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Lokales
Anne Le Strat im Berliner Abgeordnetenhaus und beim Berliner Wasserrat
Erfahrungen der Pariser Wasserbetriebe
Von Ulrike von Wiesenau
Unter dem Thema "Erfahrungen der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe für Berlin" standen am 23.4. und 24.4. zwei öffentliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen mit Anne Le Strat auf dem Programm. Die ehemalige Bürgermeisterin von Paris, aktuelle Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe und Initiatorin der Pariser Bürgerbeteiligung, war auf Einladung des Berliner Wassertisches und des Wasserrates nach Berlin gekommen. -Uneingeschränktes Informationsrecht für die Bevölkerung und Verwendung des Geldes der Wasserkunden ausschließlich für die Wasserbetriebe - damit sind die wichtigsten Elemente der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe benannt, die auch für die Neuverfassung der Wasserbetriebe in Berlin Maßstäbe setzen.
Im Januar 2010 holte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück, die auslaufenden Konzessionen der privaten Partner Suez und Veolia wurden nicht erneuert. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Das erforderte viel Arbeit im juristischen Bereich bezüglich der institutionellen Ausgestaltung, deren Form darüber hinaus in einem intensiven Dialog mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften abgestimmt werden musste. Anne Le Strat war federführend an der Neustrukturierung der rekommunalisierten Betriebe beteiligt und schuf ein Gremium der Partizipation, das »Observatoire parisien de l'eau«, das allen interessierten Bürgern von Paris offen steht und einen uneingeschränkten Informations-Anspruch bezüglich aller die Pariser Wasserbetriebe betreffenden Daten und Vorgänge besitzt.
Bei der von Cansel Kiziltepe (MdB) moderierten Veranstaltung am 23.4. im Abgeordnetenhaus von Berlin, wurde die Forderung nach einer Transparenz der Informationen auch von den weiteren Podiumsteilnehmern bekräftigt: Reinhold Dellmann forderte von Seiten der Stiftung Baugewerbe ein Investitions-Monitoring für die Berliner Wasserbetriebe. Der vorhandene Investitionsstau wurde von ihm eindrucksvoll durch Fakten aus der Studie "Anforderungen an eine nachhaltige Sanierung des Wasser- und Abwassersystems", beschrieben. Er sah wichtige Gemeinsamkeiten mit den Forderungen der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch. Statt Wertverzehr in Bereich der Infrastruktur, wie er in
Deutschland zur Zeit überall zu beobachten sei, müsse Werterhalt als Kriterium für die Festsetzung von Managergehältern, für die Beurteilung der Arbeit von Aufsichtsräten und von Personalräten herangezogen werden.
Online-Flyer Nr. 456 vom 30.04.2014
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Lokales
Anne Le Strat im Berliner Abgeordnetenhaus und beim Berliner Wasserrat
Erfahrungen der Pariser Wasserbetriebe
Von Ulrike von Wiesenau
Unter dem Thema "Erfahrungen der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe für Berlin" standen am 23.4. und 24.4. zwei öffentliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen mit Anne Le Strat auf dem Programm. Die ehemalige Bürgermeisterin von Paris, aktuelle Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe und Initiatorin der Pariser Bürgerbeteiligung, war auf Einladung des Berliner Wassertisches und des Wasserrates nach Berlin gekommen. -Uneingeschränktes Informationsrecht für die Bevölkerung und Verwendung des Geldes der Wasserkunden ausschließlich für die Wasserbetriebe - damit sind die wichtigsten Elemente der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe benannt, die auch für die Neuverfassung der Wasserbetriebe in Berlin Maßstäbe setzen.
Anne Le Strat beim Berliner Wasserrat
Foto: Dr. Frank Wecker
Im Januar 2010 holte die französische Hauptstadt nach 25 Jahren privater Wasserwirtschaft die Wasserversorgung in städtischen Besitz zurück, die auslaufenden Konzessionen der privaten Partner Suez und Veolia wurden nicht erneuert. Mit »Eau de Paris« wurde ein Unternehmen in öffentlicher Hand gegründet. Das erforderte viel Arbeit im juristischen Bereich bezüglich der institutionellen Ausgestaltung, deren Form darüber hinaus in einem intensiven Dialog mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften abgestimmt werden musste. Anne Le Strat war federführend an der Neustrukturierung der rekommunalisierten Betriebe beteiligt und schuf ein Gremium der Partizipation, das »Observatoire parisien de l'eau«, das allen interessierten Bürgern von Paris offen steht und einen uneingeschränkten Informations-Anspruch bezüglich aller die Pariser Wasserbetriebe betreffenden Daten und Vorgänge besitzt.
Anne Le Strat diskutiert mit TeilnehmerInnen beim Berliner Wasserrat
Foto: Dr. Frank Wecker
Dieser uneingeschränkte Zugang der Bevölkerung zu den Informationen ist es, der das Pariser Modell für Berlin so interessant macht, denn vollständige Transparenz ist die unerlässliche Voraussetzung für funktionierende Bürgerbeteiligung, die den Gefahren der Mitmachfalle widersteht. Anne Le Strat hat im Berliner Wasserrat ausdrücklich zugesichert, dass sie die Berlin Wasserbetriebe in ihrem Restrukturierungsprozess aktiv zu unterstützen bereit ist, nicht nur, wenn Kennziffern vergleichbar gemacht werden sollen, sondern auch wenn es um andere Dinge, wie etwa die adäquate Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Paris und Berlin geht.
Bürger und Abgeordnete treffen sich zum Informationsaustausch im Berliner Abgeordnetenhaus
Quelle: Berliner Wassertisch:
Bei der von Cansel Kiziltepe (MdB) moderierten Veranstaltung am 23.4. im Abgeordnetenhaus von Berlin, wurde die Forderung nach einer Transparenz der Informationen auch von den weiteren Podiumsteilnehmern bekräftigt: Reinhold Dellmann forderte von Seiten der Stiftung Baugewerbe ein Investitions-Monitoring für die Berliner Wasserbetriebe. Der vorhandene Investitionsstau wurde von ihm eindrucksvoll durch Fakten aus der Studie "Anforderungen an eine nachhaltige Sanierung des Wasser- und Abwassersystems", beschrieben. Er sah wichtige Gemeinsamkeiten mit den Forderungen der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch. Statt Wertverzehr in Bereich der Infrastruktur, wie er in
Deutschland zur Zeit überall zu beobachten sei, müsse Werterhalt als Kriterium für die Festsetzung von Managergehältern, für die Beurteilung der Arbeit von Aufsichtsräten und von Personalräten herangezogen werden.
Die Forderungen der Bauindustrie nach Transparenz der Daten weisen eine deutliche Schnittmenge mit den Forderungen der Berliner Bürgerschaft auf, die mit dem Wasser-Volksentscheid eine Offenlegung der Geheimverträge per Gesetz erzwungen hatte und nun Transparenz und Mitentscheidungsrechte im Kernbereich der Daseinsvorsorge, wie sie die Trink - und Abwasserversorgung darstellt, einfordert.
Daniel Buchholz, Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes und Vorsitzender der AG Daseinsvorsorge, sprach sich ebenfalls für Transparenz und Bürgerbeteiligung aus, er könne sich nicht vorstellen, dass bei einem Betrieb, der vollständig in öffentlichem Eigentum ist, diese Informationen nicht zur Verfügung gestellt werden können. Zu den möglichen Zielkonflikten äußerte er sich ebenso wie der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Jahnke, dagegen nicht, offensichtlich sind die Abstimmungen innerhalb der SPD-Fraktion über diese wichtigen Fragen noch offen. Eine Mehrheit im Berliner Wasserrat postuliert derzeit, dass eine optimale Strategie zum nachhaltigen Substanzwerterhalt und zur Vermeidung einer Verschärfung des zukünftigen Investitionsbedarfs dann gegeben ist, wenn die Erneuerungsrate der angesetzten Nutzungsdauer der Anlagen entspricht und diese mit der kalkulatorischen Nutzungsdauer übereinstimmt. Davon kann bei den Berliner Wasserbetrieben gegenwärtig keine Rede sein.
Für Gerlinde Schermer, Wirtschaftsexpertin des Berliner Wassertisches, zeichnet sich aus den Veranstaltungen eine weitere elementare Forderung ab: Aus den Vorträgen von Anne Le Strat gehe klar hervor, dass die Bürgerschaft in Paris mit ihren Wasserrechnungen wirklich Wasser und nichts anderes bezahle, während in Berlin mit den Wasserrechnungen die Gewinne der Privaten sowie der Berliner Haushalt subventioniert würden. Das Geld, das die Wasserkunden in Paris über die Wasserpreise bezahlten, verbleibe im Kreislauf der Wasserversorgung. In Berlin dagegen würden die Mittel für die nötigen Investitionen seit Jahren von den Wasserkunden aufgebracht, jedoch nicht ausreichend für Investitionen verwendet - diese Unterordnung der Investitionspolitik unter die Kuratel der "Haushaltskonsolidierung" müsse dringend verändert werden.
Daniel Buchholz, Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes und Vorsitzender der AG Daseinsvorsorge, sprach sich ebenfalls für Transparenz und Bürgerbeteiligung aus, er könne sich nicht vorstellen, dass bei einem Betrieb, der vollständig in öffentlichem Eigentum ist, diese Informationen nicht zur Verfügung gestellt werden können. Zu den möglichen Zielkonflikten äußerte er sich ebenso wie der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Jahnke, dagegen nicht, offensichtlich sind die Abstimmungen innerhalb der SPD-Fraktion über diese wichtigen Fragen noch offen. Eine Mehrheit im Berliner Wasserrat postuliert derzeit, dass eine optimale Strategie zum nachhaltigen Substanzwerterhalt und zur Vermeidung einer Verschärfung des zukünftigen Investitionsbedarfs dann gegeben ist, wenn die Erneuerungsrate der angesetzten Nutzungsdauer der Anlagen entspricht und diese mit der kalkulatorischen Nutzungsdauer übereinstimmt. Davon kann bei den Berliner Wasserbetrieben gegenwärtig keine Rede sein.
Für Gerlinde Schermer, Wirtschaftsexpertin des Berliner Wassertisches, zeichnet sich aus den Veranstaltungen eine weitere elementare Forderung ab: Aus den Vorträgen von Anne Le Strat gehe klar hervor, dass die Bürgerschaft in Paris mit ihren Wasserrechnungen wirklich Wasser und nichts anderes bezahle, während in Berlin mit den Wasserrechnungen die Gewinne der Privaten sowie der Berliner Haushalt subventioniert würden. Das Geld, das die Wasserkunden in Paris über die Wasserpreise bezahlten, verbleibe im Kreislauf der Wasserversorgung. In Berlin dagegen würden die Mittel für die nötigen Investitionen seit Jahren von den Wasserkunden aufgebracht, jedoch nicht ausreichend für Investitionen verwendet - diese Unterordnung der Investitionspolitik unter die Kuratel der "Haushaltskonsolidierung" müsse dringend verändert werden.
Referenten der Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus
Quelle: Berliner Wassertisch
In diesem Zusammenhang wandte sich Reinhold Dellmann an die Politiker mit der Aussage, dass die ,Drehschrauben' bekannt seien, und jetzt politische Entscheidungen getroffen werden müssten, dass die Politik nicht warten dürfe, bis andere diese Entscheidungen für sie träfen. Diese Einschätzung teilen die Aktiven des Berliner Wassertisches, der seit Jahren eine Veränderung des Berliner Betriebegesetzes fordert, damit die Faktoren, die, wie das Bundeskartellamt feststellte, zu "missbräuchlich überhöhten Wasserpreisen" geführt haben, endlich in die richtige Richtung verändert werden können.
Ganz offensichtlich besteht Konsens zwischen den gesellschaftlichen Akteuren der direkten Demokratie - hier vertreten durch den Berliner Wassertisch und den Berliner Wasserrat - und den Vertretern der Bauindustrie sowie den Politiken der Regierungsfraktion der SPD, dass die negativen Folgen der Privatisierung der Berliner Wasserversorgung überwogen haben und nun öffentlich daran gearbeitet werden muss, die bestehenden Missstände zügig zu beseitigen.
'Good governance' beim Berliner Wasser, das heißt auch für die Manager der Berliner Wasserbetriebe und für deren Aufsichtsrat, umzudenken. Derzeitig neigen sie noch dazu, Ihre Positionen und Entscheidungen abzusichern, indem sie Informationen als Herrschaftswissen horten, ein Hoheitswissen aufbauen und dadurch ein Wissensgefälle herstellen. 'Good governance' sieht anders aus. Auch in Berlin muss die öffentliche Verwaltung einsehen, dass sie Informationen transparent machen muss, die Bevölkerung will Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Gemeingüter umfassend beurteilen und kontrollieren können. Wer gute Argumente hat, braucht Öffentlichkeit nicht zu fürchten. Das lernen wir von Paris.
Ganz offensichtlich besteht Konsens zwischen den gesellschaftlichen Akteuren der direkten Demokratie - hier vertreten durch den Berliner Wassertisch und den Berliner Wasserrat - und den Vertretern der Bauindustrie sowie den Politiken der Regierungsfraktion der SPD, dass die negativen Folgen der Privatisierung der Berliner Wasserversorgung überwogen haben und nun öffentlich daran gearbeitet werden muss, die bestehenden Missstände zügig zu beseitigen.
'Good governance' beim Berliner Wasser, das heißt auch für die Manager der Berliner Wasserbetriebe und für deren Aufsichtsrat, umzudenken. Derzeitig neigen sie noch dazu, Ihre Positionen und Entscheidungen abzusichern, indem sie Informationen als Herrschaftswissen horten, ein Hoheitswissen aufbauen und dadurch ein Wissensgefälle herstellen. 'Good governance' sieht anders aus. Auch in Berlin muss die öffentliche Verwaltung einsehen, dass sie Informationen transparent machen muss, die Bevölkerung will Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Gemeingüter umfassend beurteilen und kontrollieren können. Wer gute Argumente hat, braucht Öffentlichkeit nicht zu fürchten. Das lernen wir von Paris.
Satoko Kishimoto vom Transnational Institute
Foto: Dr. Frank Wecker
Satoko Kishimoto vom Transnational Institute und weitere Referenten des "European Water Movement" (EWM) sowie Philipp Terhorst, Mitherausgeber von "Reclaiming Public Water", die zu gleicher Zeit in Berlin tagten, stellten am 24.4. in der vierten Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates internationale Modelle der Beteiligung vor, die die Konzeption des Berliner Wasserrates maßgeblich präzisieren könnten. Aus den Redebeiträgen der internationalen Gäste wurde darüber hinaus klar, dass Transparenz und Open Data - die freie Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von öffentlichen Daten - auch in anderen Ländern heiß umkämpft ist. Auf Berlin wird international geschaut, als großes Beispiel einer von der Bevölkerung durchgesetzten Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. Mit einer Demokratisierung, der Etablierung nachhaltiger Strukturen und eines Gremiums der Bürgerbeteiligung könnte die Stadt weltweit zum Vorreiter werden und demokratischen Veränderungsprozessen Auftrieb geben. (PK)
Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches. Die Demokratie-Expertin ist Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates.
Online-Flyer Nr. 456 vom 30.04.2014
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