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Das Bundeskriminalamt von Herrn Ziercke will noch mehr Daten
Der Arsch ist furchtbar noch
Von Ulrich Gellermann

Der Untergang der DDR ist dem Bundeskriminalamt (BKA) offenkundig eine Lehre. Hatte doch das Ministerium für Staatssicherheit augenscheinlich zu wenig Daten gesammelt, andernfalls wäre es der DDR-Opposition doch kaum möglich gewesen, einen ordentlichen Staat in ein Nichts aufzulösen. Wahrscheinlich deshalb hat der Präsident des (BKA), Jörg Ziercke, jetzt verlangt, dass auch die künftig bei der Dobrindt-Maut anfallenden Daten der Kriminal-Erfassung zugänglich gemacht werden sollen. Wenn also demnächst der Terrorist von Dortmund nach München fährt, wird erst sein Autokennzeichen er-fasst und schon ist der Mann selbst ge-fasst.

Doch reicht das? Müssen nicht im Sinne einer umfassenden Sicherheit des Staates vielmehr ohnehin vorhandene Daten dem BKA zugeführt werden? - Immer wieder machen die Hals-Nasen-Ohrenärzte jede Menge Abstriche im Mundbereich ihrer Patienten, um Krankheiten auf die Spur zu kommen. Das ist ein ideales Verfahren, um die Gen-Daten-Bank des BKA um Millionen von Daten zu erweitern. Bei den Zahnärzten der Republik lagern, bisher kaum genutzt, Tausende und Abertausende von Gebissabdrücken. Bisher werden sie nur zur Ermittlung bei Todesfällen eingesetzt. Wären sie aber einer Gebiss-Sammlung des BKA anvertraut, könnten Biss-Spuren infolge von Auseinandersetzungen sofort zu den Zähnen des Täters führen.
 
Was machen die Psychiater eigentlich mit den Aufzeichnungen ihrer Patientengespräche? Bisher liegen sie unter Verschluss. Welch ein Sicherheitsrisiko! Aus den Psychogrammen der Patienten sind ja nicht nur die begangenen Taten zu ersehen, sondern auch die künftigen: Welch ein Fortschritt in der Kriminologie. Nur das ärztliche Schweigegebot steht der Entwicklung noch im Wege. Das gilt leider auch für die unzähligen Darmspiegelungen. Würden sie der öffentlichen Sicherheit zur Verfügung gestellt, könnten die vielen deutschen Arschkriecher unmittelbar am Tatort festgestellt und dingfest gemacht werden. Leider ist diese Ermittlung im braunen Bereich nicht mehr retrospektiv zu leisten.
 
Hätte man schon in den frühen 50er Jahren den staatlichen Arsch der Bundesrepublik untersucht, wäre vielleicht der brave SS-Hauptsturmführer Rolf Holle aufgefallen, ein Motor der BKA-Gründung. Der hatte bereits seit 1948 einen guten Draht zur CIA. Da konnte es nicht ausbleiben, dass er im Mai 1950 vom Bundesministerium des Inneren als Regierungs- und Kriminalrat angestellt wurde. Gemeinsam mit seinem guten Freund Paul Dickopf - auch ein SS-Kamerad und späterer Präsident des BKA - sorgte er für ein prima Klima im Bundeskriminalamt: Noch 1959 waren zwei Drittel der Beamten im BKA-Führungspersonal ehemalige SS-Mitglieder, drei Viertel gehörten zuvor der NSDAP an. Selbst 1969 zählte noch ein Viertel des BKA-Führungspersonals zu den ehemaligen SS-Mitgliedern und die Hälfte aller Beamten waren einst Parteimitglieder der NSDAP. In Wahrheit regierte dieser extrem braune Arsch die Sicherheit der Bundesrepublik.
 
Da erstaunt es dann nicht, dass sich das Amt bis heute bei der Verfolgung rechter Straftäter schwer tut: Den Zusammenhang zwischen den Ku-Klux-Klan-Polizisten aus Baden-Württemberg und der Terrorgruppe NSU kann das BKA - trotz eindeutiger Verbindungslinien - nicht aufklären. Das gilt auch für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter. Statt im braunen Sumpf zu rühren, hatte man erstmal, in schöner Nazi-Tradition, Sinti und Roma verdächtigt. Dabei haben die ermittelnden Beamten einen Verdächtigen einem Lügendetektor-Test unterzogen und festgestellt, dass er "ein typischer Vertreter seiner Ethnie“ sei, was bedeute, dass "die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation darstelle". Dass dem Amt mal eine NSU-Personenliste entfallen ist, dass ein bereits 2006 erfolgter Tipp zur NSU-Tatwaffe nicht berücksichtigt wurde, das sind einfach Zufälligkeiten, wenn man dem BKA glauben dürfte. Vielleicht so zufällig wie die Pädophilie-Information zu Sebastian Edathy (1) aus dem Polizei-Umfeld an die Medien gelangen konnte. "Ich find’s nicht nachvollziehbar, wie Sie hier auftreten“, sagte Sebastian Edathy einmal während der Vernehmung des NSU-Untersuchungsausschusses zum Präsidenten des BKA. Das hat er nun davon.
Wenn Verkehrsminister Dobrindt zumindest vorläufig die Daten aus der künftigen Maut-Erfassung nicht herausgeben will, dann natürlich auch, um sein ohnehin umstrittenes Projekt nicht weiter zu belasten. Aber eben auch weil er sicher sein kann: Das BKA bekommt schon seine Daten von der NSA. Auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes 2013 wusste Michael Daniel, Sonderbeauftragter des Weißen Hauses für die Datensicher-heits-Strategie der USA und Berater von Präsident Barack Obama, zu sagen: "Cybersicherheit ist ein Mannschaftssport". Offenkundig gehörte dann ein Jahr später zur Team-Leistung, dass sich das Bundeskriminalamt Hilfe zur Entwicklung eines eigenen "Staatstrojaners" aus den USA holte. Die Behörde kooperiert bei der Überwachungs-Software eng mit der deutschen Tochter des NSA-Dienstleisters CSC zusammen. So schließt sich der Kreis auf´s Schönste: Der US-Geheimdienst CIA rettete alte Nazis in eine neue Behörde. Die nun älter gewordene Behörde rettet ihre Datensammlung in Kooperation mit dem US-Geheimdienst NSA. Der Arsch ist furchtbar noch, aus dem das kroch. (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20050
 


Online-Flyer Nr. 484  vom 12.11.2014

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