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Medien
Eine Wende und eine neue Führung in den USA sind dringend notwendig
Zeit, zur Normalität zurückzukehren
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Wenn die stärkste Nation der Welt jahrelang selbst überall in Kriege verstrickt ist, ohne sich ein Ende damit zu setzen, wenn die reichste Nation der Welt ihre Wirtschaft nicht in den Griff bekommt, wenn die Nation mit der größten rechtsstaatlichen Tradition von einer nie dagewesenen Gesetzlosigkeit und Rechtswidrigkeit geplagt wird, dann ist das System kurz vor dem Ende. Dann ist es dringend an der Zeit für eine Wende in den USA und für eine neue Führung, die die Nation zu einem neuen rechtsstaatlichen System zu steuern hätte. Die Dominanz des industriellen Militär-Komplex ist für jeden US-Präsidenten ein Verhängnis geworden. Sich davon zu lösen, ist die notwendige erkennbare Aufgabe für Präsident Barack Obama. 

Obama zu General Khalifa Haftir: "Und demnächst bringe mir Sadat!"

Karikatur: Kostas Koufogiorgos

 
Aber der Präsident zeigt sich bisher machtlos gegenüber diesem System, das ihn fortwährend in Kriege treibt. So lange Amerikas Sicherheit nicht unmittelbar bedroht sei, werde Obama keine Soldaten ins Feld senden, sondern auf Diplomatie setzen, auf Sanktionen und internationale Organisationen, so Obamas Botschaft bei seinem Auftritt in der West Point Akademie am 28.5.: Keine neuen Kriege, keine Einmischung in fremden Länder. Aber die "Obama-Diplomatie" hat nirgends Erfolg gezeigt, gerade deshalb, weil die "Obama-Diplomatie" eigentlich keine Diplomatie ist, sondern eine Vertuschung für weitere Gewaltanwendung durch Interventionen, wie sie sich in Libyen, in Syrien und auch jetzt zuletzt in der Ukraine manifestiert. Durch Bewaffnung und Finanzierung von Aufständischen hat sich Obama verstellt, aber umso plumper und widerlicher als Kriegstreiber demaskiert. Vielleicht noch gefährlicher zeigt sich "ein größenwahnsinniges Kind, das nicht erwachsen werden will, und den Präsidenten der USA spielt", wie ihn der Journalist Knut Mellenthin in seinem Leitartikel "Obama über globale US-Führung - Einmalig, unentbehrlich", Junge Welt, 30.5., richtig kennzeichnet.
 
Die Welt der Gewalt darf nicht die Welt der Zukunft sein. In keinster Weise. Die große schweigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung (54%), die den Wahlen zum EU-Parlament am 25.5. fern blieb, spricht für sich selbst. Ihre schweigende Missbilligung der aktuell Regierenden zeigt sich damit klar und deutlich. Fast 80% der deutschen Bevölkerung sind gegen jeden Krieg, gegen jede Anwendung von Gewalt und Sanktionen sowohl in Bezug auf Syrien als auch in Bezug auf die Ukraine. Diese Mehrheit sieht das ferne Amerika als Gefahr, nicht Russland, ein europäisches Land, mit dem unsere gemeinsame europäische Sicherheit aufzubauen ist.
 
Selbstverständlich kann Amerika nicht ewig Krieg führen. Welche Erkenntnis hat Europa nach zwei Weltkriegen? Die europäische Bevölkerung hat aus dieser fürchterlichen Erfahrung gelernt, aber deutsche Regierende und Medien scheinen immer noch in kriegerischen Größenwahn-Vorstellungen verankert. Die Art, wie sie schreiben oder sprechen, lässt ihre wahnsinnige Tendenz zur Gewalt-Intervention erkennen. Unzurechnungsfähig zeigen sich Journalisten wie Hubert Wetzel, die sich für eine US-Weltherrschaft als Kriegsanstifter hergeben, die keine Berechtigung hat. ("Obama - Diplomatie statt Krieg", SZ-Leitartikel, 30.5.) Solche Journalisten kriminalisieren sich, wenn sie für "Militäreinsätze nur zur Verteidigung der US-Kerninteressen... gemeinsam mit anderen" plädieren, als ob ein gemeinsames Verbrechen kein Verbrechen wäre. Denn Krieg ist ein Verbrechen, und zwar ein Hauptverbrechen gegen die Menschlichkeit, egal ob es allein oder in Komplizenschaft mit anderen begangen wird.
 
Es ist schon bizarr, wenn der US-Präsident das große Morden in Syrien beklagt, wobei er selbst an der Verantwortung für die Brutalität teilhat, indem er die Oppositionellen durch Bewaffnung und Finanzierung in gewalttätige Milizen verwandelte und noch bis heute gegen Vereinbarungen beider Genfer Konferenzen gravierend verstößt: Gegen den einstimmigen Beschluss auf der ersten Genfer Konferenz am 30.6.2012 und gegen den Beschluss auf der zweiten Genfer Konferenz am 23.1.14. Dieser US-Umgang mit zwei Genfer Vereinbarungen zu Syrien (30.6.2012 und 23.1.14) sind abschreckende Beweise für die US-Sabotage einer gesuchten friedlichen Lösung. Diesbezüglich und zur Obama-Diplomatie ist an die zweite Genfer Konferenz zu erinnern: Ein US-Außenminister, der seine schlechte Sache verloren hatte, zeigte sich außerstande, sich mit Ehrlichkeit und Pragmatismus der Realität zu stellen. Stattdessen verlor er beschämenderweise jede Contenance und fing an, in aller Öffentlichkeit zu brüllen. Demgegenüber kontrastierte ein ruhiger und leiser syrischer Außenminister, der für seine gerechte Sache kein Geheul benötigte, sondern scharfe klare Worte, um unbestritten und gelassen zu erklären: "Niemand kann hier jemandem die Legitimität geben oder absprechen, das syrische Volk zu vertreten. Das kann nur das syrische Volk selber."
 
Der investigative französische Journalist Thierry Meyssan trifft den Nagel auf den Kopf in einem Interview aus Damaskus vom 17.1.: "Man spricht von Marionetten-Figuren, die im Namen ausländischer Mächte intervenieren... Die Vereinigten Staaten sind die Geber der Anordnungen in diesem Krieg ... Die Vereinigten Staaten haben ihre Kriegsmacht zuerst an Frankreich, Großbritannien und regionale Mächte delegiert, die sich dort befinden: Die Türkei, Jordanien und aufeinanderfolgend Katar und Saudi-Arabien. ... Wenn man die anderen in den Krieg geschickt hat, ist es schwierig, ihnen zu sagen: "Jetzt ist Schluss! Sie kommen nach Hause zurück, weil man ihn verloren hat!" Es ist diese Situation, die sie heute verdauen müssen. ... " Westliche politische Führer sind nach Genf gekommen, im Namen dieser ausländischen Gruppen zu sprechen, die nach Syrien eingeschleust worden sind. Diese Obama-Diplomatie ist natürlich erfolglos. John Kerry bleibt nur, weiter zu brüllen.
 
Zudem haben sich die USA nicht an die Genfer Vereinbarung zur Ukraine vom 17. April gehalten, sondern haben im Gegenteil die Kiewer Putsch-Regierung weiter für deren Militäroffensive gegen die Bevölkerung unterstützt. So weit zur Zuverlässigkeit der Obama-Diplomatie. Dagegen ist Moskaus solide Diplomatie anzuerkennen. "Viele Male hat Moskau versucht, die verschiedensten syrischen Oppositionsgruppen an einen Tisch zu bringen. Immer kritisierte Russland Aufrufe zu einer "internationalen militärischen Intervention" scharf. Seine Diplomaten sprachen mit allen an dem Krieg in Syrien beteiligten regionalen Staaten. ... Wiederholt machte Moskau Anstrengungen, eine internationale Konferenz zu Syrien abzuhalten. Die nach monatelangen Verzögerungen Anfang 2014 in Genf organisierten Gespräche blieben ohne Erfolg." (Aus dem Artikel "Wiederbelebtes Bündnis" von Karin Leukefeld, Junge Welt, 6.5.14) Warum, wissen wir jetzt.
 
Es ist ebenso bizarr, dass der Journalist der Süddeutschen Zeitung Hubert Wetzel an seinem Glauben an die Weltherrschaft der USA festhält, als ob sich die US-imperialen Interessen mit den Interessen Deutschlands und Europas deckten. Er belügt die Öffentlichkeit skrupellos betreffend Russland. Es gibt keine russischen Provokationen. Im Gegenteil: Russland wird ständig durch die Gewalttaten der ukrainischen Putsch-Regierung gegen russisch-sprechende Ukrainer oder Russen in der Ukraine provoziert, ohne Verurteilung des Westens. "Unsere westlichen Partner, vor allem die USA, versuchen, sich als Sieger des "Kalten Krieges" aufzuspielen." So der russische Außenminister Sergej Lawrow an der Universität Moskau am 23.4.14. "Sie tun so, als könnten sie Russland ignorieren und machen, was sie wollen. Damit verletzen sie direkt russische Sicherheitsinteressen. Diese Kritik gilt für das Vorgehen westlicher Politik unter US-Führung ... Dieser heiße Krieg wird mit der Erweiterung des Nordatlantischen Militärbündnisses (NATO) und mit der Stationierung von Raketensystemen geführt, es ist auch ein Krieg zur Durchsetzung westlicher Interessen. Politik, Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen sind längst in diese Strategie eingebunden." (Aus dem Artikel "Wiederbelebtes Bündnis" von Karin Leukefeld, Junge Welt, 6.5.14)
 
Es ist auch eine krasse mediale Lüge zu behaupten, dass Russland "mit Gewalt neue Grenzen in Osteuropa" zieht. Russland ist ein europäisches Land, das die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen entschieden ablehnt. Als US-Interventionstreiber verfällt der SZ-Leitartikler Wetzel in Irrungen und Wirrungen. Die Weltordnung der vergangenen Jahrzehnte beruhte nicht auf der "Bereitschaft der USA, den Status Quo zu verteidigen, sei es im Nahen Osten, im Pazifik oder in Europa." Das einzige Fundament der Weltordnung ist die Charta der Vereinten Nationen, und sie ist es immer gewesen, seitdem sie am 24.Oktober 1945 in Kraft trat. Mit ihr ist das Völkerrecht durch den Grundsatz der Nicht-Einmischung festgelegt. Hätten die USA einmal in Europa mitten im Kalten Krieg interveniert, hätten sie den Dritten Weltkrieg verursacht. Gerade diese extreme Gefahr erkannte US-Präsident John F. Kennedy, als die Mauer 1962 errichtet wurde, und er unter dem Druck von US-Militärs stand, um zu intervenieren. Er erkannte sehr realistisch, dass die Berliner Mauer keine Gefahr für Westdeutschland war, wohl aber eine Intervention, die einen Krieg hätte verursachen können. Diese einfache realistische Überlegung fehlt bei einem unsinnigen Journalisten wie Wetzel, der offensichtlich keinen gesunden Menschenverstand hat. In den USA selbst erheben sich dagegen vernünftige Stimmen. Der einstige außenpolitische Top-Berater der Regierung George W. Bushs sagte: "Er (Obama) hat Recht, es ist Zeit, zur Normalität zurückzukehren ..." (Aus der Kolumne "Die Kriege sind vorbei" von David Hesse, SZ, 30.5.)
 
Aber eigentlich wurden keine neuen Maßnahmen präsentiert, wie Elliot Abrams, ehemals im Sicherheitsberater-Team von George W. Bush auch anerkennt. "Obamas Hinweise,... Gegnern Schaden zuzufügen und seinen Willen durchzusetzen durch Sanktionen, Finanzierung von Oppositionsgruppen bis hin zur Bewaffnung von Aufständischen - dürfte Allgemeingut aller seiner Vorgänger gewesen sein ... " (Aus dem Leitartikel "Obama über globale US-Führung - Einmalig, unentbehrlich" von Knut Mellenthin, Junge Welt, 30.5.) Diese Obama-Politik, die Politik der Stärke, die weiter auf Konfrontation setzt, ist unzulänglich und zum Scheitern verurteilt. (PK)
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D. und lebt seit dem Putsch in Chile in Deutschland. 


Online-Flyer Nr. 461  vom 04.06.2014

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