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Lokales
Das "Haushaltssicherungskonzept" der Stadt Mülheim für 2012
Bankrotterklärung schlechthin
Von Lothar Reinhard

Vergangenen Donnerstag brachte Kämmerer Bonan den Etatentwurf 2012 der Stadt Mülheim, Heimatstadt der NRW-Ministerpräsidentin, im Stadtrat ein. Kämmerer und OB Dagmar Mühlenfeld sind angeblich erfreut, damit 2012 aus dem Nothaushalt heraus zu kommen. Und das, obwohl das prognostizierte Loch im Etat mit ca. 75 Mio. € das im letzten Jahr für 2012 prognostizierte Defizit bereits um satte 28 Millionen übertrifft. Das reale Defizit betrug 2010 aber bereits 101 Mio. und wird 2011 auf mindestens 118 Mio. € weiter explodieren.

Mülheims Kämmerer Uwe Bonan
NRhZ-Archiv
 
Bonans Haushaltssicherungskonzept (HSK) für 2012 weist nichts Neues auf, so dass man fragen muss, woher der Optimismus rührt, dass 2012 weit über 40 Mio. € weniger neue Schulden gemacht würden, wenn fast nichts anders gemacht wird als zuvor. Das wahnsinnig teure Projekt "Ruhrbania"(1) läuft unverändert weiter, das "Perspektivkonzept Fußball“(2) soll mindestens 13 Mio. kosten, wirkliche Personaleinsparungen sind kaum erkennbar, die "Mieten“ für zumeist eigene Gebäude per PPP-Umwegfinanzierung schlagen 2012 erst richtig zu Buche, weil Rathaus, stadtgeschichtliches Museum und 4 PPP-Schulen zu Medienhaus, Feuerwehr, Gründerzentrum und Haus der Wirtschaft, technisches Rathaus, Bürgeramt und etlichen noch auf Jahre angemieteten, aber leeren Gebäuden wie Steineshoffweg oder ex-C&A Ecke Schloßstr./Viktoriastr. hinzukommen.
 
Erklärung des vermeintlichen Paradoxons ist folgendes: Weil das Land NRW nun erlaubt, einen Haushaltsausgleich selbst auf dem Papier erst in 10 Jahren, also 2021, zu erreichen, fantasiert die Kämmererei die jährlichen Einnahmen und Ausgaben entsprechend und schwupps, ist Mülheim 2012 aus dem Nothaushalt und darf 2012 wieder Geld ausgeben, ohne den RP zu fragen. Wie das Beispiel der Heißener Sportanlage zeigt, war dem Innenminister und der RP ja auch jetzt alles ziemlich egal, und die Stadt Mülheim durfte trotz Nothaushalts zig Millionen alleine zum Grundstückskauf Hardenbergstraße im Vorgriff verballern. Und: Nur weil die gigantisch hohen Neuinvestitionen der letzten Jahre alle umwegfinanziert nicht unter Schulden, sondern als Mieten auf 20, 30 oder 50 Jahre erscheinen, steht Mülheim in der bilanziellen Überschuldung scheinbar besser da als Duisburg oder Oberhausen und geht bei den Landeshilfen für überschuldete Städte leer aus.("Selbst ins Bein ge…", würde der Ami sagen, denn OB Dagmar Mühlenfeld und Bonan sind die Sprecher des Bündnisses "Raus aus den Schulden“ von 27 Hungerleider-städten, die dem klammen Land NRW die 350 Mio. abgerungen haben!)
 
Wie dramatisch und hochgradig bedrohlich aber die Haushaltssituation der eigentlich reichen Stadt Mülheim wirklich ist, zeigt die exponenzielle Kurve der Kassenkredite (kurzfristige "Kredite zur Liquiditätssicherung“, für Normal-verbraucher Überziehungskredite). Das ist die Bankrotterklärung schlechthin!!!

Im Jahr 2015 würden die Kassenkredite demnach auf schwindelerregende 855 Mio. € pro Jahr hochschnellen, bei erhofften 560 Mio. Gesamteinnahmen, und letzteres auch nur, weil Bonan in 2015 ca. 55 Mio. Mehreinnahmen im Vergleich zu 2012 ansetzt (20 Mio. mehr Gewerbesteuer, 17 Mio. höhere Transfererträge überwiegend für Hartz IV, 12 Mio höherer Anteil an Einkommens- und Umsatzsteuer, 2 Mio. mehr Grundsteuer B usw.). Übrigens alles ohne weitere Erhöhung von Grund- oder Gewerbesteuern bei sinkenden Bevölkerungs-zahlen!

Das selbst Bonan seinen Prognosen wenig zutraut, beweist, dass er als Höchstgrenze für Kassenkredite für das Jahr 2012 sagenhafte 750 Mio. für den Kernhaushalt und weitere 30 Mio für Eigenbetriebe vorgegeben hat, also noch einmal 100 Mio. mehr als die befürchteten 680 Mio. im Haushaltsplan.
 
Das alles ist dramatisch jenseits von Gut und Böse. Und es droht noch Schlimmeres! Zum einen sind die Zinsen für Kommunalkredite immer noch auf historisch niedrigem Niveau, was sich im Zuge der Euro- und erneuten Bankenkrise bald ändern könnte. Auch nur 1% mehr Zinsen würde das gesamte Bonansche Haushalts“konzept“ zur Makulatur für den Papierkorb werden lassen. Doch nicht genug mit dieser realen Gefahr, denn die astronomischen (oder griechischen, portugiesischen bis italienischen) Verschuldungsraten durch die Bonanschen Kassenkredite, können schnell dazu führen, dass die Kommunalkredite auch ohne Zinserhöhung deutlich teurer werden, wenn nämlich die Kreditwürdigkeit abgestuft wird, vergleichbar dem Rating für die südeuropäischen Länder. Wie real diese Gefahr ist, zeigt der folgende Zeitungsartikel aus der „Neuen Westfälischen“ vom 7. Oktober:
 
Bank dreht klammen Kommunen Geldhahn zu
 
Bielefeld (dapd) - Die WL Bank mit Sitz in Münster vergibt keine Kredite mehr an überschuldete Städte und Gemeinden. Das bestätigte ein Sprecher der "Neuen Westfälischen“. Städte und Gemeinden im Nothaushalt müssten sich damit auf Schwierigkeiten bei der Suche nach Kreditgebern einstellen, berichtet die Zeitung. Andere Banken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hätten Obergrenzen für die Kreditaufnahme eingeführt. Hintergrund für die Beschränkungen seien die zugespitzte Schuldenlage im öffentlichen Sektor und das Regulierungspaket Basel III, das Banken dazu zwingt, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Kommunen würden zunehmend mit Firmen und Privatpersonen um Kredite konkurrieren.
 
 
(1) siehe zuletzt: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16960
 
 
Lothar Reinhard ist MBI-Fraktionssprecher im Stadtrat Mülheim/Ruhr


Online-Flyer Nr. 323  vom 12.10.2011

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