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Lokales
Nach den Trinkwasserpreisen sollen in Berlin auch die Abwassergebühren sinken
Wasserrat ohne Mitentscheidungsrechte?
Von Ulrike von Wiesenau

Der lange Kampf des Berliner Wassertisches und seiner Bündnisorganisationen hat nach der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe nun zu einem weiteren Etappenziel geführt. Nach den Trinkwasserpreisen sollen auch die Abwassergebühren sinken. Die Empörung über Geheimverträge, Gewinngarantien und ein Demokratiedefizit beim Berliner Wasser führte im Februar 2011 zum ersten erfolgreichen Volksentscheid der Berliner Geschichte. Die Politik sah sich gezwungen, zu handeln.

Diskussionsbedarf beim Berliner Wasserrat
Foto: Frank Wecker
 
Die Berliner Wasserbetriebe sind seit dem November 2013 wieder in öffentlicher Hand nachdem die rot-schwarze Koalition für rund 1,5 Milliarden Euro die Anteile von RWE und Veolia zurückkaufte. Doch die Ära der 1999 erfolgten Teilprivatisierung wirkt noch weiter, eine umfassende Neuausrichtung wird weitere Anstrengungen erfordern.
 
Am 7. Mai 2014 kündigten der Aufsichtsratschef der Berliner Wasserbetriebe, Finanzsenator Ulrich Nußbaum und der BWB-Chef Jörg Simon an, dass Berlins Wasserpreise weiter sinken und mindestens bis zum Jahr 2018 unter dem heutigen Niveau bleiben werden. Nach den bereits 2012 reduzierten Trinkwasserpreisen sollen ab 2015 auch die Abwassergebühren sinken, und zwar um 6,1 Prozent.
 
Der Senat von Berlin verzichtet damit bis 2018 auf eine Gewinnausschüttung der Wasserbetriebe von 440 Millionen Euro. Doch immer noch werden jährlich ca. 100 Millionen Euro vom Geld der Wasserkunden, die nach dem Betriebegesetz ausdrücklich für zukünftige Investitionen in Trink- und Abwassernetze erhoben werden, für die Sanierung des Landeshaushaltes zweckentfremdet. "Wasser bezahlt Wasser", von dieser zentralen Forderung ist der Berliner Senat noch weit entfernt. Erst kürzlich stellte Anne Le Strat, die Präsidentin der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe, auf Einladung des Berliner Wassertisches und der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus das Pariser Wasserwirtschaftsmodell vor. Dort gibt es einen geschlossenen Kreislauf. Das Geld der Wasserkunden wird nur für das Wasser ausgegeben.

Anne Le Strat, Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe, zu Gast beim Berliner Wasserrat
Foto: Frank Wecker
 
Die Preissenkung wird durch Einsparungen in den Wasserbetrieben finanziert, die Zahl der Mitarbeiter soll von derzeit 4200 Vollzeitstellen bis Ende 2018 auf 3800 sinken. Der Senat als alleiniger Gesellschafter verzichtet bis 2018 zwar auf Gewinnausschüttungen in Höhe von 440 Millionen Euro. Zins und Tilgung für den Rückkauf aber müssen die Wasserbetriebe erwirtschaften. Es zeigt sich, dass der Berliner Wassertisch zu Recht gefordert hatte, den Wasserbetrieben nicht die gesamten Kosten des Rückkaufs aufzubürden, sondern diesen,
wie den Verkauf im Jahre 1999, über den Haushalt zu realisieren.
 
Die Wasserbetriebe haben ihren Rechtsstreit mit dem Bundeskartellamt beendet. Sie verzichten auf eine Klage vor dem Bundesgerichtshof gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes für die kommunale Wasserwirtschaft bestätigt und auch die Preissenkungsverfügung gegen die BWB für rechtens befunden hatte. Dafür hat das Bundeskartellamt in einem Vergleich darauf verzichtet, die BWB zur Rückzahlung der über Jahre von den Kunden zu viel gezahlten Wasserpreise zu verpflichten. Zu einem Grundsatzurteil für die gesamtdeutsche Wasserwirtschaft wird es daher nicht kommen.
 
Auch die notwendige Novellierung des Betriebegesetzes wurde zu Lasten der Wasserkunden aufgeschoben, die dringend erforderlichen Investitionen sollen zunehmend durch Kredite finanziert werden. Wie das Kartellamt nachgewiesen hat, entsteht dadurch ein Sondereffekt für die BWB, denn die Wasserbetriebe zahlen für diese Kredite weniger Zinsen, als sie den Wasserkunden in Rechnung stellen. Schliesslich steht eine umfassende Neuausrichtung durch einen Austausch der alten Unternehmensführung und des Aufsichtsrates noch aus.

Informationstreffen zu Erfahrungen der rekommunalisierten Pariser Wasserbetriebe am 23. April im Berliner Abgeordnetenhaus
Foto: BWT
 
Der Berliner Wassertisch hat sich in seiner Berliner Wassercharta für eine direktdemokratische Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner an den Wasserbetrieben ausgesprochen. Der nach der Rekommunalisierung gegündete Berliner Wasserrat, der seit November 2013 öffentlich tagt und einmal im Monat verschiedene Bündnispartner und Fachreferenten einlädt, hat inzwischen klare Arbeitsschwerpunkte entwickelt. Die Ankündigung eines Kundenbeirats mit nur beratender Funktion, den die Wasserbetriebe gründen wollen, scheint aber vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Berliner Teilprivatisierung unzureichend. Um eine Demokratisierung der Berliner Wasserbetriebe herbeizuführen, muss es ein Mitentscheidungsrecht der Wasserkunden über Investitionstätigkeit, Grundsätze der Personalpolitik und Richtlinien für die kaufmännische und technische Geschäftsführung sowie Transparenz bezüglich aller die Wasserbetriebe betreffenden Daten und Vorgänge geben. Das ist das Demokratiegebot des Berliner Wasser-Volksentscheids und Vermächtnis der 666.000 Berlinerinnen und Berliner, die mit ihrer Stimme ein Gesetz verabschiedet haben. (PK)
 
Ulrike von Wiesenau ist Sprecherin des Berliner Wassertischs.
 


Online-Flyer Nr. 458  vom 14.05.2014

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