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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Schiffchen auf dem Rhein kapern oder sachliche Information…
Was zählt mehr in der Kölner Presse?
Von Claus Hübner

Vom 12. bis 16. März fand in Köln auf dem Rudolfplatz eine einwöchige Dauerdemonstration von hungerstreikenden Kurden aus Köln und Umgebung statt. Sie protestierten gegen die zunehmenden willkürlichen Verhaftungen, gegen Folter sowie illegale Hinrichtungen aus politischen Gründen in der Türkei. Für Passanten lag zu diesem Thema umfangreiches Infomaterial bereit, in dem die Gründe für diesen Hungerstreik ausführlich dargelegt wurden.

Kundgebung hungerstreikender Kurden auf dem Kölner Rudolfplatz
Fotos: Claus Hübner
 
Folgendes Zitat aus der Pressemappe soll die Aktion erläutern: „Unter dem Deckmantel der sogenannten Antiterrorgesetze hat die AKP-Regierung seit 2009 insgesamt mehr als 6.300 AktivistInnen (darunter Parlamentsabgeordnete, BürgermeisterInnen, Kreistagsabgeordnete, Gemeinderatsmitglieder, SchriftstellerInnen, JournalistInnen, MenschenrechtlerInnen, AnwältInnen, GewerkschafterInnen, Frauenrechtlerinnen, StudentInnen und Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen und mehrere hundert Kinder) inhaftieren lassen.“ Dies und über die Isolationshaftbedingungen von Abdullah Öcalan, die indirekte Unterstützung der Türkei durch die westlichen Regierungen sowie über Vorschläge zur Beendung des seit über 30 Jahre dauernden Konfliktes in der Türkei konnte man in der Pressemappe und auf einem der Zelte der Demonstranten lesen.


Mir schilderte ein Mann, wie er als Kind Anfang der 80ger Jahre durch türkisches Militär mitten in der Nacht mit seiner Familie aus dem Haus in einem kleinen Dorf getrieben wurde.
Die offizielle Begründung war, man suche „Terroristen“. Da man keine fand, wurde in ca. 90 Minuten das Dorf, das damals ungefähr 160 Einwohne hatte, komplett durch von Helikoptern geworfene Brandbomben und Panzerfäuste dem Erdboden gleichgemacht. Alle Menschen mussten mit nichts, außer dem was sie am Leibe hatten, aus dem zerstörten Dorf verschwinden, und so kam er als 6jähriger mit seiner Familie nach Deutschland.
 
Der Mann erzählte mir weiter, wenn es die PKK und die Furcht vor der PKK nicht gegeben hätte, hätte man sie wahrscheinlich damals alle getötet. Deshalb habe er den bewaffneten Kampf der PKK sozusagen als Notwehr bis Anfang der 90er Jahre für berechtigt gehalten. Niemand sonst habe sich damals um die Kurden und deren Schicksal gekümmert.
 
Jetzt aber strebe man eine Lösung des bewaffneten Konfliktes nach Art der IRA in Irland oder wie in Südafrika an. Dazu brauche man aber die Unterstützung der westlichen Länder, die als Moderatoren für einen aktiven Friedensprozess tätig werden könnten, wenn sie denn wollten. Nur würde man in Deutschland z.B. die Kurden zumeist pauschal als Terroristen einstufen und sie ansonsten schlicht ignorieren und diskriminieren. Deshalb sei eine 17seitige, sehr informative Pressemappe erstellt und an alle lokalen Kölner Medien (inklusive TV-Anstalten) verschickt worden.
 
Alles das, Informationen und solche Gespräche, hätte jeder der wollte, selbst erleben können. Und die, die nichts von der Aktion mitbekommen hatten in der Millionenstadt Köln, hätten ein Anrecht gehabt, darüber etwas in den Printmedien zu lesen. Zumindest unsere hoch gelobte sogenannte freie Presse hätte ein paar Zeilen darüber schreiben können.
 
Aber nicht in Köln, hier ist pressemäßig „DuMont-Land“! Alle Tageszeitungen inklusive des lokalen Rundfunksenders „KölnRadio“, bis auf BILD und taz, sind in der Hand eines alternden Pressezaren! Ich habe bis heute auch nichts, keine Zeile, von dieser Protestaktion auf dem Rudolfplatz im Internet gefunden. Auch heute bringt Google-News nichts dazu!
 
Dafür wurde aber am Wochenende und heute prompt mit Fotos über eine andere Aktion der Kurden in Köln berichtet. Dies aber offenbar nur, weil die Kurden, gemäß dem ihnen anhaftenden Presse-Image als Terroristen, ein Ausflugsbötchen in Köln „gekapert“ hatten und in Richtung Rheinufer ein paar Mitteilungen über Bordlautsprecher verlesen wollten. Die ganze Aktion verlief friedlich und ohne jede Gewalt, doch die Polizei nahm die 10 Personen trotzdem fest und überführte sie dem Staatsschutz.
 
Fazit: Normale sachliche Aufklärung und Information über andauernde Menschenrechtsverletzungen und sogar Tötungen sind für die hiesigen Journalisten anscheinend uninteressant wenn sie Kurden betreffen. Man muss in Köln also erst ein Boot auf dem Rhein kapern oder RTL kurzzeitig (alles friedlich!) besetzen, damit man ein wenig Aufmerksamkeit in der hiesigen Presselandschaft bekommt. Qualitätsjournalismus sieht anders aus und ist wohl immer mehr auf dem absteigenden Ast.
 
Dafür steigt der Kampagnenjournalismus, wie ihn der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus dem DuMont-Verlag z.B. am 14. April wieder mal für die dahinsiechende FDP praktizierte (siehe NRhZ 350), in der Gunst der Verleger und Kapitaleigner der Presse immer höher. Das ist wohl auch gewinnbringender als faire Berichterstattung und freie Meinungsäußerung! (PK)


Online-Flyer Nr. 351  vom 25.04.2012

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