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Lokales
Nach dem Lebensgefährten das Jurymitglied - Auszeichnung für Anne Linsel
Wuppertaler Kulturpreis wird entwertet
Von Peter Kleinert
Der Wuppertaler Von der Heydt-Preis 2012 geht an Anne Linsel. Auf der offiziellen Website der Stadt steht, dass es sich um eine Journalistin und „Filmemacherin“ handelt. Ersteres ist richtig, der zweite Begriff ungeschützt, kann also von jedem geführt werden. Sich selbst stellt die Wuppertalerin im Internet auch als „Regisseurin“ vor. Was auch jeder darf. Zumal sie immerhin einige Fernsehreportagen und ein 60minütiges TV-Feature über jene Tanztruppe gedreht hat, die weit über Wuppertal hinaus bekannt ist. Titel des Werks „Pina“. Ein Feature. Ein Jahr später, 2010, kam sogar eine 29 Minuten längere Adaption ins Kino. Dass beide Versionen vor allem von der Kunst der Protagonisten Pina Bausch, Bénédicte Billiet, Joy Wonnenberg, Kameramann Rainer Hoffmann und begeistert tanzenden Teenagern lebten, gehört auch gesagt.
Anne Linsel
„Pina“ hieß 2011 ein anderes Werk. Ein wunderbares. Von einem ausgewiesenen Regisseur. Wim Wenders 3-D-Film wurde zu recht mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Hollywood ehrte ihn zwar leider nicht. Das überließen die Amerikaner der Stadt Wuppertal. In der Hoffnung auf Oscar-Glamour steckte sie Wenders ihren Ehrenring an. Mit einer pompösen Feier, obwohl die Stadt zu den ärmsten in Deutschland zählt, was sich im Straßenbild unschwer ablesen lässt.
Pina Bausch
In Ermangelung eines echten Filmemachers nun also eine Art Zweitaufguss für eine 70jährige Journalistin. 2009 hatte Anne Linsel vor allem außerhalb Wuppertals für einen Eklat gesorgt. Ausgerechnet ihr Lebensgefährte, der Schriftsteller Michael Zeller, hatte den Kulturpreis zugeschustert bekommen. Dass er Preisträger werden würde, pfiffen die Spatzen bereits lange vor dem offiziellen Juryentscheid von den Dächern. Die FAZ titelte ironisch über den Mann, der durch kleinere Beiträge in der Vergangenheit auch als „FAZ-Autor“ gilt: „Preisverdächtig“.
Schriftsteller Michael Zeller
Online-Flyer Nr. 373 vom 26.09.2012
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Lokales
Nach dem Lebensgefährten das Jurymitglied - Auszeichnung für Anne Linsel
Wuppertaler Kulturpreis wird entwertet
Von Peter Kleinert
Der Wuppertaler Von der Heydt-Preis 2012 geht an Anne Linsel. Auf der offiziellen Website der Stadt steht, dass es sich um eine Journalistin und „Filmemacherin“ handelt. Ersteres ist richtig, der zweite Begriff ungeschützt, kann also von jedem geführt werden. Sich selbst stellt die Wuppertalerin im Internet auch als „Regisseurin“ vor. Was auch jeder darf. Zumal sie immerhin einige Fernsehreportagen und ein 60minütiges TV-Feature über jene Tanztruppe gedreht hat, die weit über Wuppertal hinaus bekannt ist. Titel des Werks „Pina“. Ein Feature. Ein Jahr später, 2010, kam sogar eine 29 Minuten längere Adaption ins Kino. Dass beide Versionen vor allem von der Kunst der Protagonisten Pina Bausch, Bénédicte Billiet, Joy Wonnenberg, Kameramann Rainer Hoffmann und begeistert tanzenden Teenagern lebten, gehört auch gesagt.
Anne Linsel
Quelle: google.de/peliculasafondo.com
Pina Bausch
NRhZ-Archiv
Woher man wusste, was noch gar nicht entschieden war? Und warum, für was wurde der Mann mit dem 12.500 Euro-schweren Preis bedacht? Er hat einige Bücher geschrieben. Keine Bestseller. Aber in der Wuppertaler Kulturpreisjury saß sein größter Fan. Ein sehr einflussreicher. Wie eine Löwin soll Anne Linsel dort um die so gut dotierte Auszeichnung für ihren armen Poeten gekämpft haben. Selbst mit den Waffen einer Frau, mit Tränen. Dass andere dabei übergangen und verletzt wurden, verwundert kaum und dürfte der Grund für die Indiskretion gewesen sein, dass die noch nicht gefallene, aber längst durchgesetzte Entscheidung früh an die Öffentlichkeit kam.
Nicht der erste Skandal
Als ich noch in Wuppertal gelegentlich journalistisch zu tun hatte, ist mir ein vergleichbarer Einsatz von Frau Linsel nicht aufgefallen. Damals ging es um einen ähnlichen Skandal: Die Jury hatte der Tanztheaterchefin Pina Bausch 1978 den „Eduard von der Heydt-Kultur-Preis“ zuerkannt. Allerdings halbherzig. Im doppelten Sinne des Wortes. Die andere Hälfte des Preises bekam der unbedeutende Maler Alfred Leithäuser. Der soll allerdings ebenfalls jemanden in der Jury gehabt haben, der ihm nahestand, wie Jahre später in der Causa Zeller.
Schriftsteller Michael Zeller
Quelle: KrakauerHaus/Foto Krzysztof Nowak.jpg
Der Wuppertaler WDR-Studioleiter Hajo Jahn war der einzige Journalist, der den Vorfall öffentlich kritisierte. Im Hörfunk empfahl er zudem Pina Bausch, die halbherzige Auszeichnung nicht anzunehmen. Er hat auch annähernd ein Jahrzehnt darum gekämpft, den nach dem „Bankier der Nazis“ (Bild am Sonntag, BamS) benannten „Eduard von der Heydt-Kulturpreis“ zu ändern, möglichst nach dem NS-Opfer Else Lasker-Schüler zu benennen. Anne Linsel, die einmal bis zu ihrer Abwahl Vorsitzende der von Jahn gegründeten Else Lasker-Schüler-Gesellschaft war, war eher auf der Seite der Lokalpatrioten, die an der überkommenen Bezeichnung festhalten wollten. „Es müsse doch endlich einmal mit dieser Vergangenheitsaufrechnung Schluss sein.“ So oder ähnlich will es eine Wuppertalerin von ihr angeblich gehört haben.
WDR-Kollege Jahn wurde als Nestbeschmutzer angegriffen. Die Lasker-Schüler-Gesellschaft verlor erklecklich an Mitgliedern in der Stadt, die Eduard von der Heydt als Wohltäter feierte. Hajo Jahn schaffte lediglich einen winzigen Achtungserfolg. Der Vorname des umstrittenen Mäzens wurde gestrichen. Wegen der Auseinandersetzungen wurde der Preis 2007 ausgesetzt. Bittet man Jahn jetzt um einen Kommentar zu der Preisverleihung für Anne Linsel, kommt von ihm, der sonst nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg hält, nur die enttäuschende Antwort: „Ich kämpfe nicht mehr die Kämpfe von gestern.“
Gemeinsam mit der Goethe-Gesellschaft ehrte er inzwischen den Wuppertaler Ästhetik-Professor Bazon Brok für sein Lebenswerk, einen in Fachkreisen international berühmten Mann. Jedoch ohne Lobby in der Jury des Von der Heydt-Kulturpreises. Gäbe es nicht die Stadtsparkasse, die einen eigenen Kulturpreis verleiht, blieben Künstler wie Achim Reichel, Erfinder des „Daxophons“, aus der alternativen Kulturszene in Wuppertal völlig links liegen.
Und die Medien?
Der WDR versinkt in Berichterstattung über Unterhaltsames. Die Monopolzeitung WZ singt das Lied der Mächtigen und Einflussreichen (wie A.L.). Da sie konkurrenzlos ist, ist kritischer Journalismus in Wuppertal ein Fremdwort geworden. Belangloses hat Konjunktur. Doch es war mit dem BamS-Chefreporter Helmut Böger ein Wuppertaler, der den Skandal um den wegen seiner Nazi-Geldwaschgeschäfte belasteten Namensgeber des Kulturpreises veröffentlicht hatte. Ausgerechnet in einer Boulevardzeitung, wo Kulturthemen sonst kaum vorkommen. Auf zwei Seiten in einer großen Auflage hatte sich Böger die Namen der Preisträger vorgenommen. Ausgezeichnet worden waren u. a. Heinrich Böll sowie die NS-Verfolgten Georg Meistermann und Armin T. Wegner. Sie alle, so seine Schlussfolgerung, hätten wohl kaum die Auszeichnung angenommen, wenn sie um die Vergangenheit des Schweizer Bankiers aus dem Wuppertal gewusst hätten. Der wird noch heute qua Bundesgesetz als „Feind der USA“ geführt.
Jetzt also die Verquickungen der „Filmemacherin“ und „Regisseurin“ Anne Linsel mit den Einflussreichen in Wuppertal. Nur hinter vorgehaltener Hand wird gefragt, was oder wer sie in die Jury gebracht hat und warum sie dort ziemlich lange wirken konnte. Dass sie ihren Einfluss ausgespielt hat, um nun selbst ausgezeichnet zu werden, dürfte keine Übertreibung sein. Der Preis ist mit 12.500 Euro dotiert. Noch wichtiger als das Geld dürfte jedoch für die „Filmemacherin/Regisseurin“ eine glanzvolle öffentliche Verleihungszeremonie sein. Mit Oberbürgermeister und all den anderen Honoratioren. Gewiss auch mit Ex-Preisträger Michael Zeller. Wenn die Sonne niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.
Mächtige Förderer
Penibel zählt Anne Linsel auf ihrer Website ihre Arbeiten auf. Auf dem Lerchenberg in Mainz gibt es KollegInnen, die sich noch daran erinnern, von welchem mächtigen Fürsprech Anne Linsel vor Mikrofon und Kamera bei „Aspekte“ und die ZDF-Reihe „Zeugen des Jahrhunderts“ gehoben worden sein soll. Das Mitglied des ZDF-Verwaltungsrats schaffte es später von Wuppertal aus ins höchste Staatsamt der Bundesrepublik: Zu Beginn der Karriere war Johannes Rau kurz Oberbürgermeister seiner Heimatstadt. Der Rathausvorplatz trägt seinen Namen. Im Rathaus fühlt man sich ihm ebenso verbunden wie seiner Jugendfreundin. Auf meine Mailanfrage, wie lange die neue Preisträgerin Mitglied der Jury war und wer dort jetzt die Entscheidungen fällt, erhielt ich bisher keine Antwort. Dabei sind die Presseämter verpflichtet, Journalisten Auskunft zu geben. Doch man hat sich so herrlich arrangiert mit den zahnlosen Medien in der Stadt. Da würde eine vermutlich kritische Berichterstattung nur stören.
Aber wetten, dass der nächste Preisträger schon wieder ausgeguckt ist? Das dürfte der Preis sein für die Preisverleihung an die preisverdächtige Filmemacherin/Regisseurin. So kann man einen Kulturpreis weiter entwerten. (PK)
Online-Flyer Nr. 373 vom 26.09.2012
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