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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Das Geschäft mit angeblich kompostierbaren Einkaufstüten aus "Bioplastik"
DUH: "Werbelüge von Aldi und Rewe"
Von Peter Kleinert

Angeblich biologisch abbaubare Plastiktüten werden von großen Handelsunternehmen wie Aldi und Rewe, die von einem nachhaltigen Image profitieren wollen, als besonders umweltfreundlich beworben. Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) bei der chemischen Industrie, Plastiktütenherstellern, Handelsunternehmen, Kompostierbetrieben und Entsorgern ergaben, dass es sich dabei um eine „systematische und besonders dreiste Verbrauchertäuschung handelt". Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) fordert „ein sofortiges Ende dieser Werbelüge und Umstellung auf umweltfreundlichere Alternativen".
 

Haben Aldi-Einkaufstüten vielleicht
sogar ähnliche Bio-Qualität wie
die Produkte von diesem
Schweizer Bauern?
Mit ihren angeblich kompostierbaren Einkaufstüten gäben die Handels-unternehmen Aldi und Rewe ihren Kunden das Gefühl, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Recherchen der DUH hätten jetzt ergeben, dass die als ökologisch beworbenen Plastiktüten weder umweltfreundlich sind noch kompostiert werden. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 11.4. in Berlin warf die Umwelt- und Verbraucherschutz-organisation den beiden Supermarkt-ketten „Greenwashing und Verbraucher-täuschung" vor und forderte sie auf, die bewusste Irreführung sofort zu beenden.
 
Laut Aldi und Rewe seien die Tragetaschen „so weit wie möglich aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt“ und „100% kompostierbar“. Während Rewe seinen Kunden verspreche, mit dem Kauf der Einwegtüte „gemeinsam Gutes“ zu tun, appelliere Aldi Süd mit dem Aufdruck „Zeig der Umwelt ein Lächeln“ direkt an das Gewissen der Konsumenten. Alle Tüten sind mit Motiven von Blumen, Tieren und grünen Feldern bedruckt und erwecken so den Eindruck, dass es sich bei den Plastiktüten um ein ökologisch vorteilhaftes Produkt handelt. Ein grünes Keimling-Zeichen soll den Tragetaschen von offizieller Seite die Kompostierbarkeit bescheinigen.
 
Verbraucher für dumm verkaufen
 
„Aldi und Rewe versuchen den Verbraucher für dumm zu verkaufen, indem man ihn glauben lässt, durch den Kauf der Tüten Gutes zu tun. Doch die angeblich ‚grünen‘ Plastiktüten helfen der Umwelt nicht, im Gegenteil. Sie werden nicht kompostiert, lassen sich auch nicht recyceln und bestehen hauptsächlich aus Erdöl“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH die Handelsunternehmen. Außerdem kosteten die seit etwa vier Jahren angebotenen sogenannten Biotüten im Handel zwischen 30 und 50 Cent und seien damit deutlich teurer als Einwegplastiktüten, sagt Resch. „Es handelt sich um einen besonders breiten und dreisten Fall der Verbrauchertäuschung.“ Resch fordert deshalb von Aldi und Rewe, diese Verbrauchertäuschung unverzüglich zu beenden und auf umweltfreundlichere Alternativen umzustellen.
 
Im Rahmen einer umfassenden Abfrage bei der chemischen Industrie, Plastiktütenherstellern, Handelsunternehmen, Kompostierern und Entsorgern habe die DUH recherchiert, was die scheinbar ökologisch vorteilhaften Kunststofftüten wirklich leisten. Besonders interessant sei, dass sie laut Herstellerangaben überhaupt nicht für die Eigenkompostierung geeignet sind. In industriellen Kompostierungsanlagen werden sie gemeinsam mit herkömmlichen Plastiktüten als "Störstoffe" aussortiert, um Plastikreste im Kompost zu vermeiden. Eine Umfrage unter mehr als 80 deutschen Kompostierungsanlagen belege zudem, dass eine Kompostierung biologisch abbaubarer Kunststoffe – darunter auch die angeblich zu 100 Prozent kompostierbaren Tragetaschen von Aldi und Rewe – praktisch nicht stattfinde. „Die gebräuchlichen biologisch abbaubaren Kunststoffe bauen sich viel langsamer als herkömmliche Bioabfälle ab, und führen dadurch zu hohen Störstoffanteilen im Kompost. Auf diese Weise verunreinigter Kompost lässt sich kaum noch vermarkten“, erklärt Herbert Probst, Vorstandsmitglied des Verbandes der Humus- und Erdenwirtschaft Region Nord e.V.
 
Kompostierungsanlagenbetreiber widersprechen
 
Zwar seien die Aldi- und Rewe-Tüten nach der (öffentlich nicht zugänglichen) Norm DIN EN 13432 biologisch abbaubar. Jedoch offenbart diese bei genauerer Betrachtung eine große Schwäche. Denn nach ihrer Vorgabe müssen die Plastiktüten erst innerhalb von zwölf Wochen unter bestimmten Vorgaben und Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoff in industriellen Kompostierungsanlagen zu mindestens 90 Prozent zersetzt sein. Deutsche Kompostierungsanlagen arbeiten in der Regel mit deutlich kürzeren Verweilzeiten zwischen ein bis acht Wochen. Gleichzeitig reiche der nach der DIN Norm EN 13432 auch nach knapp drei Monaten zugelassene Plastikanteil von zehn Prozent im Kompost aus, um dessen Qualität erheblich herabzusetzen. Viele deutsche Kommunen haben laut DUH deshalb "die Entsorgung von Bioplastiktüten und anderen Biokunststoffen über die Biotonne verboten".
 
Selbst wenn man theoretisch von einem vollständigen biologischen Abbau der Plastiktüten ausgehen würde, ergäbe sich daraus kein ökologischer Nutzen. Das Plastik ließe sich durch den Prozess zwar entsorgen. Jedoch würden keine Nährstoffe freigesetzt und kein Humus aufgebaut. „Auf diese Weise würden energieintensiv hergestellte Rohstoffe vernichtet statt sie durch ein Recycling im Kreislauf zu halten“, erklärt die DUH-Bereichsleiterin für Kreislaufwirtschaft Maria Elander. „Das Recycling biologisch abbaubarer Kunststoffmischprodukte, wie die Aldi- und Rewe-Tüten, bleibt in der Realität ebenfalls eine Fantasie. Denn als biologisch abbaubar bezeichnete Biokunststoffe aus Haushalten lassen sich nicht werkstofflich recyceln.“ Verantwortlich dafür seien laut Herstellerangaben die unterschiedlichen Materialeigenschaften der Kunststoffe, die zu 30 Prozent aus maisbasierter Polymilchsäure (PLA) und zu 70 Prozent aus dem erdölbasierten BASF-Kunststoff Ecoflex bestehen.
 
Nach Einschätzung der DUH gibt es - unabhängig von den verwendeten Rohstoffen - „keine umweltfreundlichen Einweg-Plastiktüten. Eine gute Plastiktüte entsteht erst gar nicht. Deshalb bieten Mehrwegbeutel und -taschen eine umweltfreundliche Variante". Für nicht vermeidbare Einwegkonzepte fordert die Umweltschutzorganisation recyclingfähige Materialien, ein optimiertes Recyclingverfahren und hohe Anteile an Recyclingmaterialien. (PK)


Online-Flyer Nr. 350  vom 18.04.2012

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