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Lokales
Bricht der Landschaftsverband Rheinland (LVR) das bisherige Schweigen?
Die braune Nachkriegsgeschichte
Von Lothar Gothe
In den vergangenen Wochen haben wir in einer Artikelserie von SchülerInnen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Pulheim, "Menschen wie Vieh gehalten", und in Beiträgen von Lothar Gothe über die fast 700 verheimlichten Toten berichtet, die in den 50er bis 70er Jahren Opfer der Nazi-Psychiatrie in der LVR-Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie Brauweiler bei Köln wurden. Nun scheint man beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) das bisherige Schweigen über diese Vergangenheit brechen zu wollen, wie eine Rede der Landesrätin für Kultur, Milena Karabaic, vermuten läßt. Lothar Gothe berichtet. – Die Redaktion
Udo Klausa - erster Landesdirektor
des Landschaftsverbandes Rheinland
Aber die Mauer des Schweigens um die braune Nachkriegskontinuität konnten wir nicht knacken, zu viele hochrangige Interessen nicht nur im LVR standen dagegen. Deshalb bin ich allen, die mit an diesem faulen Ast gesägt haben, sehr dankbar. Um nicht zu sehr abzuheben: Natürlich besteht die Gefahr, daß auch die angekün- digte historische Aufarbeitung wieder wegläßt, beschönigt, manipuliert. Die parteiische Uni-Düsseldorf kann auf keinen Fall neutral und objektiv sein, müßte sie sich doch selbst schwer belasten. Die Ausstellung „Gelenkte Blicke“ muß mindestens sofort um Klausas Werk „Rasse und Wehrrecht“ ergänzt, Klausas verlogene Biografie aus dem Netz genommen werden, und die Uni Düsseldorf sollte sofort das Verfahren zur Aberkennung von Klausas peinlichem Doktortitel einleiten.
Online-Flyer Nr. 318 vom 07.09.2011
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Lokales
Bricht der Landschaftsverband Rheinland (LVR) das bisherige Schweigen?
Die braune Nachkriegsgeschichte
Von Lothar Gothe
In den vergangenen Wochen haben wir in einer Artikelserie von SchülerInnen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Pulheim, "Menschen wie Vieh gehalten", und in Beiträgen von Lothar Gothe über die fast 700 verheimlichten Toten berichtet, die in den 50er bis 70er Jahren Opfer der Nazi-Psychiatrie in der LVR-Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie Brauweiler bei Köln wurden. Nun scheint man beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) das bisherige Schweigen über diese Vergangenheit brechen zu wollen, wie eine Rede der Landesrätin für Kultur, Milena Karabaic, vermuten läßt. Lothar Gothe berichtet. – Die Redaktion
LVR-Dezernentin für Kultur und Umwelt, Milena Karabaic
Quelle: LVR
Frau Karabaic ist meiner Bitte nachgekommen und hat mir das Redemanuskript zur Verfügung gestellt. Es sieht so aus, als sei mit dieser Rede der seit langen Jahren überfällige Bruch des LVR mit seiner braunen Nachkriegsgeschichte eingeleitet worden, sowohl was Personen, als auch was die Ideologien betrifft. Dafür spricht auch, daß die große Abbildung der Skulptur „Ein Mausoleum für Lebende“ von Denis Stuart Rose zum Gedenken für die Nachkriegsopfer im Landeshaus aufgestellt bleibt - mit einem Text zu den Toten von Brauweiler, welcher von Alix, Christian und Heino verfaßt wird.
Fortwirkender brauner Ungeist
Zum ersten Mal in der Geschichte des LVR wurde nicht mehr verschwiegen, vertuscht, verharmlost oder abgelenkt, sondern mit klaren Worten offen bekannt, daß hohe und höchste Amtsträger des LVR, an der Spitze der „Übervater“ Klausa, schwerst belastete Nazis und schlimmster Verbrechen schuldig waren. Sie hat auch in den Raum gestellt, daß die Menschenrechtsverletzungen in den LVR-Anstalten durchaus mit dem fortwirkenden braunen Ungeist zusammenhängen können. Frau Karabaic hat damit in der Konsequenz auch ein vernichtendes Urteil über einen Teilbereich der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte gesprochen.
Natürlich ist dies unter Druck geschehen, alle die Aktivitäten und Veröffentlichungen der letzten Zeit und das baldige Erscheinen eines Buches der englischen Geschichtsprofessorin Fulbrook über Klausa machten es dem LVR immer schwerer, die alte Strategie des Totschweigens durchzuhalten. Dennoch: Nach dieser Rede ist eine „Jubelausstellung“ wie die vor einem halben Jahr zu Klausas 100stem Geburtstag nicht mehr möglich, die offizielle Klausa-Biografie muß eingestampft werden und die angekündigte historische Aufarbeitung kann sich nicht so flexibel um die Nazikontinuität herumdrücken wie die Studie „Verspätete Modernisierung“.
Wo bleibt die Landschaftsversammlung?
Peinlich ist, daß dieser Bruch nicht von der Landschaftsversammlung, dem sogenannten Parlament, eingeleitet und vollzogen wurde, sondern von der Verwaltungsspitze. Keine Fraktion der Landschaftsversammlung hat bis heute eine klare Stellungnahme abgegeben, kein einziger zielführender Antrag zur Aufarbeitung wurde gestellt, nicht der leiseste Protest gegen die bisherige Vertuschungsstrategie der Verwaltung wurde bekannt. Seit mehr als drei Jahren habe ich die Fraktionen immer wieder auf genau die Tatbestände hingewiesen, welche Frau Karabaic jetzt benannt hat, zuletzt in meiner Rede vor dem Gesundheitsausschuß: dennoch wurde danach die Ausstellung „Gelenkte Blicke“ zur rassistischen Nazi-Propaganda in Brauweiler eröffnet, ohne daß Klausas diesbezügliche „Leistungen“ auch nur erwähnt wurden!
Auch dieser Vorgang bestätigt wieder, daß die nicht direkt gewählte Landschaftsversammlung keine echte demokratische Legitimation besitzt, daß sie nicht in der Lage ist, die Monsterverwaltung zu kontrollieren. Diese muß sich schon selbst kontrollieren, korrigieren und säubern, sonst passiert eben nichts.
Für mich alten 68er-Sack ist dieser Strategiewechsel des LVR mit tiefer Genugtuung verbunden. Lange Jahre auch meines Lebens standen im Zeichen der Auseinandersetzung mit den Menschenrechtsverletzungen in Heimen und Psychiatrien. Wir vom SSK haben vieles radikal an die Öffentlichkeit gezerrt, großen Veränderungsdruck aufgebaut und unter uns mit allergeringsten Mitteln versucht, ein anderes als das rassistisch-kapitalistische Menschenbild lebendig werden zu lassen.
Udo Klausa - erster Landesdirektor
des Landschaftsverbandes Rheinland
Quelle:
www.rheinische-geschichte.lvr.de
www.rheinische-geschichte.lvr.de
In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um „Vergangenheitsbewältigung“, sondern auch um die heutigen und zukünftigen Verhältnisse in der Psychiatrie. Nach der Gesundheitsausschußsitzung teilten Informanten mit, daß im LVR Pharmastudien mit nicht zugelassenen Wirkstoffen durchgeführt und manipuliert würden. Die Landesrätin Wenzel-Jankowski hatten wir beim kürzlichen Gespräch darüber informiert. Bei der Euthanasieveranstaltung sagte sie mir, sie habe eine grundsätzliche Überprüfung der Anwendung von Antipsychotika in den Einrichtungen des LVR eingeleitet. Die hochproblematischen Antipsychotika sind deshalb von großer Bedeutung, weil sie ein großes gesellschaftliches Gefahrenpotential darstellen.
Als Ökobauer erlebe ich hautnah die negativen Auswirkungen des Klimawandels, dessen Folgen im Verein mit dem Crash der kapitalistischen Wachstumswirtschaft auch hierzulande zu schweren sozialen Verwerfungen führen werden. In Griechenland, Spanien, London etc. sind sie schon zu besichtigen.
Die immer weiter um sich greifende Antipsychotika-Anwendung kann da eine böse Rolle spielen. Sie hält die „Ballastexistenzen“ und potentiellen Aufrührer kostengünstig in chemischer Ohnmacht, verschafft der Pharmaindustrie Millardengewinne und da sie u.a. nachweislich lebensverkürzend wirkt, erscheint am Horizont die Horrorvision einer chemiebasierten „Euthanasie light“. - Also: Am Ball bleiben ist schon geboten.
Denkmal der grauen Busse
Zur Erinnerung an den Massenmord von fast 10.000 Psychiatriepatienten aus dem Rheinland während des Nationalsozialismus ist nun seit dem 1. September bis zum 18. April 2012 vor dem Landeshaus des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln-Deutz das Denkmal der "grauen Busse" zu sehen, mit dem der LVR als Rechtsnachfolger des Provinzialverbandes Rheinland an die damals Getöteten erinnert. „Mindestens 1.951 Menschen wurden allein in der Gaskammer in Hadamar getötet", unterstrich die LVR-Dezernentin für Kultur und Umwelt, Milena Karabaic, in ihrer Einweihungsrede. Im Frühjahr 1940 mussten fast 1.700 Patientinnen und Patienten der Rheinischen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bedburg Hau einem Marinelazarett weichen, für die Mehrzahl endete der Bus-Transport in einer sogenannten „Tötungsanstalt".
Aufbau der Grauen Busse durch die Künstler
Foto: Stefan Arendt / LVR
Das Denkmal der grauen Busse besteht aus zwei 70 Tonnen schweren modellgleichen Nachgüssen der Transportfahrzeuge der sogenannten „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH", mit denen Psychiatriepatienten in Tötungsanstalten deportiert wurden. Einer der beiden begehbaren Betonbusse ist als mobiles Denkmal konzipiert und war, bevor es jetzt in Köln zu sehen ist, bereits an sieben Standorten in ganz Deutschland zu sehen, zuletzt in Pirna. Mit der Station in Köln kommt das Denkmal erstmals nach Nordrhein-Westfalen. Es markiert Orte der Tat, der Opfer und der Täter.
Der andere Bus ist als stationäres Denkmal in Ravensburg für die Euthanasie-Opfer in der ehemaligen „Heilanstalt" Weißenau in Ravensburg errichtet, wo es das Tor, aus dem die Todesbusse der „Aktion T4" das Gelände verließen, blockiert. In das Denkmal eingraviert ist die überlieferte Frage eines Patienten: „Wohin bringt Ihr uns?" Es wurde von den Künstlern Horst Hoheisel und Andreas Knitz geschaffen und ist auf der Wiese vor dem Landeshaus zu besichtigen. (PK)
Weitere Informationen unter: www.dasdenkmaldergrauenbusse.de
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