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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Glossen
Grinsend für das Reichtums-Abstands-Gebot
Ursula von der Leyen
Von Werner Rügemer

Achtung: Die Politsatire in Deutschland lebt! Peter Sodann (75), viele Jahre lang Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant in Halle an der Saale, hat als Herausgeber des Buches "Lügenbarone und Ganoven" im Eulenspiegel-Verlag im September "fünfzig wahrheitsgemäße Porträts wichtiger, aber unnötiger Deutscher" veröffentlicht. Der Journalist, Buchautor und Kölner Karls-Preis-Träger der NRhZ, Werner Rügemer, ist mit fünf Beiträgen dabei - Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Henryk Broder haben wir schon vorgestellt. Diesmal geht es um Ursula von der Leyen, die Rügemer sich genauer als andere Journalisten angeschaut hat. Viel Spaß wünscht die Redaktion. 
 

Grinseministerin Ursula von der Leyen
NRhZ-Archiv
Sie grinst. Dafür hat sie gute bzw. schlechte Gründe. Ihr Ehemann aus der Dynastie der Krefelder Seidenbarone von der Leyen kann sich als staatlich alimentierter Professor risikofrei als Unternehmer betätigen. Sie bekommt sieben mal Kindergeld vom Staat, nein besser: Sie kann sieben mal den viel höheren Kinder-Steuervorteil der Vermögenden zum Ministergehalt dazuschlagen. Irgendwie müssen die zahlreichen Hausbediensteten auf dem schloßartigen Familienanwesen in Burgdorf-Beinhorn schließlich bezahlt werden.
Sie ist nicht die Powerfrau, als die sie sich vortäuscht, sondern ein Kunstprodukt der Gossenpresse. Die „promovierte Gynäkologin“ ist keine, einen Facharztabschluß hat sie nicht. Der „Aufenthalt in Stanford“ suggeriert Lehr- oder Forschungstätigkeit an der kalifornischen Elite-Universität, doch dort war sie nur als Anhängsel ihres Karrieremannes. In die Politik wurde sie gefingert vom Netzwerk ihres Vaters Ernst Albrecht, erst Finanzdirektor bei Bahlsen-Keks, dann CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen. Grinsen war sein Markenzeichen. Grinsend setzte er durch, was andere christlich lackierte Atomlobbyisten in anderen Bundesländern damals nicht schafften, z.B. das „sichere“ Atommüll-“Endlager“ in Gorleben. Er kaufte auf Staatskosten das Schloss Nienover, um dessen feinste Barockmöbel in seine Diensträume schaffen zu lassen – das Schloss war ansonsten nicht zu gebrauchen und gammelte bis zum Ende von Albrechts Dienstzeit 1990 mit hohen Unterhaltungskosten dahin. Er wurde wegen dieses Mißbrauchs von Steuergeldern nie sanktioniert. Sowas stärkt einen ganzen Clan.
 
So wurde die „Powerfrau“ in Niedersachsen Sozialministerin. Die Bezeichnung täuscht. Asozial schaffte sie gegen starke Widerstände das Landesblindengeld ab. Damit qualifizierte sie sich für Höheres.
 
Als Bundesministerin für Familie setzte sie 2007 das Elterngeld durch. Den bis dahin gleichen Betrag für alle Eltern wandelte sie um: jetzt bekommen die besser verdienenden Eltern mehr als die anderen.
 
Als Bundesministerin für Arbeit und Soziales strich sie den Hartz IV-Empfängern das Elterngeld, denn die Gleichheit der Arbeitslosen vor dem Gesetz konnte sie den Bessserverdienern nicht zumuten. Begründung: Die „zusätzliche“ Gewährung von Elterngeld verstoße gegen das Lohnabstands-Gebot!
 
Das Bundesverfassungsgericht wies die Hartz IV-Regelsätze für die Arbeitslosen als rechtwidrig ab und mahnte ihr „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ an. Doch sowas grinst die Lohnabstands-Gebieterin mitleidlos weg. Stattdessen gibt es fünf Euro im Monat für die Erwachsenen mehr und eine Nullrunde für die Kinder. Zusätzlich strich sie die bisher vom Staat gezahlten Rentenbeiträge. Auch polemisiert sie gegen den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Um zugunsten ihrer Klientel Schlimmeres zu verhindern, schwenkte sie bei der Leiharbeit ein bißchen um. „Mindestlohn bei Leiharbeit verhindert Lohndumping“, behauptete sie nun dauergrinsend. Das ist natürlich Quatsch, denn nur „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ könnte Lohndumping verhindern.
 
Mit scheinbar sozialer Attitüde verkündete sie, sie wolle Ein-Euro-Jobs „einschränken“. Zu der Erkenntnis, dass die meisten Ein-Euro-Jobs gegen das Gesetz verstoßen, weil sie für Niedrigstlöhnerei mißbraucht werden, trug die Ministerin selbst nichts bei. Gesetzesbrüche, von Unternehmen begangen, findet sie gut. Da musste erst das Bundessozialgericht kommen, um den zwangsverpflichteten Jobbern zu ihrem Recht zu verhelfen: Sie haben jetzt rückwirkend Anspruch auf Tariflohn, Sozialleistungen und Sozialversicherungsbeiträge. Wenn die Grinserin nun solche Jobs „einschränken“ will, dann nicht wegen der Rechtswidrigkeit, sondern um auch hier zu kürzen. Keineswegs soll das „Gesparte“ für bessere Maßnahmen zugunsten der Arbeitslosen eingesetzt, sondern dem Bankenretter-Staat in den Rachen geworfen werden. Das Lohnabstands-Gebot ist zugleich ein Reichtums-Abstands-Gebot.
 
Arme Menschen öffentlich boßstellen, das kann die Politchristin, die Mitglied der evangelischen Landeskirche Hannover ist und ihr teuflisches Lächeln auch als Schirmherrin des evangelikalen Jugendkonkresses Christival ausspielt. Beim Bildungs- und Teilhabepaket müssten die Betroffenen etwa 10 Millionen einzelne Anträge stellen, für Schulausflug, Nachhilfe, Sportverein, Mittagessen, Musikunterricht, und das alle halbe Jahre wieder... Die Grinserin will angeblich überall staatliche Bürokratie abschaffen, aber gegen Bedürftige errichtet sie ein teures Verhinderungs-Bürokratiemonster statt einfach die Regelsätze zu erhöhen.
 
Reichtums-Abstands-Gebieter müssen arme Menschen hart bestrafen. Natürlich in BILD verkündet sie, dass die Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger noch konsequenter angewandt werden. Deutschland führt: „Im internationalen Vergleich ermöglicht Hartz IV die strengsten Sanktionen“, jubelt sie. In BILD Hannover, der Hauszeitung ihres Vaters, schwärmte die Powerfrau: „Lieber Papa, das habe ich von Dir gelernt“. (PK)


Online-Flyer Nr. 328  vom 16.11.2011

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