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Propaganda in militärischen Konflikten, z.B. während der Balkankriege
PR-Aufträge für Hass und Tod
Von Helmut Scheben
In militärischen Konflikten werden zunehmend PR-Agenturen beauftragt, Feindbilder zu konstruieren und die öffentliche Meinung zu manipulieren, um ein Defizit an Legitimation auszugleichen. „Ich muss sagen, als die Nato 1999 angriff, haben wir eine Flasche Champagner aufgemacht“. Das sagte James Harff in einem Interview mit holländischen Dokumentarfilmern. Harff war Direktor der Abteilung Global Public Affairs der amerikanischen PR-Firma Ruder Finn. Die Firma war eine der ersten, die Propaganda-Aufträge im Balkankrieg erhielt, im August 1991 von der kroatischen Regierung, im Mai 1992 von der bosnischen Regierung und im Herbst desselben Jahres von der Führung der Kosovo-Albaner.
James Harff in einem TV-Interview mit network TV2, Paris, über Ruder Finn
Quelle: theremustbejustice.files.wordpress.com
Harsche Proteste aus Kreisen jüdischer Intellektueller und Wissenschafter sind die Folge. Nobelpreisträger Elie Wiesel und andere wehren sich gegen die Banalisierung und den Missbrauch des Holocaust-Begriffes. Viele weisen darauf hin, dass es wohl kein Volk auf dem Balkan gegeben habe, welches so hohe Verluste im Kampf gegen die deutschen Besatzer erlitten habe wie die Serben, und dass kein Volk die jüdischen Mitbürger so geschützt und verteidigt habe wie die Serben. Doch diese Diskussion wird in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen.
Hochrangige westliche Politiker wie Tony Blair drängten im Laufe der Balkan-Konflikte mehr und mehr auf eine militärische Intervention, wobei stets der Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg als Begründung dient. Im März 1999 schließlich greift eine Allianz von Nato-Staaten ohne völkerrechtliche Legitimation die Bundessrepublik Jugoslawien an, von der nur noch Serbien und Montenegro übrig geblieben sind. Als direkte Begründung für die Luftangriffe wird eine „humanitäre Katastrophe“ im Kosovo angegeben.
Der Plan wurde später von dem deutschen Brigadegeneral Heinz Loquai als Fälschung entlarvt. (Heinz Loquai: Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg, Nomos 2000)
Horrende Flüchtlingszahlen und Gräuelgeschichten
Die PR-Agentur Washington Group hatte ab 1998 von Ruder Finn die Arbeit für die Kosovo-Albaner übernommen, also zur selben Zeit, als die Kämpfe zwischen der kosovo-albanischen Aufstandsbewegung UCK und serbischen Einheiten eskalierten. Als eine ihrer wesentlichen Tätigkeiten beschreibt die Washington Group das Plazieren von Berichten und Kommentaren über serbische Gräueltaten an der kosovo-albanischen Bevölkerung (Becker/Beham S. 52).
Radovan Karadzic, Arzt, Psychiater und ehemaliger Präsident der abtrünnigen Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina, sagt, er habe alles getan, um die Balkan-Kriege zu verhindern. Er habe nie etwas gegen Muslime gehabt, und er habe keine Verantwortung für die Massaker, die im Verlauf des Bosnien-Krieges geschehen seien. Die bosnischen Serben hätten sich nur gegen muslimische Extremisten verteidigt, die Bosnien nach dem Zerfall Jugoslawiens für sich beanspruchten.
Wenn Karadzic frei gesprochen würde, käme das gesamte Argumentationsgebäude, das den Angriffskrieg gegen Serbien und die Nato-Bombardierungen abdecken soll, ins Wanken. Mit einem Mal wäre die sorgfältig fabrizierte Rollenverteilung im Balkankrieg in Frage gestellt und die Öffentlichkeit könnte nachdenklich werden.
Seit Hitlers „Propagandaministerium“ und der kommunistischen „Agitprop“ ist das Wort Propaganda anrüchig geworden. Auch der unheilvolle Begriff „Psychological Warfare“ bekam spätestens seit dem Vietnam-Krieg und der Counterinsurgency in Lateinamerika einen üblen Geruch. Die PR-Agenturen benutzen lieber Ausdrücke wie „Überzeugungsarbeit“ oder „International Communication“und andere politisch korrekte Wörter. Doch ob man die Sache als Propaganda oder Information definiert, ist nicht nur eine Frage von Wahrheit oder Fälschung sondern – wie Beham und Becker richtig bemerken – eine Frage politischer Macht.
"Eingebettete Journalisten"
Authentische Verkörperung und vorläufig letzte Station der Perversion des Journalismus in Kriegszeiten sind die sogenannten „embedded journalists“, handverlesene Medienvertreter, die sich vom Militär „einbetten“ lassen, wobei beide Seiten – Regierung und Journalisten – keine Hemmungen haben, in obszöner Offenheit zu zeigen, dass die vielbeschworene Vierte Gewalt zur Prostituierten verkommen ist.
Online-Flyer Nr. 480 vom 15.10.2014
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Medien
Propaganda in militärischen Konflikten, z.B. während der Balkankriege
PR-Aufträge für Hass und Tod
Von Helmut Scheben
In militärischen Konflikten werden zunehmend PR-Agenturen beauftragt, Feindbilder zu konstruieren und die öffentliche Meinung zu manipulieren, um ein Defizit an Legitimation auszugleichen. „Ich muss sagen, als die Nato 1999 angriff, haben wir eine Flasche Champagner aufgemacht“. Das sagte James Harff in einem Interview mit holländischen Dokumentarfilmern. Harff war Direktor der Abteilung Global Public Affairs der amerikanischen PR-Firma Ruder Finn. Die Firma war eine der ersten, die Propaganda-Aufträge im Balkankrieg erhielt, im August 1991 von der kroatischen Regierung, im Mai 1992 von der bosnischen Regierung und im Herbst desselben Jahres von der Führung der Kosovo-Albaner.
James Harff in einem TV-Interview mit network TV2, Paris, über Ruder Finn
Quelle: theremustbejustice.files.wordpress.com
In allen Fällen lautete der Auftrag, die Serben als Unterdrücker und Aggressoren darzustellen, die Kroaten, bosnischen Muslime und Kosovo-Albaner als Opfer. Ziel war auch unter anderem, die diplomatische Anerkennung der Unabhängigkeit von Kroatien, Slowenien und später des Kosovo zu erreichen und die USA zum Eingreifen auf dem Balkan zu bewegen. Ein anderer Auftrag lautete, den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman vom Vorwurf des Antisemitismus und der Nähe zur rechtsextremen Organisation Ustascha reinzuwaschen.
"Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod"
1938 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, das ausländische Propaganda-Aktivitäten (vor allem deutscher Hitler-Agenten) kontrollieren und unterbinden sollte. Der Foreign Agents Registration Act (FARA) ist meines Wissens bis heute in Kraft. Er verlangt, dass amerikanische PR-Firmen (aber auch andere Unternehmen), die einen Auftrag von ausländischen Staaten oder Interessengruppen erhalten, dem Justizministerium offenlegen müssen, welcher Art ihr Auftrag ist, wie hoch die Bezahlung ist, wie lange er dauert und so weiter.
Das Gesetz erwies sich als hilfreich für die Autoren Jörg Becker und Mira Beham, die die Rolle der großen PR-Agenturen in den Balkankriegen untersuchten. Sie fanden in den amerikanischen Archiven 157 Halbjahresverträge zwischen Kunden aus dem damals zerfallenden Jugoslawien und amerikanischen PR-Agenturen. Ihr Buch „Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod“ (Nomos 2008, 2. ergänzte Auflage) räumt auf mit der Vorstellung, dass Journalisten und Journalistinnen stets unabhängige und kritische Berichterstatter sind. Es zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, in welchem Ausmaß die Ware „Information“ gekauft und verkauft wird, um die öffentliche Wahrnehmung im Krieg zu beeinflussen.
Beste Beziehungen zu Politik und Medien
Jörg Becker, Sozialwissenschafter, und Mira Beham, Publizistin und OSZE-Diplomatin, betonen, dass ihre Studie alles andere als komplett ist, denn FARA erfasst weder die PR-Aufträge der US-Regierung selbst noch alle anderen Verträge mit international tätigen PR-Konzernen, die nicht in den USA ihren Sitz haben. In der von Becker und Beham aufgestellten Liste finden sich gleichwohl einige der mächtigsten und größten der Branche. Zu ihren Managern gehören Figuren mit besten Beziehungen zu Politik und Medien: ehemalige Stabs-Chefs im Weißen Haus, ehemalige Kongressabgeordnete, ehemalige hochrangige CIA-Beamte, Pressesprecher, Top-Journalisten und so weiter.
Dass Regierungen im Krieg die öffentliche Meinung beeinflussen wollen, ist allerdings nicht neu. Seit es Zeitungen gibt, versuchen die Machthaber die Bevölkerung für sich einzunehmen. PR-Leute waren schon vor 300 Jahren am Werk, allerdings im kleineren Umfang.
Der Trick mit dem Holocaust
In einem nur teilweise veröffentlichten Interview für einen niederländischen Dokumentarfilm (De Zaak Milosevic, 2003), den Jos de Putter realisierte, äußert sich der PR-Manager James Harff erstaunlich offen über die Kampagne, die seine Agentur Ruder Finn 1992 in Gang setzte:
„Die jüdischen Organisationen auf Seiten der Bosnier ins Spiel zu bringen, war ein großartiger Bluff. In der öffentlichen Meinung konnten wir auf einen Schlag die Serben mit den Nazis gleichsetzen (…) Sofort stellte sich eine bemerkbare Veränderung des Sprachgebrauchs in den Medien ein, begleitet von der Verwendung solcher Begriffe wie ethnische Säuberung, Konzentrationslager und so weiter, und all das evoziert einen Vergleich mit Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz. Die emotionale Auflandung war so mächtig, dass es niemand wagte, dem zu widersprechen, um nicht des Revisionismus bezichtigt zu werden. Wir hatten ins Schwarze getroffen.“ (Becker/Beham S.43)
"Stop the Death Camps"
Im August 1992 erscheinen erste Berichte über Gefangenenlager in Bosnien mit dem Auschwitz-Vergleich. Drei der größten jüdischen Organisationen der USA, das American Jewish Committee, der American Jewish Congress und die Anti-Defamation League stellen daraufhin ein Inserat in die New York Times mit dem Titel „Stop the Death Camps. An Open Letter to the World Leaders“, in dem es unter anderem heisst:
„Zu den blutigen Namen von Auschwitz, Treblinka und anderen Nazi-Todeslagern müssen nun, so scheint es, die Namen Omarska und Brcko hinzugefügt werden. Ist es möglich, dass fünfzig Jahre nach dem Holocaust die Nationen der Welt, unsere eingeschlossen, passiv dastehen und nichts tun und vorgeben, hilflos zu sein? (… ) Wir müssen klarmachen, dass wir jeden notwendigen Schritt tun werden, inklusive den der Gewaltanwendung, um diesem Wahnsinn und dem Blutvergießen ein Ende zu machen.“ (NYT, 5. August 1992)
Die Gleichsetzung der Serben mit Hitler führt zu dem kalkulierten Ergebnis. Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg dominieren bald die Wahrnehmung des Balkan-Konfliktes in westlichen Medien. Eine umfangreiche französische Studie zeigt, dass die Holocaust-Metaphorik (z.B. der Gebrauch des Wortes „purification ethnique“) in Le Monde im Monat August 1992 - also nach Einsetzen der PR-Kampagne von Ruder Finn - plötzlich um das Zehnfache in die Höhe schnellte.
Die Serben - Verteidiger der Juden
Harsche Proteste aus Kreisen jüdischer Intellektueller und Wissenschafter sind die Folge. Nobelpreisträger Elie Wiesel und andere wehren sich gegen die Banalisierung und den Missbrauch des Holocaust-Begriffes. Viele weisen darauf hin, dass es wohl kein Volk auf dem Balkan gegeben habe, welches so hohe Verluste im Kampf gegen die deutschen Besatzer erlitten habe wie die Serben, und dass kein Volk die jüdischen Mitbürger so geschützt und verteidigt habe wie die Serben. Doch diese Diskussion wird in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen.
Neben Ruder Finn waren mehrere Dutzend andere PR-Agenturen unter Vertrag, darunter weltweit führende wie The Washington Group, Jefferson Waterman International oder Hill & Knowlton. Letztere ist im ersten Golfkrieg mit der erlogenen „Brutkasten-Story“ zu trauriger Berühmtheit gelangt. Ein 15-jähriges Mädchen mit dem angeblichen Namen „Nayirah“ erklärte vor einem Menschenrechts-Arbeitskreis des US-Kongresses, sie habe in einem Spital in Kuwait gesehen wie irakische Soldaten den Säuglingen die Schläuche aus den Brutkästen zogen, um sie sterben zu lassen. Die Story war eine Lüge, erfunden von der PR-Firma. Eine Vertreterin von Amnesty International war bei dem Hearing anwesend. Amnesty International bestätigte den Tod von mehr als 300 Kindern. Später musste Amnesty einräumen, keine Beweise für diese Aussage gehabt zu haben.
Der Nato-Krieg gegen Serbien: ein PR-Erfolg
Hochrangige westliche Politiker wie Tony Blair drängten im Laufe der Balkan-Konflikte mehr und mehr auf eine militärische Intervention, wobei stets der Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg als Begründung dient. Im März 1999 schließlich greift eine Allianz von Nato-Staaten ohne völkerrechtliche Legitimation die Bundessrepublik Jugoslawien an, von der nur noch Serbien und Montenegro übrig geblieben sind. Als direkte Begründung für die Luftangriffe wird eine „humanitäre Katastrophe“ im Kosovo angegeben.
Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping führt im Vorfeld des Angriffs eine geradezu groteske Hetzkampagne gegen die Serben. Scharping spricht von „serbischer SS“, von einem „Schlachthaus“ und kolportiert „zuverlässige Informationen“, denen zufolge die Serben „mit den abgeschnittenen Köpfen ihrer Opfer Fußball spielen.“
Scharping legte am 8. April 1999 als Schlüssel-Dokument den „Hufeisenplan“ vor, ein serbischer Plan, der angeblich die Ausrottung und Vertreibung der Kosovo-Albaner vorsah.
"Beziehungsmakler"
Der Plan wurde später von dem deutschen Brigadegeneral Heinz Loquai als Fälschung entlarvt. (Heinz Loquai: Der Kosovo-Konflikt – Wege in einen vermeidbaren Krieg, Nomos 2000)
Der wohl wichtigste PR-Berater Scharpings hieß Moritz Hunzinger, in Deutschland damals ein Platzhirsch der Branche. Der Frankfurter PR-Mann, der sich selbst als „Beziehungsmakler“ bezeichnete, verfügte nach eigenen Angaben über rund 50.000 Adressen, darunter die wichtigsten Minister, Staatssekretäre, Parteichefs, Chefredakteure etc. Hunzinger ließ Scharping mehrmals Geldbeträge in fünfstelliger Höhe zukommen. Als 2002 herauskommt, dass Scharping zur Zeit des Kosovo-Krieges über ein Konto Hunzingers in Höhe von 80.000 Mark verfügte, muss Scharping den Hut nehmen. Kanzler Schröder entlässt seinen Verteidigungsminister unter anderem „wegen Verlust von Ansehen und Respekt in der Bundeswehr“.
Horrende Flüchtlingszahlen und Gräuelgeschichten
Die PR-Agentur Washington Group hatte ab 1998 von Ruder Finn die Arbeit für die Kosovo-Albaner übernommen, also zur selben Zeit, als die Kämpfe zwischen der kosovo-albanischen Aufstandsbewegung UCK und serbischen Einheiten eskalierten. Als eine ihrer wesentlichen Tätigkeiten beschreibt die Washington Group das Plazieren von Berichten und Kommentaren über serbische Gräueltaten an der kosovo-albanischen Bevölkerung (Becker/Beham S. 52).
Der amerikanische Verteidigungsminster Cohen tritt am 18. Mai 1999 vor die Presse und spricht von bis zu 100.000 Toten, das US-Aussenminsterium schließt nicht aus, dass sogar 500.000 vermisste Kosovo-Albaner getötet worden sein könnten. Die Vereinten Nationen bezifferten die Toten später zunächst auf 44.000, dann auf 22.000, um sich schließlich nach Beendigung des Kosovo-Krieges auf 11.000 Tote festzulegen.
Nach dem Rückzug der serbischen Streitkräfte aus dem Kosovo wurden nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR rund 210.000 Nicht-Kosovo-Albaner vertrieben, das heißt Serben, Roma, Bosniaken, Kroaten und andere. Doch dies wurde offenbar stillschweigend als Kollateralschaden verbucht und fand kaum Beachtung in westlichen Medien.
Die Serbische Kriegspartei unterschätzte lange den Nutzen von PR-Kampagnen. Sie verharrte zunächst in einer Art „Trotzhaltung“ (Becker/Beham), weil sie sich im Recht glaubte, vergab dann, als es zu spät war, Aufträge zur Image-Korrektur an kleinere, meist lokale Agenturen. Die großen und renommierten PR-Firmen lehnten dankend ab. Sie konnten es sich nicht leisten, das totale Wirtschafts- und Handelsembargo zu durchbrechen, das gegen das „völkermörderische“ Serbien verhängt worden waren.
Den Haag unter dem politischem Druck
Radovan Karadzic, Arzt, Psychiater und ehemaliger Präsident der abtrünnigen Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina, sagt, er habe alles getan, um die Balkan-Kriege zu verhindern. Er habe nie etwas gegen Muslime gehabt, und er habe keine Verantwortung für die Massaker, die im Verlauf des Bosnien-Krieges geschehen seien. Die bosnischen Serben hätten sich nur gegen muslimische Extremisten verteidigt, die Bosnien nach dem Zerfall Jugoslawiens für sich beanspruchten.
Der Chef-Ankläger im Kriegsverbrecher-Prozess in Den Haag ist anderer Meinung. In seinem Schlussplädoyer forderte Alan Tieger am vergangenen 29. September lebenslange Gefängnisstrafe für Karadzic. Der Serbenführer sei die „treibende Kraft“ hinter „ethnischen Säuberungen“ und dem Massaker von Srebrenica gewesen, sagte Tieger. Karadzics Tochter Sonja sprach aus, was viele Serben denken: Wenn das Haager Gericht nicht im Auftrag der Nato handelte, würde er freigesprochen.
Allerdings gibt es handfeste Beweise für die Schuld Karadzics, so Tonbandaufzeichnungen, in denen er eine "Säuberung" Sarajevos fordert. Doch selbst wenn es Zweifel an der Schuld von Karadzic gäbe, selbst wenn die vielen Zeugen, die gegen ihn aussagen, nicht die Wahrheit gesagt hätten: Der politische Druck, der auf diesem Gerichtssaal in Den Haag lastet, ist so kolossal ist, dass eigentlich ein Freispruch nicht in Frage kommen könnte. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Politik der USA und des mächtigsten Militärbündnisses der Welt. Diesem Druck kann sich ein Richter nur schwer entziehen.
Nicht nur PR-Lügen
Wenn Karadzic frei gesprochen würde, käme das gesamte Argumentationsgebäude, das den Angriffskrieg gegen Serbien und die Nato-Bombardierungen abdecken soll, ins Wanken. Mit einem Mal wäre die sorgfältig fabrizierte Rollenverteilung im Balkankrieg in Frage gestellt und die Öffentlichkeit könnte nachdenklich werden.
Doch das wird kaum geschehen. Im Fall der Balkankriege der neunziger Jahre scheint die Geschichte geschrieben, die Serben gelten immer noch als die „Bad Guys“, während friedliebende Kroaten, Bosniaken und Kosovaren sich angeblich gegen die Großmachtansprüche der Serben wehren mussten und den Schutz der Völkergemeinschaft benötigten.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass das falsch ist, dass die Zusammenhänge weitaus komplizierter waren. Auf Seiten der bosnischen Moslems kämpften teilweise Internationale Einheiten fanatisierter Islamisten, die den heutigen Kopfabschneidern des Islamischen Staates an Brutalität nicht nachstanden. Von den Kommandanten der kosovarischen UCK müssten viele heute hinter Gittern sitzen. Und die umfangreichste ethnische Vertreibung war wohl die Vertreibung von rund 200.000 Serben während der kroatischen Eroberung der Krajina (die übrigens unter der „Assistance“ des amerikanischen privaten Miliär-Unternehmens MPRI mit Sitz in Virginia vonstatten ging).
Damit soll nicht gesagt sein, dass die serbische Kriegspartei nur Opfer von PR-Kampagnen war. Es kann kein Zweifel bestehen, dass serbische Milizen zahlreiche schwere Verbrechen in den Balkankriegen begangen haben. Dass in Srebrenica ein Massaker stattgefunden hat, wird auch von der heutigen serbischen Regierung und selbst von serbischen Hardlinern in Bosnien nicht geleugnet. Unter der Führung von Ratko Mladic waren im Juli 1995 8.000 Bosniaken, vorwiegend Männer und Junge zwischen 13 und 78 Jahren, innerhalb von wenigen Stunden massakriert worden. Das ist keine PR-Lüge, das ist Tatsache. Und auch die jahrelange Belagerung von Sarajevo ist keine Erfindung von PR-Agenturen.
Propaganda oder Information?
Seit Hitlers „Propagandaministerium“ und der kommunistischen „Agitprop“ ist das Wort Propaganda anrüchig geworden. Auch der unheilvolle Begriff „Psychological Warfare“ bekam spätestens seit dem Vietnam-Krieg und der Counterinsurgency in Lateinamerika einen üblen Geruch. Die PR-Agenturen benutzen lieber Ausdrücke wie „Überzeugungsarbeit“ oder „International Communication“und andere politisch korrekte Wörter. Doch ob man die Sache als Propaganda oder Information definiert, ist nicht nur eine Frage von Wahrheit oder Fälschung sondern – wie Beham und Becker richtig bemerken – eine Frage politischer Macht.
Der Faktor Macht ist es, der bewirkt, dass ein weltweit operierender Konzern wie Hill & Knowlton seine Story tausendfach verbreiten kann. Und die enge Vernetzung zwischen PR-Agenturen, Politikern, Militär und Medien bewirkt die endlose Multiplikation der Story. Denn die einen beziehen sich auf die andern, und am Ende des Kreislaufs kann jeder beweisen, dass es die Wahrheit sein muss, weil der andere es gesagt hat.
Und dies gilt besonders in Kriegszeiten, da die Medien ständig nach neuen Informationen „von den Fronten“ gieren, daher keine Zeit, aber auch keine Möglichkeiten der Überprüfung von Informationen haben. Gleichzeitig verläuft der gesamte Nachrichtenfluss in einem engen Korridor - sozusagen zwischen den militärischen Sperrgebieten der Zensur.
"Eingebettete Journalisten"
Authentische Verkörperung und vorläufig letzte Station der Perversion des Journalismus in Kriegszeiten sind die sogenannten „embedded journalists“, handverlesene Medienvertreter, die sich vom Militär „einbetten“ lassen, wobei beide Seiten – Regierung und Journalisten – keine Hemmungen haben, in obszöner Offenheit zu zeigen, dass die vielbeschworene Vierte Gewalt zur Prostituierten verkommen ist.
Zugegeben, auch "embedded journalists" haben immer wieder Dinge entdeckt, beschrieben und veröffentlicht, die dem Militär und den Regierungen gar nicht passten. Längst nicht alle eingebetteten Journalisten sind zu Prostituierten verkommen.
Kriege werden mit Kriegs-Propaganda begonnen und mit Kriegs-Propaganda gewonnen. Oder verloren. Ein Teil der Wahrheit kommt manchmal ans Licht, wenn der Krieg vorüber ist. So ging es mit dem Vietnam-Krieg, dem Afghanistan-Krieg und mit den beiden Golfkriegen. Die Frage ist, ob es die Masse der Leute nach Kriegsende noch interessiert zu erfahren, dass Regierungen ihrem Volk nicht die ganze Wahrheit gesagt haben und dass große Medien Lügen verbreitet haben. Sind wir lernfähig? Oder wiederholt sich ein paar Jahre später alles in gleicher Weise: die Kreation von Feindbildern, die Empörung der Öffentlichkeit, der Krieg, seine Sieger und seine Verlierer? (PK)
Helmut Scheben, geboren 1947 in Koblenz, vor seiner Pensionierung u.a. Redakteur der Wochenzeitung (WoZ) in Zürich, Redakteur und Reporter im Schweizer Fernsehen SRF, davon 16 Jahre in der Tagesschau. hat diesen Beitrag im http://www.journal21.ch/ veröffentlicht.
Online-Flyer Nr. 480 vom 15.10.2014
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