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Medien
"Unsere" Medien und deren Berichterstattung über Syrien
Auftragsschreiber
Von Volker Bräutigam

Sogar Michel, der Dorfdepp, hat mittlerweile geschnallt, dass die Agenturberichte über Syrien zumeist üble Kriegshetze sind. Die deutsche Bürgermehrheit begreift seit geraumer Zeit, dass es sich bei dem in Syrien marodierenden Gelichter um Verbrecher handelt, die erst das Nachrichtenkartell aus den kommerziellen Agenturbetrieben dpa, dapd & Co. in seinen Texten zu Revolutionären und Freiheitskämpfern adelt.

Keineswegs von dpa, Bild oder Spiegel
Quelle: http://julius-hensel.com
 
Mehrheitlich sind sie einheimisch, jedoch vom Ausland bezahlt und bewaffnet. Den großen Rest der mörderischen Banden stellen die jenseits der Grenzen angeworbenen Söldner, und allesamt werden geschult, programmiert, angeleitet, befehligt von gewissenlosen US- beziehungsweise NATO-Spezialisten, vulgo: westlichen Militärberatern.
 
Es ist grotesk, diese "Syrer" als Aufständische, hilfsweise als Rebellen zu etikettieren oder mit dem absichtsvoll verallgemeinernden Ausdruck Oppositionelle oder gar der albernen Wortschöpfung Aktivist - Steigerungsform: Menschenrechtsaktivist - zu benennen. Es zeigt sich, wie unbefriedigend die Redakteure ihre Dienstleistungspflicht als Giftmischer der westlichen Wertegemeinschaft erfüllen: alles zu abgelutscht, zu primitiv, zu offensichtlich verlogen. Schießwütige Paramilitärs als "Freie Syrische Armee" auszugeben und ihre zivilen Hintermänner mit nach Demokratie und Anstand duftenden Funktionsbezeichnungen wie "Syrischer Nationalrat" auszustatten, erzeugt in Deutschland keine neuen Sympathisanten mehr und macht keine Kriegslaune. Gar deutlich merkt der Michel, dass immer mehr Politiker-Neusprech in die Nachrichtensendungen schwappt.
 
Inzwischen spricht sich sogar herum, was es mit der "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" (Sitz: London) auf sich hat: So nennen Agenturtexter das halbe Dutzend Geschäftsleute, die ihren Lebensunterhalt mit syrienfeindlicher Agitprop verdienen und ihr Geld sowie ihre "Informationen" von den US-Geheimdiensten bekommen. Für das Imperium lohnt sich der kleine Aufwand. Seine Eliten in den USA wie in Deutschland wissen nur zu genau, dass der Krieg um die uneingeschränkte Herrschaft über den Nahen und Mittleren Osten im Kern auf mentaler Ebene entschieden wird, auch wenn vor Ort weiterhin physisch gebombt, geblutet, gemordet, verstümmelt und vergewaltigt wird.
 
Selbstverständlich tobt auch bei uns dieser Kampf um die Köpfe, weshalb unser journalistisches Hauspersonal zum Thema Syrien übermäßig häufig die ölige Abfüllung Château Merkel-Westerwelle-Steinmeier-Trittin serviert, um ausreichend Besoffenheit sicherzustellen. Damit es nicht noch länger dauert, bis sogar die Nachrichtenvermelder von ARD-Tagesschau und ZDF-heute den desinformatorischen Nachbesserungsbedarf in den Formulierungen der dpa-, dpad-, AP-, Reuters- und AFP-Meldungen bemerken, weise ich speziell sie hier nachdrücklich darauf hin: Ihre gar offenkundig einseitige und formal ausgelatschte Syrienberichterstattung ermüdet. Nee, werte Kollegen, Sie kommen nicht länger darum herum, auch mal ein paar eigene Kreationen zu liefern. Immer nur den Agenturstuss abzukupfern langt nicht. Wenigstens formal sollte sich Ihr Angebot von dem in Bild und auf Spiegel online wieder unterscheiden.
 
Als Besatzungen der "Flaggschiffe" (sic!) des deutschen Nachrichtenwesens haben Sie schließlich gerade auf dem Spezialgebiet Kriegstreiberei einen Führungsauftrag. Wäre das nicht so, dann könnten die Fernsehanstalten Öffentlichen Rechts ihre Nachrichtenredaktionen ja gleich zu dpa auslagern ("outsourcen").
 
Kleine Hilfestellung: Die Insurgenten in Syrien, also das mörderische Dreckspack, werden von Saudi-Arabien und dem Emirat Katar finanziert. Die Bewaffnung stammt ebenfalls von dort sowie aus einigen NATO-Staaten und aus Israel. Das US-Imperium und seine Vasallen haben die sunnitisch-arabischen Länder als Partner im Kampf gegen den schiitischen Iran und dessen mittelöstliches Vormachtstreben entdeckt.
 
Redaktionen, die gelegentlich wieder übern Tellerrand gucken, stellen sich bereits drauf ein und differenzieren in ihrer nur generell noch islamophoben Berichterstattung. Stilbildend für den TV-Qualitäts-Nachrichten-Journalismus ist das aber noch nicht. Seine Redaktions-Aktivisten haben im Akkord Agenturtextsteine zu verbauen, da bleibt keine Zeit für selbständiges Denken. (PK)
 
 

Volker Bräutigam (geb. 1941) ist heute Autor der Politikzeitschrift Ossietzky, aus der wir diesen Artikel übernommen haben. Ursprünglich war er Tageszeitungs-Redakteur, später TV-Nachrichtenredakteur – u.a. für die Tagesschau (ARD)  in Hamburg. Er verlegte in den 1990er Jahren seinen Berufs- und Lebensmittelpunkt nach Taiwan. Durch zahlreiche Veröffentlichungen zu sozial-, medien- und umweltpolitischen Themen sowie zu Fragen der internationalen Politik wurde er als Publizist bekannt.



Online-Flyer Nr. 374  vom 03.10.2012

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