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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Glossen
Laut Süddeutsche Zeitung ein guter Reicher: Jan Philipp Reemtsma
Das Kapital geht lieber stiften
Von Ulrich Gellermann

Jan Philipp Reemtsma ist ein ehrenwerter Mann. Seine Stiftung fördert mit sechs Millionen jährlich soziale, politische und künstlerische Projekte, deren gesellschaftlicher Nutzen selten Zweifel zulässt. Als herausragendes Beispiel darf die von der Reemtsma Stiftung geförderte Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gelten. Kaum eine andere Ausstellung in den letzten Jahren hat so gründlich mit einer Traditionslüge aufgeräumt: Nein, die Wehrmacht war nicht besser als ihr oberster Feldherr, Adolf Hitler.
 

Stifter und Professor an
der Universität Hamburg:
Jan Philipp Reemtsma
Dem ehrenwerten Jan Philipp Reemtsma räumte vor einigen Tagen die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG eine ganze Seite ein, um für die Freiheit der Stifter zu plädieren: "Die Freiheit (der Reichen) zu entscheiden, was sie für nützlich halten." Es gibt ihn doch, den guten Kapitalisten, der große Teile seines Vermögens einem guten Zweck zuführt, so las sich das Plädoyer von Reemtsma. Wenn ihr ihn nur in Ruhe lasst, dann gibt er euch einen fairen Anteil von dem, was er in den Jahren zuvor eingenommen hat.
 
Nicht von ungefähr beginnt Reemtsmas Ehrenrettung des kapitalen Stifters und seiner Freiheit mit seinem Geld, das zu stiften was er will, mit den amerikanischen Milliardären Warren Buffet (Privatvermögen 44 Milliarden Dollar) und Bill Gates (Privatvermögen 61 Milliarden Dollar). Die hatten jüngst große Teile ihres Vermögens in eine gemeinsame, wohltätige Stiftung überführt, die zum Beispiel den Kindern aus armen Familien eine bessere Bildung ermöglicht.
 
Nun gibt es Kritiker, die meinen, würden die Milliardäre, in den USA und anderswo, nur anständig Steuern zahlen, dann wären solche Almosen gar nicht nötig. Diesem Sozial-Genörgel, wie Reemtsma es versteht, begegnet er mit einem hübschen Trick: Sicher sei es ungerecht, dass die Milliardäre bestimmen könnten wohin ihr Geld fließt, aber das ergäbe sich ja aus der Ungerechtigkeit, dass sie das viele Geld hätten. Und so käme eben eines zum anderen, deshalb sei auch der Vorschlag, man solle den Über-Reichen ihr Geld wegsteuern, "dem Fiskus geben", eine völlig dumme Alternative: "So etwas würde im Ernst niemand vorschlagen." So, vermittelt uns der wohltätige Reemtsma, seien die Verhältnisse eben, gottgegeben also.
 
Und weil Reemtsma und die anderen seiner Gattung nach Gottes unerforschlichem Ratschluss eben oben auf der Brühe schwimmen, sucht der Hamburger Zigarettenerbe in der Religion nach Begründungen für die Fettaugen-Theorie: "Das Christentum zählt den Geiz zu den Sünden und lobt das Almosengeben wie der Islam", schreibt unser Big Spender und fährt fort: "Man muss nicht fragen warum das so ist." Dann - wenn er es sagt - fragen wir lieber auch nicht, warum Jesus die Wechsler aus dem Tempel geworfen hat und auch nicht, was das Gleichnis vom Kamel bedeutet, das eher durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher in den Himmel gelangt. Aus Reemtsmas preiswerter Religions-Interpretation folgert dann ein ehernes Stifter-Gesetz: "Aus dem Ethos des Weggebens folgt keine Moral des Wohin-Gebens." Das denkt er natürlich nicht als Kritik, das sieht er als Zustand, wahrscheinlich ist es wieder der liebe Gott, der den so eingerichtet hat.
 
Damit wir alle lesen können, wie nachdenklich der Stifter mit seinen Millionen rechnet, erzählt er das Gleichnis von der Genitalverstümmelung. Dagegen gäbe es ja Initiativen, die auch von Spendern unterstützt würden. Die seien durchaus gut aber eben zugleich auch eine europäische Einmischung in andere Kulturen. Einer internationalen, letztlich staatlichen Organisation sei das gar nicht möglich, weil der Vorwurf des "Kulturimperialismus" sofort im Raum herumstünde. Während Reemtsmas Ausflug in die Religion preiswert war, ist dieser Versuch der Stiftungs-Apologetik billig: Natürlich hat sich die Staaten-Gemeinschaft UNO mehrfach gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen gewandt, und natürlich sucht sich der Stiftungsinhaber ein Feld heraus, bei dem er raschen Beifall erhalten kann: Ja, wenn die Millionen für die armen, verstümmelten Mädchen eingesetzt werden, dann liegt doch Segen auf dem Geld, will Reemtsma uns glauben machen.
 
Dass segensreiche Stiftungen, wie jene des VW-Konzerns zum Beispiel, ihr Kapital aus Steuervermeidung beziehen - der Volkswagenkonzern unterhält in Belgien eine Holding über die er nahezu steuerfreie Geldgeschäfte aller Art abwickelt - beschädigt den Segen bereits. Wenn aber Stiftungen, wie die von Bertelsmann (60 Milliarden Euro Aufwand in 2010), als einflussreiche Denkfabrik sowohl die asozialen Hartz4-Gesetze erdacht, wie die Militarisierung der deutschen Außenpolitik vorgedacht haben, dann kann das kaum Gottes Wille, geschweige denn der des normalen Steuerzahlers sein. Oder die Stiftung des Friedrich Christian Flick, der dem Kunstmuseum "Hamburger Bahnhof" in Berlin eine Reihe von Kunstobjekten leihweise überlassen hat, sitzt im Steuerparadies Guernsey. Die beträchtlichen Betriebskosten der Leih-Ausstellung trägt das Museum. Flick kann diese Dauer-Präsentation zu Verkaufszwecken nutzen, die Gewinne gehen auf die Null-Steuerinsel. Gekauft wurden die Kunstobjekte aus einem Vermögen, das aus der "Arisierung" und der Ausbeutung von Zwangsarbeitern stammt. Aber Reemtsma stellt unbeirrt fest: "Es kommt nicht darauf an `Gutes´ zu tun, sondern Nützliches. Und `Nützliches´ ist, was der Stifter dafür hält." Und Schwarz ist Weiß und Weiß ist Schwarz, dass ein X ein U ist, das entscheidet der Stifter.
 
In den 70er Jahren gab es für die Zigarette "Ernte 23" aus dem Reemtsma-Konzern eine interessante Marketing-Aktion: Mit den Zigaretten gab es Stimmpostkarten für denkmalgeschützte Gebäude, bei denen die Käufer die Auswahl hatten, wo der Zigarettenkonzern einen Betrag von 25.000 DM für den Denkmalschutz ausgeben sollte. Zu der Zeit hatte sich Jan Philipp Reemtsma noch nicht vom väterlichen Konzern getrennt. War es damals seine frühe Idee mit Zigarettengeld Nützliches zu tun? Wäre ein Slogan wie "Krebs für den Denkmalschutz" angemessen gewesen? Dahin deutet jedenfalls ein heutiger Satz des Stiftungs-Besitzers: "Der soziale Sinn von Stiftungen liegt gerade in ihrer Willkür." So geht das Kapital stiften: Aus dem Steuerhaushalt in die Willkür. (PK)

Diese Glosse haben wir aus dem Blog "Rationalgalerie" http://www.rationalgalerie.de/archiv/index_2_388.html
von Ulrich Gellermann übernommen.


Online-Flyer Nr. 383  vom 05.12.2012

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