SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Lokales
Süd-Nord-Projekt im Rahmen des ASA-Programms
Frauenhandel in Usbekistan
Von Hans-Dieter Hey
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Nigora stammt aus Usbekistan und wurde 2004 mit Versprechungen nach Dubai gelockt. Dabei hatte sie sich nur ein besseres Leben gewünscht. Denn in Usbekistan ist die wirtschaftliche Lage nach dem Auseinanderfall der Sowjetunion viel schwieriger geworden. So schwierig, dass ein menschenwürdiges Überleben kaum gesichert ist. Deutsche Welle Radio berichtete darüber, dass deshalb immer mehr UsbekInnen das despotisch geführte Land über die Transitländer Kasachstan und Weißrussland verlassen. Kein Wunder, dass sich Frauen auf Zeitungsanzeigen für einen Job als Fabrikarbeiterin, Haushälterin oder Kellnerin in andere Länder bewerben. Durch einen halbjährigen Arbeitsaufenthalt im Ausland kann man zwei Jahre Existenz in Usbekistan absichern. Für Nigora war der Traum schnell zu Ende. Statt als Haushälterin zu arbeiten, wurde sie zur Prostitution gezwungen. (1)
Wie dies weltweit funktioniert, beschreibt das Bundeskriminalamt: "Den Frauen wurden überwiegend enorme Verdienstmöglichkeiten und selbstbestimmtes Arbeiten in Aussicht gestellt. Verschwiegen wurde die Tatsache, dass zunächst ein hoher fiktiver Schuldenberg (Pass- und Visa-Beschaffung, Reisekosten, Unterbringung und Verpflegung etc.) zu Gunsten der Täter abzuarbeiten ist. Durch diese Vorgehensweise wird ganz gezielt ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen. Teilweise wurden die Opfer nach Rückkehr in ihre Heimat mit diesen vermeintlichen Schulden konfrontiert, so dass eine erneute Prostitutionsaufnahme im Ausland als einziger Ausweg gesehen wurde." (2)
Frauenhandel liegt vor, "wenn Frauen mittels Täuschung, Drohungen, Gewaltanwendung angeworben werden und im Zielland zur Aufnahme und Fortsetzung von Dienstleitungen und Tätigkeiten gebracht oder gezwungen werden, die ausbeuterisch oder sklavenähnlich sind, d.h. ihre verbrieften Menschenrechte verletzt werden. Zur Erfüllung des Tatbestands Frauenhandel sind Nötigung, Zwang und Täuschung als Kernelemente notwendig. Der Zwang kann verschiedene Formen annehmen. Er kann durch direkte physische Gewalt oder durch Androhung derselben, Erpressung, unrechtmäßiges Einbehalten von Dokumenten und verdientem Geld, Raub, Isolation und Betrug ausgeübt werden. Auch das Ausnutzen einer hilflosen Lage, der Autoritätsmissbrauch und die Schuldknechtschaft sind Formen des Zwangs." - So die Definition des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V., kurz KOK e.V. in Potsdam.(3)
Monika Kozaczka nebst usbekischer Kollegin
Foto: Hans-Dieter Hey
So wie Nigora geht es vielen Frauen aus Usbekistan, die vor allem in arabische Länder oder nach Thailand gehandelt werden. Viele können später nie mehr in ihre Familien zurückkehren.
Hilfe zur Selbsthilfe
Um diesen Frauen zu helfen, wurde in Taschkent vor fünf Jahren die Organisation Istiqbolli Avlod (Generation Zukunft) gegründet, die im Bereich der Bekämpfung von Menschenhandel und HIV/AIDS-Prävention unter SexarbeiterInnen in Usbekistan tätig ist. In mittlerweile elf Städten Usbekistans können die MitarbeiterInnen betroffenen Frauen und deren Angehörigen im Rückführungsprozess helfen, die psychologische und juristische Nachbetreuung sicher stellen oder diese bei der beruflichen und sozialen Reintegration unterstützen. Viele Frauen haben mit Stigmatisierung zu kämpfen und müssen gleichzeitig lernen, ihre Traumata zu bearbeiten. Um diese Situation zu verbessern, betreibt Istiqbolli Avlod eine rege Präventionsarbeit auf verschiedenen Ebenen: es gibt Seminare zur Sensibilisierung für Jugendliche, Ordnungsbehörden und Juristen, runde Tische mit Regierungsvertretern, um die Gesetze diesbezüglich zu reformieren, regelmäßige Kampagnen, um die breite Öffentlichkeit zu informieren, sowie eine kostenlose, landesweite Beratungs-Hotline, die von Betroffenen, Angehörigen und Ausreisewilligen anonym angerufen werden kann.
Durch ein entwicklungspolitisches Projekt im Rahmen des ASA-Programms von InWEnt entstand der Kontakt zwischen Istiqbolli Avlod und dem Sozialdienst katholischer Frauen e.V. (SkF), dem Frauen- und Fachverband der Caritas, dessen spezifische Angebote sich an Frauen richten, deren Lebenschancen nachhaltig beeinträchtigt sind. Zu einem der Schwerpunkte gehört die Arbeit mit und die Unterstützung von Frauen, die der Prostitution nachgehen.
Mit der finanziellen Unterstützung der Stiftung West-östliche Begegnungen und der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung wurde ein zweimonatiger Hospitations-Aufenthalt für zwei Mitarbeiterinnen von Istiqbolli Avlod in Köln ermöglicht. Ziele dieses Aufenthaltes sind der fachliche Austausch der usbekischen Mitarbeiterinnen,
Nazifa Trimanova* und Shaklo Kismarova*, mit Organisationen, die zu den Themen Frauenhandel und/oder Prostitution arbeiten sowie eine rege Öffentlichkeitsarbeit, um auf diese Problematik und die schwierige politische Situation in Usbekistan aufmerksam zu machen.
UsbekistanVortrag beim IFZ
Foto: Hans-Dieter Hey
Monika Kozaczka (SkF Köln): "Der Austausch mit NGO´s aus den Herkunftsländern der nach Westeuropa gehandelten Frauen ist sehr aufschlussreich und für die Arbeit von großem Nutzen. Zwar gibt es kaum Frauen, die aus Usbekistan nach Westeuropa gehandelt werden und somit auch in Deutschland als Betroffene ankommen, aber als GUS-Staat hat Usbekistan mit den für die Transformation typischen Problemen zu kämpfen wie Arbeitslosigkeit, Strukturwandel, Korruption und einem zunehmenden Menschenhandel. Politisch ist Usbekistan sehr isoliert und wird sehr repressiv regiert - es gibt keine politische Opposition , keine unabhängige Presse, und die Todesstrafe wird immer noch praktiziert. Die Bekämpfung des Menschenhandels ist unter diesen Bedingungen ein risikoreiches Unterfangen, welches die IA-MitarbeiterInnen bisher mit enormen Engagement und Mut erfolgreich bewältigt haben."
Die Lage der NGO´s verschlechtert sich dramatisch mit jedem Tag - oft werden die Arbeitsbedingungen von der Regierung so erschwert, dass viele gezwungen sind, aufzugeben - darunter v.a. NGO´s, die sich für die Belange der Frauen einsetzten. "Das Wahrgenommen werden im Ausland, schützt die NGO´s nicht davor, dass ihnen möglicherweise die Einstellung ihrer Aktivitäten "nahegelegt" wird", meint Monika Kozaczka, "aber der Kontakt eröffnet neue Möglichkeiten und gibt Zuversicht - auf beiden Seiten." Nazifa sagt: "Es sind immer die kleinen praktischen Dinge, die den Erfolg ausmachen, z.B. eine neue Methode, die wir in unserer Präventionsseminaren anwenden können o.ä., sowie das Kennenlernen von so vielen verschiedenen Ansätzen und Ideen, die wir in für unsere Arbeit in Usbekistan anpassen können." Shaklo ergänzt anschließend, dass es vor allem der persönliche, intensive Kontakt sei, der einen fruchtbaren Austausch ermöglicht und Vorurteile abbaut.
Der nächste Schritt des Projektes ist eine Hospitation der deutschen Projektteilnehmerinnen bei Istiqbolli Avlod in Usbekistan mit dem Ziel die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse umzusetzen.
Eine Fortsetzung folgt
* Namen geändert
Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln www.skf-koeln.de
InWEnt gGmbH www.inwent.org
Nordrhein-Westfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung www.sue-nrw.de
Stitung West-Östliche Begegnungen www.stiftung-woeb.de
Online-Flyer Nr. 48 vom 14.06.2006
Druckversion
Lokales
Süd-Nord-Projekt im Rahmen des ASA-Programms
Frauenhandel in Usbekistan
Von Hans-Dieter Hey
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Nigora stammt aus Usbekistan und wurde 2004 mit Versprechungen nach Dubai gelockt. Dabei hatte sie sich nur ein besseres Leben gewünscht. Denn in Usbekistan ist die wirtschaftliche Lage nach dem Auseinanderfall der Sowjetunion viel schwieriger geworden. So schwierig, dass ein menschenwürdiges Überleben kaum gesichert ist. Deutsche Welle Radio berichtete darüber, dass deshalb immer mehr UsbekInnen das despotisch geführte Land über die Transitländer Kasachstan und Weißrussland verlassen. Kein Wunder, dass sich Frauen auf Zeitungsanzeigen für einen Job als Fabrikarbeiterin, Haushälterin oder Kellnerin in andere Länder bewerben. Durch einen halbjährigen Arbeitsaufenthalt im Ausland kann man zwei Jahre Existenz in Usbekistan absichern. Für Nigora war der Traum schnell zu Ende. Statt als Haushälterin zu arbeiten, wurde sie zur Prostitution gezwungen. (1)
Wie dies weltweit funktioniert, beschreibt das Bundeskriminalamt: "Den Frauen wurden überwiegend enorme Verdienstmöglichkeiten und selbstbestimmtes Arbeiten in Aussicht gestellt. Verschwiegen wurde die Tatsache, dass zunächst ein hoher fiktiver Schuldenberg (Pass- und Visa-Beschaffung, Reisekosten, Unterbringung und Verpflegung etc.) zu Gunsten der Täter abzuarbeiten ist. Durch diese Vorgehensweise wird ganz gezielt ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen. Teilweise wurden die Opfer nach Rückkehr in ihre Heimat mit diesen vermeintlichen Schulden konfrontiert, so dass eine erneute Prostitutionsaufnahme im Ausland als einziger Ausweg gesehen wurde." (2)
Frauenhandel liegt vor, "wenn Frauen mittels Täuschung, Drohungen, Gewaltanwendung angeworben werden und im Zielland zur Aufnahme und Fortsetzung von Dienstleitungen und Tätigkeiten gebracht oder gezwungen werden, die ausbeuterisch oder sklavenähnlich sind, d.h. ihre verbrieften Menschenrechte verletzt werden. Zur Erfüllung des Tatbestands Frauenhandel sind Nötigung, Zwang und Täuschung als Kernelemente notwendig. Der Zwang kann verschiedene Formen annehmen. Er kann durch direkte physische Gewalt oder durch Androhung derselben, Erpressung, unrechtmäßiges Einbehalten von Dokumenten und verdientem Geld, Raub, Isolation und Betrug ausgeübt werden. Auch das Ausnutzen einer hilflosen Lage, der Autoritätsmissbrauch und die Schuldknechtschaft sind Formen des Zwangs." - So die Definition des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V., kurz KOK e.V. in Potsdam.(3)
Monika Kozaczka nebst usbekischer Kollegin
Foto: Hans-Dieter Hey
So wie Nigora geht es vielen Frauen aus Usbekistan, die vor allem in arabische Länder oder nach Thailand gehandelt werden. Viele können später nie mehr in ihre Familien zurückkehren.
Hilfe zur Selbsthilfe
Um diesen Frauen zu helfen, wurde in Taschkent vor fünf Jahren die Organisation Istiqbolli Avlod (Generation Zukunft) gegründet, die im Bereich der Bekämpfung von Menschenhandel und HIV/AIDS-Prävention unter SexarbeiterInnen in Usbekistan tätig ist. In mittlerweile elf Städten Usbekistans können die MitarbeiterInnen betroffenen Frauen und deren Angehörigen im Rückführungsprozess helfen, die psychologische und juristische Nachbetreuung sicher stellen oder diese bei der beruflichen und sozialen Reintegration unterstützen. Viele Frauen haben mit Stigmatisierung zu kämpfen und müssen gleichzeitig lernen, ihre Traumata zu bearbeiten. Um diese Situation zu verbessern, betreibt Istiqbolli Avlod eine rege Präventionsarbeit auf verschiedenen Ebenen: es gibt Seminare zur Sensibilisierung für Jugendliche, Ordnungsbehörden und Juristen, runde Tische mit Regierungsvertretern, um die Gesetze diesbezüglich zu reformieren, regelmäßige Kampagnen, um die breite Öffentlichkeit zu informieren, sowie eine kostenlose, landesweite Beratungs-Hotline, die von Betroffenen, Angehörigen und Ausreisewilligen anonym angerufen werden kann.
Durch ein entwicklungspolitisches Projekt im Rahmen des ASA-Programms von InWEnt entstand der Kontakt zwischen Istiqbolli Avlod und dem Sozialdienst katholischer Frauen e.V. (SkF), dem Frauen- und Fachverband der Caritas, dessen spezifische Angebote sich an Frauen richten, deren Lebenschancen nachhaltig beeinträchtigt sind. Zu einem der Schwerpunkte gehört die Arbeit mit und die Unterstützung von Frauen, die der Prostitution nachgehen.
Mit der finanziellen Unterstützung der Stiftung West-östliche Begegnungen und der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung wurde ein zweimonatiger Hospitations-Aufenthalt für zwei Mitarbeiterinnen von Istiqbolli Avlod in Köln ermöglicht. Ziele dieses Aufenthaltes sind der fachliche Austausch der usbekischen Mitarbeiterinnen,
Nazifa Trimanova* und Shaklo Kismarova*, mit Organisationen, die zu den Themen Frauenhandel und/oder Prostitution arbeiten sowie eine rege Öffentlichkeitsarbeit, um auf diese Problematik und die schwierige politische Situation in Usbekistan aufmerksam zu machen.
UsbekistanVortrag beim IFZ
Foto: Hans-Dieter Hey
Monika Kozaczka (SkF Köln): "Der Austausch mit NGO´s aus den Herkunftsländern der nach Westeuropa gehandelten Frauen ist sehr aufschlussreich und für die Arbeit von großem Nutzen. Zwar gibt es kaum Frauen, die aus Usbekistan nach Westeuropa gehandelt werden und somit auch in Deutschland als Betroffene ankommen, aber als GUS-Staat hat Usbekistan mit den für die Transformation typischen Problemen zu kämpfen wie Arbeitslosigkeit, Strukturwandel, Korruption und einem zunehmenden Menschenhandel. Politisch ist Usbekistan sehr isoliert und wird sehr repressiv regiert - es gibt keine politische Opposition , keine unabhängige Presse, und die Todesstrafe wird immer noch praktiziert. Die Bekämpfung des Menschenhandels ist unter diesen Bedingungen ein risikoreiches Unterfangen, welches die IA-MitarbeiterInnen bisher mit enormen Engagement und Mut erfolgreich bewältigt haben."
Die Lage der NGO´s verschlechtert sich dramatisch mit jedem Tag - oft werden die Arbeitsbedingungen von der Regierung so erschwert, dass viele gezwungen sind, aufzugeben - darunter v.a. NGO´s, die sich für die Belange der Frauen einsetzten. "Das Wahrgenommen werden im Ausland, schützt die NGO´s nicht davor, dass ihnen möglicherweise die Einstellung ihrer Aktivitäten "nahegelegt" wird", meint Monika Kozaczka, "aber der Kontakt eröffnet neue Möglichkeiten und gibt Zuversicht - auf beiden Seiten." Nazifa sagt: "Es sind immer die kleinen praktischen Dinge, die den Erfolg ausmachen, z.B. eine neue Methode, die wir in unserer Präventionsseminaren anwenden können o.ä., sowie das Kennenlernen von so vielen verschiedenen Ansätzen und Ideen, die wir in für unsere Arbeit in Usbekistan anpassen können." Shaklo ergänzt anschließend, dass es vor allem der persönliche, intensive Kontakt sei, der einen fruchtbaren Austausch ermöglicht und Vorurteile abbaut.
Der nächste Schritt des Projektes ist eine Hospitation der deutschen Projektteilnehmerinnen bei Istiqbolli Avlod in Usbekistan mit dem Ziel die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse umzusetzen.
Eine Fortsetzung folgt
* Namen geändert
- Deutsche Welle Radio, 03.02.2006
- Handbuch Abpfiff 2006, Teil 3, S. 4
- KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. www.kok-potsdam.de
Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Köln www.skf-koeln.de
InWEnt gGmbH www.inwent.org
Nordrhein-Westfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung www.sue-nrw.de
Stitung West-Östliche Begegnungen www.stiftung-woeb.de
Online-Flyer Nr. 48 vom 14.06.2006
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FOTOGALERIE