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Lokales
Kommunen wie Mülheim fürchten wegen RWE-Plänen um ihre Gewerbesteuer
Es knirscht und kracht im Gebälk!
Von Lothar Reinhard und Peter Kleinert

RWE-Chef Jürgen Großmann kommt aus Mülheim/Ruhr, das neben Dortmund und Essen weiter der größte kommunale Aktionär des Essener Energiekonzerns geblieben ist, der Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Mülheimer Stahlbaron Stinnes gegründet wurde. Dementsprechend sitzt die Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld auch im erlauchten RWE-Aufsichtsrat, was bei ca. vier Sitzungen pro Jahr an die 200.000 Euro Sitzungsgelder einbringt, die einem “Minutenlohn“ von mindestens 2.000 € (in Worten zweitausend pro Minute) entsprechen.


200.000 Euro für Duisburgs OB Dagmar
Mühlenfeld | NRhZ-Archiv
Auch Großmann verdiente 2009 - unabhängig von den Aktienanteilen als „Lohn“bestandteil - 9,162 Mio. € Bares (sogenannte „kurzfristige“ Vergütung). Damit liegt er an zweiter Stelle der deutschen Top-Manager im Vergleich zu den Angestellten-Gehältern. Großmann verdiente damit (nur an dieser „kurzfristigen“ Vergütung) 141-mal so viel wie der Durchschnitts-RWE-ler. Nur VW-Chef Winterkorn liegt mit dem 152-fachen darüber. BMW-Chef Reithofer erhielt „nur“ das 38-fache, und der Durchschnitt aller DAX-Vorstände ist vom 81-fachen im Jahr 2008 auf „nur“ noch das 69-fache in 2009 gesunken - aufgrund der Finanzkrise. (Zahlen aus dem WAZ-Artikel „DAX-Vorstände kriegen 69-mal mehr als Mitarbeiter“ vom 18. Juli)
 

9,162 Millionen Euro für RWE-Chef
Jürgen Großmann | NRhZ-Archiv
Großverdiener Großmann hatte erst bis Ende 2009 den Konzern völlig umstrukturiert und die neue Holding auf über 800 Köpfe mehr als verdoppelt, um ein Jahr später wieder alles umzustrukturieren und die Zahl der Köpfe zu halbieren. Doch egal. Spannender ist sein offensichtlich anstehender Konflikt mit den RWE- Kommunen. Die fürchten um Geld und vor allem um Aufsichts-ratspöstchen. Dabei sind die beiden anderen „kommunalen“ Aufsichtsräte neben Dagmar Mühlenfeld nicht einmal mehr OBs! Weder Wolfgang Reiniger (CDU), von 1999 bis 2009 Oberbürgermeister der Stadt Essen, abgelöst von Reinhard Paß (SPD), noch Dr. Gerhard Langemeyer, zehn Jahre SPD-Oberbürgermeister von Dortmund, haben die lukrativen RWE-Pöstchen geräumt, obwohl beide vor einem Jahr nicht einmal zur Wahl antraten bzw. nicht mehr antreten durften. Das kann ja heiter werden, wenn noch dieses Jahr die RWE-Aufsichtsräte neu und anders besetzt werden. Da fürchtet wohl auch Frau Dagmar um ihren Sitz.
 
RWE-Modellstadt
 
Dabei kann die Frau OB-MH so gut mit Herrn Großmann, dass sie Mülheim sogar als RWE-Modellstadt u.a. für smart meter (den „intelligenten“ Stromzähler) und für e-mobility kürte. Vor kurzem stellte Großmann zusammen mit einem der vielen anderen Mülheimer Spitzenfunktionäre, einem Herrn Meyer (Bundesvorsitzender des ADAC), das 1. RWE-Elektroauto an der RWE-Aufladestation an der neuen ADAC-Zentrale in MH-Dümpten vor. (Medien-Titel: „Zwei Freunde fürs Leben“). Siehe den NRhZ-Artikel „Wie RWE und OB Dagmar Mühlenfeld sich wieder einmal blamierten - Mühlheim Modellstadt beim Stromsparen?!?“ (http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14858).
 
Die selbsternannte „Klimastadt“ Mülheim (Zusatz auf fast allen Ortsschildern) ist fast die einzige Großstadt ohne Stadtwerke und hat bundesweit immer noch mit den höchsten Anteil an Nachtspeicherheizungen, d.h. also RWE-Zwangskunden! Und sie ist auch in etlichen anderen Bereichen (noch) fest im Griff des RWE. Damit das auf fast-Ewigkeit so bleiben soll, sollten im Husarenstreich mal so eben vor den Ferien die Weichen gestellt werden, damit RWE vier Jahre vor Auslaufen des Vertrages die Stromkonzession bereits um 20 Jahre verlängern kann. Mehr unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15405
 
Und weil es so schön ist, soll das RWE nach den Ferien dann auch noch die Rhenag-Anteile der Mülheimer Gas- und Fernwärmegesellschaft medl (51% Stadt) selbst übernehmen. Bedenkt man auch noch Großmanns große Pläne mit Europa AG und Deutschland AG, über die man in der WAZ vom 20.Juni erfährt, ergibt das alles einen ganz anderen Sinn. Wie sagt in diesem WAZ-Artikel ein ungenannter „Spitzenfunktionär“: „Der Vor-Ort-Handel über die kommunalen Strom-Konzessionen ist immer noch das Brot- und Butter-Geschäft“
 
Rekommunalisierung notwendig
 
Also: Lassen wir besser nicht zu, dass die Aufsichtsrätin unsere Stadt ganz an den Mutterkonzern verhökert. Rekommunalisierung ist umso wichtiger, je mehr RWE, Eon & Co. sich noch weiter globalisieren! Und das muss auch für Mülheim oder Essen gelten. Und je  mehr die Zukunft des RWE ungewiss ist, desto weniger sollten vorab-Verträge auf 20 Jahre abgeschlossen werden und auch keine Umstruktierungen etwa der medl oder bei den Karnap-Verträgen zur Müllverbrennung ohne Not von der Stadt mitgespielt werden.
 
Die neue Landesregierung unter Führung einer weiteren Mülheimer Spitzenkraft hat sich ja die Stärkung von Stadtwerken und die Ablehnung der Laufzeitverlängerung von AKWs auf die Fahnen geschrieben. Da wird sich Hannlore Kraft automatisch mit dem RWE, aber auch mit ihrer Heimat-SPD anlegen müssen! Wenn Großmanns Pläne sich durchsetzen, wird man in überschuldeten Städten wie Mülheim, Essen und Dortmund auch den Verkauf der RWE-Aktien ganz neu ins Auge fassen müssen! Ach ja: Das RWE erhöhte vor kurzem die Strompreise ohne erkennbare Notwendigkeit!
 
RWE-Holding von Essen nach London?
 
In dem oben vom Fraktionssprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen, Lothar Reinhard erwähnten WAZ-Artikel erfahren deren Leser unter der Überschrift „Städte wehren sich gegen Großmanns RWE-Pläne“, dass aufgrund der geplanten Aufteilung des RWE in eine Europa-Holding und eine Deutschland AG Politiker in einigen Kommunen um ihren Einfluss bangen und protestieren. Der Grund: „Bereits im September will Konzernchef Jürgen Großmann seinem Aufsichtsrat ein Konzept für die neue Struktur vorlegen, wie diese Zeitung aus RWE-Kreisen erfuhr. Eine Entscheidung solle zeitnah erfolgen“, heißt es in dem Artikel. „Aus dem inneren Führungskreis“ des RWE habe man „erfahren, dass es darum geht, alle nationalen Aktivitäten in einer Deutschland AG zu bündeln. Gleichzeitig soll das übergeordnete internationale Geschäft in einer nach EU-Recht neu gegründeten Societas Europaea (SE) aufgehen. Ziel sei es, RWE im internationalen Geschäft zu stärken, Übernahmen auch durch Aktientausch zu vereinfachen und neue Geschäfte in Europa bei strafferen Strukturen schneller umzusetzen“. Es werde „sogar darüber nachgedacht, die neue RWE-Holding von Essen ins Ausland zu verlegen, etwa in eine Finanzmetropole wie London“.
 
Angesichts solcher Konzentrationspläne des Konzerns, durch die die zurzeit noch in vielen Städten anfallenden Gewerbesteuern natürlich wegfallen würden, schlägt auf der Internetseite der WAZ deren Leser lowbas.neu am 21.07.2010 um 08:13Uhr vor: „Die Kommunen sollten angesichts leerer Kassen ihre RWE-Anteile veräußern, und sich nach einem günstigeren Stromlieferanten umschauen. DAS würde den Markt beleben. Auch wenn dann das ein o. andere Bürgermeisterchen sein gut dotiertes Pöstchen im Konzern abgeben, und auf die ein o. andere "Informationsreise" verzichten muß.“ (PK)


Online-Flyer Nr. 260  vom 28.07.2010

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