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Sport
DFB-Pokal Nachholspiel: VfL Wolfsburg schlägt FF USV Jena im Viertelfinale 3:0
Rasenheizung rettet Terminkalender
Von Bernd J.R. Henke und Johann Blaha

Wolfsburg, 9. Februar, Samstag, 14 Uhr. Ob es schneite oder frostig fror, die zertifizierten „Volkswagenstädter“ (1) bewegten sich und organisierten ein reguläres Spielgeschehen. Die vereinseigene Rasenheizung des Trainingsplatzes half. Nach Absprache mit dem DFB in Frankfurt, dem Schiedsrichterteam und den Verantwortlichen des FF USV Jena wechselten die Teams vom nicht bespielbaren Grün am Elsterweg auf den beheizbaren Nebenplatz zwischen Geschäftsstelle und Stadion. Der schon einmal verschobene Termin im DFB-Pokal 2013 Viertelfinale war gerettet. Nur die Zuschauer fehlten.


Katja Schroffenegger (FF USV Jena) – italienische Nationaltorhüterin aus Südtirol, sie verhinderte eine höhere Niederlage (Archiv)
 
Fallende Schneeflocken behinderten Sicht und Stimmung der nur 192 Zuschauer. Mehr Fans waren nicht aufzutreiben in Wolfsburg, sodass Jenas kleine Gruppe mitreisender Edelfans akustisch der einzigen hörbaren, grün-weißen Trommel Paroli bieten konnte. Dieser Wintertag zeigte, wie knapp die Termine in der DFB-Frauenbundesliga gestrickt sind, vor allem für die führenden Mannschaften. Der favorisierte VfL Wolfsburg war noch in allen drei möglichen Wettbewerben dabei. Noch ist das Füllhorn seines gut bestückten Kaders ausreichend belegt.

Trotz Plakatierung und Werbebotschaften – das Hin und Her mit Terminkalender und Schneegestöber – zwölf Nationalspielerinnen aus Deutschland, Italien, Ungarn und Neuseeland – und 192 Zuschauer bei einem DFB-Pokal-Viertelfinale – trotz all dieser Ereignisse war es sportlich gesehen ein hochklassiges spannendes Pokalspiel
 
 
Kopfmäßig standen die Stars der Grün-Weißen sicher schon ein wenig in der Vorbereitung zum Schlagabtausch gegen die „Les Bleues“ kommenden Mittwochabend in der Europastadt Straßburg. Gastgeber Frankreich gehört zur Weltspitze. Die nahende Europameisterschaft in Schweden und die dazu gehörigen Testspiele beengen den Terminkalender für den „VfL-Deutschland“ – immerhin stehen sechs Wolfsburgerinnen im derzeitigen Aufgebot von Bundestrainerin Silvia Neid, die zur selben Zeit im Trainingsquartier nahe der Commerzbank-Arena die ersten Nationalspielerinnen aus Frankfurt, München, Essen und Bad Neuenahr zum Training empfing. Während in Wolfsburg Verena Faißt, Luisa Wensing, Lena Goeßling sowie die Ex-Potsdamerinnen Nadine Keßler, Josephine Henning, und Viola Odebrecht versuchten, das begehrte DFB-Ticket zum Pokalhalbfinale einzulösen, trainierte die Vorhut von Silvia Neid auf dem Rasen vor der Frankfurter Wintersporthalle.

Conny Pohlers (VfLWolfsburg) im Zweikampf mit Kathleen Radtke (FF USV Jena) dahinter in der Mitte Carolin Schiewe (FF USV Jena)
 
 
In der Autostadt ging es von Anfang an richtig zur Sache. Die im roten Trikot auflaufenden Fußballerinnen aus Jena spielten körperbetonter als die etwas vorsichtigeren „Wölfinnen“. Die Thüringerinnen gelten als die Minimalisten in der Liga. Die festgefügte Abwehr des USV Jena kassierte in elf Pflichtspielen erst siebzehn Gegentore. Vor dem Anpfiff gab es einen kleinen Rückschlag für die Saalestädterinnen, denn Stammspielerin Susann Utes musste nach dem Aufwärmen in der Kabine bleiben. Dafür rückte Nadine Kraus auf die freie Position vor der Abwehr. Wolfsburg begann offensiv, ließ Ball und Gegner laufen, aber schien ziemlich ratlos.
 
Gegen Jenas Innenverteidigung, Carolin Schiewe und Kathleen Radtke, fand die Offensive der Wolfsburgerinnen kein wirksames Durchkommen. Der FF USV startete nur sporadische Angriffsversuche, die meist an den umsichtigen Luisa Wensing und Josephine Henning hängen blieben. Kurz vor der Halbzeit geriet das Jenaer Tor doch noch in Gefahr: die ungarische Nationalspielerin Zsanett Jakabfi spielte von links mit Übersicht auf Verena Faißt, deren feiner Schlenzer die italienische Nationaltorfrau Katja Schroffenegger glänzend aus dem rechten oberen Toreck fischte (37.). Ansonsten überstand Jenas tief gestaffelt stehende Mannschaft mit Bravour die erste Halbzeit. Jena war dabei, Wolfsburg ein Bein zu stellen.

Beheizter Trainingsplatz mit den beiden Mannschaften vor dem Einlaufen – Zuschauer inbegriffen
 
 
VfL-Trainer Ralf Kellermann hatte beim Anpfiff gewagt, als neue strategische Variante das Sturmduo Conny Pohlers und Lina Magull auflaufen zu lassen. Die erfahrene 101-fache Ex-Nationalspielerin Martina Müller saß dafür auf der Bank. Für die erst achtzehnjährige Magull, die beim International schon die U-17, U-19 und jüngst in Japan die U-20 DFB-Auswahl durchlief, war es im Trikot der Wölfinnen der zweite Startelf-Einsatz seit dem Erstrunden-Pokalspiel gegen den Berliner Zweitligaverein der Gruppe Nord, den 1. FC Lübars. Sie sollte laut Kellermann mit ihrer Spielweise die Bälle halten und verteilen.
 
Neben den Rekonvaleszentinnen Rebecca Smith und Maren Tetzlaff sowie der erkrankten Eve Chandraratne sah sich Kellermann gezwungen, kurzfristig wegen muskulärer Probleme auf die hoch motivierte Nationalstürmerin Alexandra Popp zu verzichten. Die Flügelzange bildeten diesmal die Ex-Jenaerin Anna Blässe auf Rechts sowie die Ungarin Zsanett Jakabfi. Die vielseitige beidfüssige Verena Faißt begann dafür links in der Abwehrformation. Die erste Halbzeit endete 0:0.

Lina Magull (VfL Wolfsburg) im Zweikampf mit Ria Perceval (FF USV Jena)
 
 
Ralf Kellermann kritisch: „In der ersten Halbzeit waren wir noch überhaupt nicht präsent. Es gab schlechte Laufwege und viele taktische Fehler, zudem hat Jena sehr gut verteidigt.“ Lina Magull blieb auch zu Beginn der 2. Halbzeit im Spiel und in der Mannschaftsaufstellung. Kellermann investierte und setzte sein persönliches Vertrauen in die junge Spielerin. Die notwendige Trainerschelte in der Kabine betraf die gesamte Mannschaft. Daraufhin verlangte der VfL-Trainer das Umschalten in eine bessere Spielstrategie: die Taktik im Spiel gegen den Ball wechselte vom 4-2-3-1 auf ein druckvolles 4-4-2-System. Mit erhöhter Aggressivität und veränderter Körpersprache überraschten die Grün-Weißen nunmehr Jenas Formation. Die Standpauke zeigte Wirkung.
 
Der VfL Wolfsburg startete mit vehementen Angriffen (46./47./48.), nutzte konsequent einfache Ballverluste von Jena. Zur Freude von Kellermann erhielt Lina Magull einen von ihr geschossenen Ball, den Jena blockiert hatte, wieder zurück und lenkte mit viel Ruhe und Übersicht den abgeprallten Ball an die ebenfalls schussbereite Viola Odebrecht weiter. Wie eine Billardkugel sprang der Ball nun durch den Strafraum. Nach einem Abpraller stand schließlich Conny Pohlers goldrichtig (49.) und vollendete aus kurzer Distanz zur verdienten 1:0 Führung.

Carolin Schiewe (FF USV Jena) – zuverlässige Innenverteidigerin (Archiv)
 
Drei Minuten später landete eine Freistoßflanke von Verena Faißt auf dem Kopf von wiederum Conny Pohlers. Postwendend landete der Ball unhaltbar für Katja Schroffenegger im Netz zur 2:0 Führung (52.). Der FF USV Jena war geschockt, verlor zeitweise seine spielerische Linie. Nach dem Pohlers-Doppelschlag wagten sich nun die USV-Spielerinnen aus der Deckung Über Rechts probierten es Laura Brosius und Karoline Heinze im Zusammenspiel, doch leider zu zaghaft. Auch ein brillanter Pass, wiederum von Karoline Heinze in die Schnittstelle der Wolfsburger Viererkette auf Jenas Sturmspitze Sabrina Schmutzler, blieb ohne nennenswerten Erfolg.
 
Wolfsburg kam immer besser ins Spiel, eroberte sich mit wachsendem Selbstvertrauen neue zwingende Chancen. So musste die starke Schroffenegger ein ums andere Mal in höchster Not gegen die inzwischen für Magull eingewechselte Martina Müller (73./74./76.), sowie Anna Blässe und Nadine Keßler retten. Nach einem Freistoß des FF USV startete Wolfsburg einen genialen Konter über Verena Faißt und Nadine Keßler, deren flache schnelle Hereingabe Zsanett Jakabfi (80.) zum 3:0 Endstand verwerten konnte.
 
Der FF USV Jena war endgültig bezwungen, das Ticket zum Halbfinale für Wolfsburg eingelöst. Nach zwei sehr unterschiedlichen Halbzeiten zog der VfL Wolfsburg als letzter Teilnehmer nach Turbine Potsdam, dem SC Freiburg und dem FC Bayern ins DFB-Pokal-Halbfinale ein. Schon in knapp drei Wochen wird das Halbfinale stattfinden. Der SC Freiburg empfängt am Samstag, 2. März, um 14.00 Uhr im Freiburger Möslestadion den VfL Wolfsburg.
 
Das zweite Semifinale zwischen Turbine Potsdam und Titelverteidiger Bayern München folgt am Sonntag, 3. März, um 13.00 Uhr im Karl-Liebknecht-Stadion im legendären Babelsberg, dem wiedererstandenen Zentrum deutscher Filmkunst. Nicht von ungefähr wird eine Berliner Filmproduktion während des Pokalspiels gegen FC Bayern München einige Szenen für ihren 90-minütigen Fernseh- und Kinofilm drehen. Thema: das Phänomen des 1. FFC Turbine Potsdam, eine Dokumentation der regionalen und internationalen Bedeutung des Vereines, seiner Fans und seiner Sportlerinnen. Zum großen Finale kommt es schließlich am Pfingstsonntag, 19. Mai, um 16.30 Uhr im Rhein-Energie-Stadion im Kölner Stadtteil Müngersdorf.

Spielszene auf dem Nebenplatz am Elsterweg
 

Bewegtbilder und Stimmen zum Pokal-Fight - unbedingt reinschauen - super Video!
http://www.wobstories.de/clips/nachholspiel-gegen-jena-fur-die-vfl-frauen-mit-30-verlief-erfolgreich-die-frauenfussballerinnen-ziehen-somit-ins-dfb-pokal-halbfinale-ein/
www.wobstories.de
 
Lina Magull:                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Jena stand unheimlich tief und war wie befürchtet ein sehr unangenehmer Gegner. Wir wussten, dass es ein schwieriges Spiel werden würde, waren aber eigentlich ganz gut drauf. Trotzdem haben wir uns in der ersten Halbzeit sehr schwer getan. Nach dem Wechsel haben wir es dann erheblich besser gemacht und noch verdientermaßen gewonnen. Dass wir jetzt im Halbfinale stehen, ist toll. An das Spiel in Freiburg wollen wir aber noch nicht denken, sondern uns nur auf den Bundesliga-Auftakt gegen Bayern konzentrieren.
 
Nadine Keßler:                                                                                                                                                                                                                                                                                                In der ersten Halbzeit waren wir einfach nicht gut genug, aber das ist fast normal nach so einer langen Pause. Nach dem Wechsel sind wir dann besser ins Spiel gekommen, aggressiver in die Zweikämpfe gegangen und haben vorne die Bälle festgemacht, das war der große Unterschied. Wir freuen uns, dass wir weiter dabei sind, denn der Pokal ist neben der Meisterschaft das große Ziel in dieser Saison. Auch Freiburg ist auf keinen Fall zu unterschätzen, das hat schon das Hinspiel in der Liga gezeigt, das wir nur durch einen Elfmeter mit 1:0 gewinnen konnten. Jetzt geht es aber erst mal gegen die Bayern, da haben wir noch etwas gutzumachen.


Nadine Keßler (VfL Wolfsburg) – Kapitän und selbstbewusste Wortführerin einer neuen Generation von Nationalspielerinnen in Deutschland (Archiv)
 
 
Conny Conny Pohlers:                                                                                                                                                                                                                                                                                       Manchmal ist es so, dass man sich nach einer Pause erst wieder zurechtfinden muss. Das ist diesmal so gewesen, wir haben erst aus dem Winterschlaf aufwachen müssen. In der Halbzeit hat der Trainer uns aber wieder auf Kurs bringen können, und anschließend haben wir unsere Qualitäten dann noch gezeigt. Dieses Spiel war wichtig für uns, um zu sehen, wo wir stehen. Wir können sicherlich noch besser Fußball spielen. Aber die Hauptsache ist, wir sind eine Runde weiter. Darüber freuen wir uns wirklich sehr.

Der begehrte DFB-Pokal, um den vier Mannschaften streiten und kämpfen werden – am 19. Mai 2013 wird einer der Vier der Gewinner sein und den Pokal in den Händen halten, der Titelverteidiger FC Bayern München spielt auswärts in Potsdam-Babelsberg, Foto: Scheuring
 
 
VfL Wolfsburg:
                                                                                                     
A. Vetterlein – Wensing, Goeßling, Henning, Faißt – Blässe, Odebrecht, Keßler, Jakabfi (86. Bunte)– Pohlers (78. Selina Wagner), Magull (61. Müller)                                                                                                                                                                                                     
                                                                                                     

FF USV Jena:                        
                                                                                                                                                                                                                            
                                Schroffeneger – Brosius, Schiewe, Radtke, Seiler (88. Löser) – Heinze (66. Lagaris), Landeka, Kraus, Percival – Hearn – Schmutzler

 

Tore:
1:0 + 2:0 Pohlers (49./52.), 3:0 Jakabfi (80.)                                                                                                                                                                                                                                            
 
Zuschauer:
192                                                                                                                                                                                                                                                                                 
 
Schiedsrichterin:
Storch-Schäfer (Petersberg)
 
(1) Der VfL Wolfsburg ist der erste deutsche Bundesligaverein, der einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt hat. Unter dem Motto „Fußball ist alles“ - „Gemeinsam bewegen“ wurde der CSR-Bericht von der Global Reporting Initiative (GRI) geprüft. Es wurden sowohl die Frauen- als auch die Männerabteilungen geprüft.
 
Fotobearbeitung:
Dietmar Tietzmann, Frankfurt am Main                                                                                                                                                                                                                      
 
Fotos:
VfL, Steffen Langbein, A2 Bildagentur, Sportfotografie Scheuring (PK)


Online-Flyer Nr. 393  vom 13.02.2013

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