsländer durch die Brüsseler Räte und Kommissare aus den Staaten der Eurozone. Dies sei im Interesse aller, und sicher würden alle gern mitmachen, ein neuer EU-Vertrag sei gar nicht notwendig und „die Euro-Gruppe sehr weit davon entfernt, ein Diktator zu sein. Sie sollte endlich tun können, was wir schon lange predigen.”
Kanzlerin Merkel schaffte auch Kommissar Rehn noch zu toppen. Niemand habe vor, die Parlamente zu entmachten, auch wenn diese nichts mehr zu sagen hätten. Pressekonferenz der Kanzlerin am Mittwoch, dem 12.Mai: „Frage: Sind nicht die Vorschläge von Herrn Rehn so, dass die nationalen Parlamente entmachtet werden, wenn es einen permanenten Krisenmechanismus und eine Haushaltspolitik fernab der nationalen Parlamente geben soll?” Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Das muss man ja nicht gleich so interpretieren…Wenn die Parlamente wissen, wie die Stellungnahme des Kommissars bzw. der Kommission dazu ist, dann halte ich das für ein Mittel der Transparenz, das möglich ist, ohne dass den Beratungen im nationalen Parlament vorgegriffen wird.”
Merkel ignorierte Parlament, Deutsches Recht und EU-Recht
Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, attestierten der Kanzlerin einen Verfassungsbruch, weil sie nach dem Abnicken der letzten Finanzermächtigung am 7.Mai und mit Zustimmung der Grünen nur Stunden später in Brüssel im EU-Regierungsrat die Geldforderungen an die eigene Bevölkerung durch neue Beschlüsse exponential steigerte, ohne vorher das Parlament überhaupt zu konsultieren. Trittin und Künast in ihrem Brief an die Kanzlerin: „Das Vorgehen der Bundesregierung verstieß damit gegen verfassungsrechtliche und einfach gesetzliche Vorgaben”. Am 21.Mai bewilligte dann das deutsche Parlament zur „Stabilisierung des Euro” eine Finanzermächtigung in Höhe von insgesamt 148 Milliarden Euro zugunsten einer nicht näher definierten Zweckgesellschaft, über die noch nicht einmal ein Vertrag vorlag. Die Bankenrepublik unterwirft sich damit erneut der Finanzindustrie.
Das war noch längst nicht alles. Laut dem Gutachten des konservativen think tank CEP verstieß das vom Bundestag am 21. Mai abgenickte Finanzermächtigungsgesetz auch gegen das Grundgesetz. Zwar stimmte das Berliner Parlament über den bis zu 148 Milliarden schweren Anteil Deutschlands am 440 Milliarden-Tribut der Mitgliedsländer ab, nicht aber über die vermeintlichen 60 Milliarden Euro schwere Kreditermächtigung an die Kommissare. Diese stellt nun dem Gutachten zufolge ein Milliardengrab ohne Boden dar. Sämtliche Bundestagsparteien, CDU, SPD, FDP, CSU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, sie alle schwiegen zu den Hintergründen dieses finanzielle Ermächtigungsgesetzes. Auch der vorher erfolgten EU-Verordnung attestierte das „Centrum für Europäische Politik” Illegalität nach dem EU-Recht.
Am Sonntag, dem 9. Mai tagte der Finanz- und Wirtschaftsrat Ecofin mit Innenminister Thomas de Maiziere als Vertretung für Wolfgang Schäuble. Ecofin folgte den Vorgaben, die Angela Merkel bereits am Abend des 7.Mai zusammen mit dem Regierungsrat in Brüssel beschlossen hatte – nur Stunden nachdem sie vorher die ersten 22,4 Milliarden Euro „Griechenland-Hilfe” vom Bundestag abgenickt bekam.
Die Verordnung des Europäischen Regierungsrates erfolgte am 11. Mai. Und nun steht eine Fragen im Raum. Wer war eigentlich der Urheber dieser Verordnung und wann trat sie in Kraft?
Hatten die Abgeordneten des deutschen Parlaments überhaupt Kenntnis davon? Die Bundesregierung ist dem Parlament gegenüber informationspflichtig, vor allem was Verordnungen angeht, die in den EU-Ländern zu Gesetzen werden müssen. Wenn also die Fraktionsvorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, nicht vorher über die EU-Verordnung informiert worden waren, dann mussten sie entsprechend ihrer parlamentarischen Pflichten doch wenigstens im Nachhinein sich über den genauen Wortlaut der Verordnung des Regierungsrates informiert haben. Das gilt gleichermaßen für alle anderen Bundestagsabgeordneten.
Wer hat also die deutsche Öffentlichkeit belogen? Wer hat zu Lasten von Generationen diesen Staat zugunsten der Banken beraubt? Und wer hat Beihilfe dazu geleistet? Diese Fragen müssen durch die Justiz endlich geklärt werden – und zwar bald. Nicht nur die 27 Regierungen der EU-Mitgliedsländer, nicht nur die Brüsseler Kommissare, nicht nur die Bundesregierung mit ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern vor allem und in erster Linie die Abgeordneten des deutschen Parlamentes haben den Bürgerinnen und Bürgern inzwischen viel zu erklären. (HDH)
Online-Flyer Nr. 257 vom 07.07.2010
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