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Langsam werden die Politiker und Medien zum Thema Libyen ehrlich:
"Nun gehört es uns"
Von Joachim Guilliard
Es war nie ein Geheimnis, dass vor allem wirtschaftliche Interessen hinter dem NATO-Krieg gegen Libyen stehen. Westliche Medien und Politiker bemühten sich jedoch redlich, dies auszublenden. Nachdem die Eroberung des ölreichen Landes vor dem erfolgreichen Abschluss zu stehen scheint, legen die Konzerne und ihre Interessenvertreter, die Regierungen der Kriegsallianz, jedoch ihre Zurückhaltung ab und melden ohne Einhaltung einer Schamfrist ihre Ansprüche an.
Online-Flyer Nr. 318 vom 07.09.2011
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Medien
Langsam werden die Politiker und Medien zum Thema Libyen ehrlich:
"Nun gehört es uns"
Von Joachim Guilliard
Es war nie ein Geheimnis, dass vor allem wirtschaftliche Interessen hinter dem NATO-Krieg gegen Libyen stehen. Westliche Medien und Politiker bemühten sich jedoch redlich, dies auszublenden. Nachdem die Eroberung des ölreichen Landes vor dem erfolgreichen Abschluss zu stehen scheint, legen die Konzerne und ihre Interessenvertreter, die Regierungen der Kriegsallianz, jedoch ihre Zurückhaltung ab und melden ohne Einhaltung einer Schamfrist ihre Ansprüche an.
Die internationalen Medien waren in den letzten Tagen voll mit Schlagzeilen eindeutigen Inhalts: „Hatz auf den Profit bei der Aufteilung des Nachkriegs-Libyen“ titelte z.B. der Independent, und der Guardian macht mit „Das Rennen um Libyens Öl hat begonnen“ auf. Reuters meldete unter der Überschrift „Investoren begutachten Verheißungen und Fallstricke im Nach-Gaddafi-Libyen“. Das Land verheiße eine Bonanza für westliche Firmen und Investoren zu werden. Sie seien in einer sehr guten Position, wenn nun Milliardenschwere Öl-Kontrakte neu verhandelt bzw. verteilt würden. Auch der Wiederaufbau des stark zerstörten Landes verheiße viel Profit.
Der britische Economist erwartet, dass der Anteil am Krieg Auswirkungen auf die „Beute“ jedes Landes haben wird. Britische Regierungsmitglieder sagten dem Blatt, die Intervention der NATO in den Aufstand, bedeute „Nun gehört es uns.“ Die Rebellen haben zuvor schon mehrfach deutlich gemacht, dass Länder, die ihren Aufstand aktiv unterstützten, insbesondere Großbritannien und Frankreich, eine Vorzugsbehandlung erwarten können.
Alain Juppé meinte dem Guardian gegenüber, es sei nur „fair und logisch”, dass französische Firmen vom Kriegseinsatz ihrer Armee profitieren werden. Le Monde unterstreicht die besonderen französische Ansprüche, indem das Blatt von „Sarkozys Krieg“ spricht und beschreibt, wie der Schmalspur-Napoleon, nächtelang über Karten von Libyen gebeugt, das Gelände der Frontlinien und die Möglichkeiten der Eroberung Tripolis studierte sowie persönlich den Abwurf von Waffen für Rebellen in den Bergen oder die Bewaffnung eines Rebellenkommandos aus Misurata für den Überfall auf Bengasi anordnete. Der Figaro deutet unter der Überschrift „Nicolas Sarkozys gewonnenes Spiel in Libyen“ schon den erwarteten Anteil an Libyens Ressourcen an, indem er betont, dass Frankreich 35% aller Luftangriffe flog, die den Rebellen den Weg ebneten.
Dazu passt ein – umgehend von den Beteiligten dementierter – Brief vom 3. April, den die französische Tageszeitung Libération am 31. August veröffentlichte. Demnach sicherte der Übergangsrat Frankreich bereits damals als Gegenleistung für die militärische Hilfe zu, künftig 35% der libyschen Ölförderung übernehmen zu dürfen.
Das forsche Vorpreschen Frankreichs kontern britische Zeitungen, wie der britische Telegraph, indem sie die herausragende Bedeutung britischer Elitetruppen beim Vormarsch auf Tripolis und dem Sturm der Hauptstadt herausstreichen.
Unterdessen ist der italienische Öl-Multi ENI bereits vor Ort dabei, die ersten Früchte des Krieges einzusammeln. Seine Aktien gingen letzte Woche prompt um 7% in die Höhe. Aber auch die Aktien des französischen Öl-Multis Total und die der stark in Libyen engagierten österreichischen OMV AG gingen sofort um 3% nach oben. Die britische Großbank und ihr italienischer Mitbewerber Unicredit sitzen schon seit April in Bengasi und basteln am Aufbau einer neuen, liberalisierten Zentralbank (siehe Farhat Bengdara – ein Kollaborateur im Hintergrund betreibt die Umleitung libyschen Vermögens). Wenn sich diese demnächst der freigegeben Geldern annehmen wird, wird das sicherlich nicht zum Schaden der beiden Anderen sein.
In großer Sorge sind natürlich die anderen Staaten, inwieweit ihre Abkommen gültig bleiben. Sowohl die chinesische als auch die russische Regierung haben vor Vertragsbruch gewarnt. Der von den Rebellen übernommene Staatskonzern Arabian Gulf Oil Company (AGOCO) machte Reuters gegenüber sehr deutlich, mit wem er in Zukunft Geschäfte machen will: sie hätten bereits gute Kontakte mit italienischen, britischen, französischen und amerikanischen Firmen. Mit Rußland, China und Brasilien gäbe es noch politische Probleme.
Während China sich offiziell überzeugt gibt, dass die von der NATO eingesetzte neue Regierung es nicht wagen wird, die Verträge anzutasten, sprechen russische Vertreter offen von düsteren Aussichten: „Wir haben Libyen vollständig verloren, so Aram Shegunts, Generaldirektor des Russisch-Libyschen Wirtschaftsrates. „Unsere Firmen werden alles verlieren, weil die NATO sie daran hindern wird, ihre Geschäfte in Libyen weiter zu verfolgen.“
Moskau versuchte daher hastig zu retten, was zu retten ist und hat sich, wie die russische Tageszeitung Kommersant meldete, rasch entschlossen, den NTC anzuerkennen und an der Konferenz in Paris am 1. September teilzunehmen, „um die russischen Wirtschafts- und sonstige Interessen zu schützen“. (Bill Van Auken, „Libyens Freunde“ teilen sich in Paris die Beute auf, WSWS, 3. 9.2011)
Da die deutsche Regierung die Rebellen politisch und über die NATO-Partnerschaft auch indirekt militärisch unterstützte, werden die Aussichten deutscher Unternehmen in Libyen, wie der BASF-Tochter Wintershall wesentlich besser eingeschätzt als die von China, Rußland oder Brasilien.
Dennoch heulen deutsche Medien und Politiker – von CDU/CSU, SPD bis zu den Grünen – wie eine Meute eingesperrter Jagdhunde darüber, dass Deutschland sich nicht voll und ganz an diesem lukrativen Feldzug beteiligt hat. International viel zitiert wird der englische Artikel des Spiegel „The Rebels Reach Tripoli - NATO's Success Marks Bitter Failure for Merkel” (Die Rebellen erreichen Tripolis – Der Erfolg der NATO markiert einen bitteren Fehler Merkels)
Es wird sich erst noch zeigen müssen, ob die Eroberer in Libyen mehr Erfolg haben werden als die USA im Irak und die anvisierte Beute tatsächlich einsacken können. Noch ist der Krieg nicht vorbei und der Widerstand gegen die NATO und ihre Verbündeten wird sicher noch lange weitergehen. Die libysche Bevölkerung jedoch hat schon ungeheuer viel verloren.
Der 1. September war bisher libyscher Nationalfeiertag, der Jahrestag des Sturzes des vom Westen eingesetzten König Idris. Dessen Sturz leitete die Entwicklung Libyens vom absoluten Armenhaus der Region zu einem Wohlfahrtstaat ein. Das ist auf absehbare Zeit nun vorbei. (PK)
Joachim Guilliard hat diesen Artikel auf seiner Webseite "Nachgetragen" veröffentlicht. Mehr unter http://jghd.twoday.net
Quellen:
Dash for profit in post-war Libya carve-up, Independent, 24.8.2011
The race is on for Libya's oil, with Britain and France both staking a claim,
Guardian, 1.9.2011
Investors eye promise, pitfalls in post-Gaddafi Libya, Reuters, 22.8.2011
Once it's over in Libya, will it be over?, The Econimist, 23.8.2011
La guerre de Nicolas Sarkozy, Le Monde, 23.08.11
Le pari gagné de Nicolas Sarkozy en Libye, Le Figaro, 22.8.2011
Pétrole : l’accord secret entre le CNT et la France,
Liberation, 30.8.2011
Libya: secret role played by Britain creating path to the
fall of Tripoli, Daily Telegraph, 22.8.2011
ENI wird wieder in Libyen aktiv, Moneycab, 30.8.2011
Western Oil Majors Will Get the First Crack at Libyan Oil Production, Money
Morning, 30.8.2011
Western Oil Majors Will Get the First Crack at Libyan Oil Production, Money
Morning, 30.8.2011
Bill Van Auken, „Libyens Freunde“ teilen sich in Paris die Beute auf, WSWS, 3. 9.2011
The Rebels Reach Tripoli - NATO's Success Marks Bitter Failure for Merkel,
Spiegel, 23.8.2011
JGUILLIARD - 3. SEP, 16:08
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