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Glossen
Fett schwimmt immer oben – auch in der Republik Zypern
Die Weihnachtslotterie
Von Ulrich Gellermann

"El Gordo", den Fetten, nennen die Spanier den Hauptgewinn ihrer Weihnachtslotterie: Jahr für Jahr zu Weihnachten werden in einer großen TV-Show, in aller Öffentlichkeit, Millionengewinne unter die Los-Käufer gestreut. Doch im Verborgenen warten, kurz nach Weihachten, Milliarden auf die ganz großen Zocker: Die Banken der Republik Zypern (des griechischen Teils der Insel) sind ähnlich pleite wie der gesamte Zwergstaat. Und was machen Banken wenn sie Pleite gehen? Sie warten auf ihre Sanierung durch Steuermittel. Das Warten kann nicht mehr lange dauern: Der IWF signalisierte schon einen Schuldenschnitt für den zypriotischen Staat, der bei seinen Banken hoch verschuldet ist. Die Banken würden im Schnitt-Fall Pleite gehen, sind aber zum Teil systemrelevant, müssen also nach EU-Lesart gerettet werden: Das Glücksrad der Europa-Lotterie ist schon in Bewegung.

Zyperns Zentralbank
Quelle: http://www.panoramio.com
Foto: Artel
 
Wer sich erinnern mag: In einem schweren Anfall von gewissenloser Blödheit hatte die Europäische Union 2004 die gesamte, aber immer noch geteilte Insel als Mitglied aufgenommen. Obwohl die Türkei diesen Schritt als feindlichen Akt ansehen musste und obwohl das faire Angebot der UN, das Teilungsproblem über eine Volksabstimmung zu lösen von den griechischen Zyprioten abgelehnt wurde. In dieser grauesten aller Grauzonen errichtete der griechische Insel-Teil eine Steueroase vom Feinsten: In Zypern gibt es mit nur 10 Prozent die geringste Unternehmenssteuer in der EU, Unternehmensgewinne aus erhaltenen Dividenden sind steuerbefreit, Unternehmensgewinne aus Lizenzgebühren ebenfalls, Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien oder Firmenanteilen sind auch steuerbefreit, es gibt keine Dividendenbesteuerung für nicht ansässige Personen, es gibt keine Schenkungs- und Erbschaftssteuer und - der absolute Höhepunkt - nach der OEC-Diskriminierungsliste ist Zypern keine (in Worten: KEINE) Steueroase!
 
Schon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schleppten die russischen und ukrainischen Oligarchen ihr schwer erzocktes Geld nach Zypern: Bis zum Jahr 2000 schnellte die Zahl ausländischer Holdings auf mehr als 40.000 Unternehmen. Nachdem Zypern EU-Mitglied wurde und keiner die Steuer-Regeln änderte, hatten Schwarzgeld und Steuerhinterziehung auf der Insel einen noch besseren Hafen. Mit der völlig unkontrollierten Euro-Einführung 2008 brach der Finanzwahnsinn dann erst richtig los: Finanzinstitutionen und Banken machten danach 70 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes aus. Wie wirklich großartig der Finanzverschiebebahnhof Zypern funktioniert, wird an zwei Zahlen deutlich: Während die Direktinvestitionen aus dem großen Deutschland nach Russland im Jahr 2010 nur 20 Milliarden Euro betrugen, zauberten zypriotische Finanziers 46 Milliarden Euro aus ihrem kleinen Hut auf den russischen Markt.
 
Wo so viel überflüssiges Geld rumliegt wie auf Zypern, da muss natürlich kräftig angelegt werden. Gern auch in Griechenland-Papiere: Zypriotische Banken kauften jene griechischen Schuldverschreibungen, die andere, zum Beispiel die Deutsche Bank, dringend loswerden wollten. Deshalb verhandelt die zypriotische Regierung jetzt mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über zehn Milliarden Euro zur Rettung ihrer Banken. Aber Experten schätzen, dass Zypern bis zu 20 Milliarden Euro brauchen wird. Und das "Rezept" zur Sanierung ist das altbekannte: Gehälter und Sozialleistungen sollen gekürzt, Stellen gestrichen werden. Es ist jenes Rezept, das schon die Griechen in weitere Schulden getrieben hat, die dann mit europäischem Steuergeld ausgeglichen werden müssen.
 
Nun wird, ziemlich bald nach Weihnachten, ein zypriotisches Konglomerat aus Steuerhinterziehern, Oligarchen, Geldwäschern und Abzockern des europäischen Geldsegens teilhaftig werden. - Die spanischen Banken erlebten ihre Bescherung noch vor Weihnachten: 39 Milliarden aus der Euro-Lotterie haben die EU-Partner gerade zur Rettung der iberischen Institute freigegeben. Der europäische TV-Zuschauer wird auf eine Direktübertragung allerdings verzichten müssen: Fett schwimmt zwar immer oben, ist aber auch sehr, sehr kamerascheu. (PK)
 


Online-Flyer Nr. 386  vom 26.12.2012

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