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Arbeit und Soziales
Hartz IV-Sanktion wegen Verweigerung einer "Beihilfe zur Straftat“
Willkür-Steigerung von Leistungskürzungen
Von Brigitte Vallenthin
"Leider ist es kein Einzelfall, dass – wie in dem uns jüngst bekannt gewordenen Hamburger Beispiel – die Hartz IV-Sanktions-Willkür inzwischen sämtliche Grenzen des Grundrechtsschutzes von Menschenwürde in verfassungs-, rechts- und sittenwidriger Weise sprengt“, stellt die Hartz4-Plattform angesichts dramatischer Steigerung der bei der Bürgerinitiative aus allen Teilen der Republik gemeldeten Hartz IV-Schikanen fest.
Online-Flyer Nr. 325 vom 26.10.2011
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Arbeit und Soziales
Hartz IV-Sanktion wegen Verweigerung einer "Beihilfe zur Straftat“
Willkür-Steigerung von Leistungskürzungen
Von Brigitte Vallenthin
"Leider ist es kein Einzelfall, dass – wie in dem uns jüngst bekannt gewordenen Hamburger Beispiel – die Hartz IV-Sanktions-Willkür inzwischen sämtliche Grenzen des Grundrechtsschutzes von Menschenwürde in verfassungs-, rechts- und sittenwidriger Weise sprengt“, stellt die Hartz4-Plattform angesichts dramatischer Steigerung der bei der Bürgerinitiative aus allen Teilen der Republik gemeldeten Hartz IV-Schikanen fest.
Wenn wir beispielsweise von dieser Familie mit zwei kleinen Kindern erfahren, dass beide Eltern gegen Recht und Gesetz Leistungskürzungen erhalten, so kann man auch beim Sozialministerium von der Leyen und ihrer Kanzlerin nur noch von einer ebenso entfesselten Gier und Sparwut an den Ärmsten sprechen, wie sie gerade Millionen Menschen weltweit auf die Straße treibt angesichts der entfesselten Gier und des Kostendrucks auf den Finanzmärkten.
In dem aktuellsten der Hartz4-PLattform vorliegenden Fall kommen derart viele Gesetzesverstöße zusammen mit verweigerten Integrations-Bemühen vor, wie man sie beispielsweise in einem Roman über die deutsche Sozialpolitik als unvorstellbar bezeichnen würde.
Es geht um eine Familie mit polnischen Wurzeln – ein Ehepaar mit zwei Kindern im wichtigen Entwicklungsalter von 5 und 9 Jahren. Der Mutter – deren deutsche Sprachkenntnisse noch nicht den Anforderungen im Berufsleben genügen - wird die beantragte Fortsetzung ihres Integrationskurses mit dem Ziel des Abschlusses vom Hamburger Jobcenter verweigert. Sie hatte den Integrationskurs – an dem sie regelmäßig teilgenommen hatte – wegen einer Erkrankung unterbrechen müssen. Trotz wiederholter Bitte, diesen Kurs abschließen und damit gute berufliche Chancen erlangen zu können, sollte sie u.a. zu einem Verkaufsjob im Einzelhandel verpflichtet werden. Ihren Einwand, dass sie diese Arbeit zwar gerne ausüben würde, dafür aber zunächst die
notwendigen ausreichende Sprachkenntnisse erlangen wolle, findet bei der Hartz IV-Verwaltung kein Gehör. Trotz entsprechend begründeten Widerspruchs erhält sie eine 30%-Sanktions-Kürzung. Erst als ihr wenig später auch noch die Ankündigung für eine zusätzliche Kürzung um 60% ins Haus flattert und die Hartz4-Plattform sie bei einer Eilklage vor dem Sozialgericht unterstützt, knickt die Behörde ein. Plötzlich klappt es doch mit der Fortsetzung des Integrationskurses.
Statt dem Vater - der über beste deutsche Sprachkenntnisse verfügt - den beantragten Bildungsgutschein zum Bürokaufmann zu gewähren, steckt das Jobcenter Hamburg ihn wieder und wieder in sinnlose Maßnahmen, wo er stundenlang am Computer auf Jobsuche gehen und zum mindestens 100.sten Mal üben soll, wie man eine Bewerbung schreibt. Schließlich landet er in einer Maßnahme, bei der er feststellt, vermutlich mit nicht lizensierter, raubkopierter Software arbeiten zu sollen. Diese Annahme legte nicht nur sein technisches Know-how nahe sondern auch eine CD sowie Arbeitsanleitung zum Umgehen einer Software-Sperre, die den Kursteilnehmern ausgehändigt wurde. Dieses Vorgehen lehnt er mit dem Hinweis ab, dass er sich bei Fortsetzung der geforderten Tätigkeit der Verletzung des Urheberrechts sowie der Beihilfe zu einer Straftat schuldig mache. Als er in dem Zusammenhang das Gespräch mit seinem Vorgesetzten sucht, findet seine Vermutung auch Bestätigung durch den sinngemäßen Hinweis, eine Lizenz für neun vorhandene Rechner gäbe es nicht. Er bleibt unter Beachtung seiner urheberrechtlichen und strafrechtlichen Pflichten diesem Arbeitsplatz fern, um nach einer bewilligten Urlaubsunter-brechung – wie mit dem Maßnahmenträger vereinbart – danach eine andere Tätigkeit aufzunehmen. Statt der vom Arbeitgeber angekündigten näheren Informationen zum neuen Job, findet er am letzten Urlaubstag jedoch eine Kündigung in seinem Briefkasten. Die wird mit angeblich unerlaubtem Fernblei- ben aus der Maßnahme begründet.
Das inzwischen angerufene Sozialgericht scheint ebenfalls – bislang zumindest – wenig Verständnis dafür zu zeigen, wie schwer die Leistungskürzungen bei beiden Eltern die ganze Familie belasten – und insbesondere bei denen mit betroffenen Kindern großen Schaden verursachen. Die Eltern wurden bislang getrennt voneinander durch die Instanzen gewunken und mit dem Scheitern an der sogenannten 750-€-Streitwertgrenze erbarmungslos nach Hause geschickt.
Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die Kammer des Hamburger Sozial-gerichts, die jetzt für die Eilklage des Vaters zuständig ist, endlich die Notlage der Familie erkennt und nicht erneut den Artikel 1 des Grundgesetzes und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts links liegen lässt, in denen ausdrücklich die "Schutzpflicht“ der Sozialgerichte in Eilverfahren gegenüber individuellen Schicksalen von den Verfassungsrichtern angemahnt wird und darüber hinaus endlich einmal dem Antrag der Klage Folge leistet, den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage der grundsätzlichen Verfassungswidrigkeit von Hartz IV-Sanktionen zur Prüfung vorlegt. (PK)
Brigitte Vallenthin ist Sprecherin der Hartz4-Plattform
Weitersagen! Kürzlich erschienen: „Ich bin dann mal Hartz IV“ von Brigitte Vallenthin, Vorwort von Helga Spindler, 128 Seiten, 9,80 €, ISBN
978-3-89965-433-2: www.hartz4-plattform.de
Online-Flyer Nr. 325 vom 26.10.2011
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