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Wirtschaft und Umwelt
Stromleitung für E-On-Kraftwerk Datteln jetzt beim Bundesverfassungsgericht
Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung
Von Peter Kleinert

Im Rechtsstreit um den Bau der 380 kV-Leitung zum Anschluss des umstrittenen E.On-Kohlekraftwerks Datteln 4 an das Stromnetz hat der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) jetzt Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. In der Begründung führt der BUND zahlreiche Verfassungsverstöße wie die Verletzung seines Prozessgrundrechts und des Grundrechts auf Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes an.
 

Protest am E.On-Klimakiller-Kraftwerk Datteln
Hintergrund ist die Klage des BUND gegen den Planfeststellungsbe-schluss der Bezirksre-gierung Münster aus dem Jahr 2008 für die neue 7,6 km lange Hochspan-nungsleitung. Der Bau der neuen Freileitungs-trasse sei mit schweren Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Der Lebensraum zahlreicher streng geschützter Fledermaus- und Vogelarten werde zerstört. Umweltfreundlichere Trassenvarianten waren verworfen worden.
 
Am 19. August 2010 hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster die BUND-Klage "aus vorgeschobenen formalen Gründen ohne inhaltliche Überprüfung des Genehmigungsbescheides abgewiesen". Danach hätten die vom BUND im Genehmigungsverfahren vorgebrachten Einwendungen bestimmten Formvorschriften nicht genügt. Allerdings handelt es sich nach Darstellung des BUND hierbei um "Vorschriften, welche das europarechtlich garantierte Klagerecht der Umweltverbände nicht vorsieht". Gegen die im OVG-Urteil ausgesprochene Nichtzulassung der Revision hatte der BUND wiederum Beschwerde eingelegt, welche vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am 17. Juni 2011 abgewiesen wurde.

Prozessgrundrechte verletzt
 
Der BUND bezeichnet die Klageabweisung als "eine neuerliche Verletzung seines Klagerechts, welches ihm erst jüngst vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit dessen Urteil vom 12. Mai 2011 umfassend bestätigt worden war". Die im Fall der Dattelner Stromleitung praktizierte Beschränkung des Klagerechts war allerdings nicht Gegenstand des EuGH-Urteils. Deshalb hätte das Bundesverwaltungsgericht "die Frage nach der Zulässigkeit der Klagebeschränkung nach Ansicht des BUND zumindest dem hierfür zuständigen Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen müssen", erklärt die Umweltorganisation. Die Unterlassung der Anrufung des EuGH verletzt nach Darlegung der Verfassungsbeschwerde die Prozessgrundrechte und das Grundrecht auf Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes.
 
Ziel des BUND ist es, zu erreichen, "dass sich die Gerichte jetzt auch inhaltlich mit den gravierenden natur- und artenschutzrechtlichen Verstößen des Planfeststellungsbeschlusses für den Bau der Freileitung auseinander setzen". Darüber hinaus sieht der BUND einen grundsätzlichen Klärungsbedarf: "Genehmigungsbehörden und Gerichte umgehen die inhaltliche Prüfung von umstrittenen Vorhaben der Industrie immer wieder durch übertriebene, rein formale Hürden, die sie den Klagen der Naturschutzverbänden auferlegen, während die beklagten Genehmigungsbehörden und Unternehmen im Klageverfahren beinahe beliebig formale Fehler heilen dürfen".

Gerichtsbeschlüsse verfassungswidrig
 
Mit der Verfassungsbeschwerde stellte der BUND den Antrag, die Beschlüsse von Oberverwaltungs- und Bundesverwaltungsgericht für verfassungswidrig zu erklären. Hilfsweise solle die Sache an die Gerichte mit der Maßgabe zurückverwiesen werden, die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss neu zu entscheiden. In diesem Fall müssten sich die Gerichte endlich auch inhaltlich mit der Klage auseinandersetzen.

Durch den Neubau eines Kraftwerksblocks mit einer elektrischen Leistung von 1.050 MW (2.600 MW Feuerungswärmeleistung) verdreifacht der Energiekonzern E.On laut BUND die bisherigen Standortskapazitäten. Im Gegenzug sollen die ab 1964 gebauten Blöcke A bis C mit einer Leistung von insgesamt 300 MW stillgelegt werden. Bereits das Vorgehen von E.On beim Genehmigungsantrag für den Kraftwerksausbau hatte der BUND als "besonders perfide" bezeichnet.

Entsetzt über die Grünen
 
Begleitet von Protesten des Kampagnennetzwerks Campact und des BUND hatte die Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr im Juni 2011 die Fortsetzung des Regionalplanänderungsverfahrens zugunsten des E.On-Steinkohlekraftwerks Datteln 4 beschlossen. Die Umweltschützer sehen darin eine erneute Lex E.On, womit dem "rechtswidrigen Kraftwerkstorso“ neues Leben eingehaucht werden soll. Entsetzt zeigten sich die Umweltschützer über die Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Beschluss. "Dass die Grünen den Weg für das rechtswidrige Klimakiller-Kraftwerk ebnen helfen, ist ein energiepolitisches Armutszeugnis“, sagte Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND. "Damit steuern wir nach „Garzweiler II“ auf einen weiteren Sündenfall der Grünen zu. Politische Glaubwürdigkeit sieht anders aus." (PK)
 
Hierzu u.a. auch diese NRhZ-Beiträge im Internet
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14553
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14251


Online-Flyer Nr. 315  vom 17.08.2011

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