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Glossen
Das sagten und sagen die Italiener nicht nur beim Einkaufen
Basta
Von Ekkes Frank

Die gleiche Szene jeden Freitag am frühen Abend oder am Samstagmorgen: im Supermarkt von Corinaldo, an der Fleischtheke, die in weitem Umkreis berühmt ist für die Qualität ihres Angebots, vor mir in der Warteschlange die Frau, die gerade dran ist, ihr Einkaufswagen – die sind hier ohnehin schon um einiges größer als jene in den Supermärkten etwa von Köln – vollgepackt bis obenhin, die Frau also überlegt gerade, ob sie 22 oder 26 von diesen appetitlichen rotweißgesprenkelten dicken Bratwürsten nimmt, welche die strahlende Metzgerin wie eine Girlande präsentiert.
 
„Ach was!“ sagt die Kundin, nicht dick, aber schon ganz schön stämmig, ich schätze ihr Alter auf um die vierzig, „gib mir 26!“ Die Metzgerin zählt sie ab, legt sie auf die Theke vor ihr, dann: „Noch etwas?“ - „Ja. Bistecche. 14. Und...“ Die Frau überlegt wieder. Auf der Theke liegen bereits sieben oder neun fertige Päckchen, Schweinebraten, Steaks zum Grillen, Hühnerschenkel, ein ganzes Kaninchen... Längst habe ich aufgehört, mich zu wundern, mich zu fragen, was da noch alles dazu kommen wird und wer das bloß alles essen soll. Nein nein, die Frau kauft nicht für ein Restaurant ein, nur für die Familie. „Die Rippchen sind im Angebot“ lockt die Metzgerin strahlend. „Ja gut, dann nehme ich davon...“ - „20? 25?“ - „25“ - „Soll ich sie in Stücke hacken?“ - „Ja bitte!“ Auch die gehackten Rippen kommen als Päckchen zu den anderen. „Noch etwas? Wir haben heute sehr schönes Lamm hier!?“ Und dann kommt, endlich, was ich mir schon nicht mehr vorstellen kann, von der Kundin, mit einem leichten Seufzer: „No. Basta!“
 
Basta. Eines dieser italienischen Worte, das man als Deutsche, als Deutscher kennt, auch wenn man nicht so sehr viel sonst mitbekommen hat von diesem wunderschönen Land am Mittelmeer. Allerdings hat das Wort in unserer Sprache seinen Charakter geändert, seinen Klang, seine Bedeutung. Es hat eine Schroffheit angenommen, es teilt eine Abfuhr mit, es wird meist eher gebellt als gesagt; bekanntes Beispiel: der Ex-Kanzler Schröder, wenn ihm wieder mal etwas zugemutet wurde, was viel zu sozial war, um noch demokratisch zu sein, in seinen neoliberalen Augen.
 
Anders das „basta“ in Italien. Es heißt einfach nur „es reicht“. Wie eben in dem Beispiel von der Kundin an der Fleischtheke. Wo ich das allerdings schon viel viel früher erwartet hätte, wie gesagt. So wie auch in einem anderen Beispiel. Seit Jahren fragen wir uns, und nicht nur wir, auch immer mehr unserer Freundinnen und Freunde oder Besucher im Adagio oder Menschen, die wir bei unseren Besuchen in Deutschland treffen: was, um Himmels Willen, lassen sich die Italiener – und vor allem auch die Italienerinnen – noch so alles bieten von diesem Berlusconi? Seit 15 Jahren, seit dieser Typ (den wir inzwischen als wirklich nicht mehr zurechnungsfähig ansehen) die politische Bühne betreten hat, vergeht kein Monat, keine Woche, ja, genau genommen kein Tag, wo man die Frage „noch etwas?“ nicht mit „ja“ und einem weiteren schrecklichen Beispiel beantworten muss.
 
Aber jetzt, Ende Mai und Mitte Juni 2011, ist es – endlich! Endlich!! – soweit: das Volk hat „basta“ gesagt. „Es reicht.“ Kein Ausrufezeichen, ein Punkt. Bei den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai und in allen vier Fragen des Referendums an Pfingsten, Mitte Juni. Endlich ist gekommen, was ich mir schon fast nicht mehr vorstellen konnte...
 
Das war ja übrigens auch schon damals so, vor rund 70 Jahren. Anders als wir Deutschen zum Nazismus haben die Italiener zum Faschismus selber „basta“ gesagt. Sozusagen im letzten Augenblick. Und auch das ist richtig: so ganz umfassend und gründlich, wie das dann im Nachkriegsdeutschland geschah, ist das in Italien nicht gewesen. Bis heute sind Rudimente und auch größere Partikel dieser verbohrten Ideologie immer noch gelegentlich zu finden, und zumal unter diesem „Cavaliere“ sind da manche bereits erreichten Klarheiten wieder verwischt worden.
 
Bleibt zu hoffen, dass das mit dem „basta“ zu Berlusconi nicht ebenso geht. Dass – was hierzulande die meisten Beobachter der politischen Szene meinen – wirklich seine Verabschiedung nur noch eine Frage der Zeit ist. Es reicht wirklich. Basta. (PK)
 
 
Ekkes Frank ist ein deutscher Liedermacher, Schriftsteller und Kabarettist und lebt in Corinaldo, dem schönsten Dorf von ganz Italien, das dafür im Herbst 2008 mit dem "European Destinations of Excellence" (EDEN) - Tourismus-Award der Europäischen Union ausgezeichnet wurde.
Diesen Text und andere findet man in seinen "Adagio Notizen" unter www.casa-adagio.de und dort unter "Notizen" auffindbar (PK)
 


Online-Flyer Nr. 307  vom 22.06.2011

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