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Kultur und Wissen
Zum Buch "Die Stadt, das Land, die Welt verändern"
„Unverschämt!“
Von Walter Herrmann
„Was ist von Stollwerck geblieben? Zunächst gab es noch ein paar Jahre lang... eine Zwischennutzung von Maschinenhalle und Annosaal für ein autonomes Kulturzentrum, gefolgt von der Kulturfabrik Stollwerck... Im April 1987 gingen aber auch hier für die Kultur die Lichter aus, Schluss mit lustig.“ Das ist alles, was im Buch "Die Stadt, das Land, die Welt verändern" über den Annosaal der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik zu lesen ist. Kein Wort über die Zerstörung des Saals und wer dafür verantwortlich ist! Der seinerzeit mit „Sympathien für die antiautoritäre, undogmatische Linke“ ausgestattete WDR- und Arte-Autor Jürgen Bevers darf dies schreiben bzw. unter den Teppich kehren. Nicht schreiben durfte Walter Herrmann. „Walter Herrmann hat versucht einen Artikel zu Palazzo Schoko zu schreiben. Er war unverständlich...“ Das teilt Herausgeber Reiner Schmidt nach Erscheinen des Buches mit. Walter Herrmanns Kommentar dazu: „Unverschämt!“ Hier dokumentieren wir, was Walter Herrmann "Unverständliches" zu sagen hat.
Im Graffiti-Dom Annosaal, 1987 (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Für das Buchprojekt "Die Stadt, das Land, die Welt verändern" hatte ich drei Beiträge geliefert. Sie bezogen sich (a) auf das alternative Kulturzentrum Stollwerck, (b) die "Aktion Platania" und (c) das Kontaktzentrum für untergetauchte ehemalige Heimjugendliche in der Kerpener Straße in Köln-Sülz, ein Projekt der Basisgruppe Psychologie, das vom Studentenparlament der Uni Köln unterstützt wurde. In diesen Projekten war ich selbst aktiv. Was die alternativen Projekte "Stollwerck" und "Platania" angeht, bemühte ich mich um die Fortdauer dieser Projekte und zwar zu einem Zeitpunkt, als viele Akteure schon aufgegeben hatten. Meine Beiträge für das Buch fielen allesamt unter den Tisch, ich erhielt noch nicht einmal eine Rückmeldung.
Zu "Stollwerck"
Allen Beteiligten der Stollwerck-Aktion war von vorneherein klar, dass der damalige Oberstadtdirektor Rossa alles daransetzen würde, das alternative Kulturzentrum platt zu machen. Er hatte speziell den Gebäudeteil mit dem Annosaal und die Maschinenhalle im Visier. Letztere war als "Graffiti-Dom" weit über Köln hinaus bekannt und geschätzt als Konzertsaal mit einmaliger Atmosphäre.
Kampf um den Erhalt des Annosaal-Komplexes
Gegen den von Rossa geplanten Abriss dieser Gebäude formierte sich erstaunlicherweise kein relevanter Widerstand. Daraufhin unternahm ich das mir Mögliche. Ich konzentrierte mich auf den Annosaal. In der Bibliothek der Industrie- und Handelskammer stieß ich auf einen Zeitungsausschnitt mit Foto über die Eröffnung des Theobromina-Saals im Stollwerck. So hieß der Annosaal ursprünglich. Heinrich Stollwerck, der Techniker unter den Stollwerck-Brüdern, hatte diesen Saal, zu dem eine breite doppelläufige Treppe führte, für seinen "Theobromina-Chor" entworfen, einen Arbeiter-Chor, der seinerzeit sehr bekannt war und in Wien und anderen europäischen Städten auftrat. Ein an dicken Stahlseilen aufgehängtes Tonnengewölbe sorgte für optimale Akustik im Saal.
Ich informierte den Landeskonservator, der daraufhin den Annosaal zum "Kulturdenkmal" erklärte.
Unterstützung bei meinem Bemühen um die Rettung des Annosaals erhielt ich auch von der LEG, die für die Bebauung des Stollwerck-Grundstücks zuständig war. Ein Mitarbeiter der LEG gab mir eine Kopie des vom Rat der Stadt ursprünglich beschlossenen Bebauungsplans. Dem Plan zufolge sollte der Annosaal-Komplex nicht abgerissen werden.
Annosaal mit zerstörter Deckenkonstruktion – 1987 – mit Klaus dem Geiger
Um den Abriss von Annosaal und Maschinenhalle aufzuhalten, hatte ich zudem Unterschriften bei Prominenten gesammelt, denen ich jeweils eine Mappe mit DIN-A4-Farbfotos von Graffiti-Motiven der Maschinenhalle vorlegte. Zu den Unterzeichnern gehörten der Grafiker Klaus Staeck, die Theatermacher Jürgen Flimm und Millowitsch junior, der Architekt der Kölner Philharmonie Peter Busmann, BAP-Gründer Wolfgang Niedecken, die Komponisten Maurizio Kagel und John Cage. Cage erinnerte sich lebhaft an eines seiner Konzerte im "Graffiti-Dom".
Die AIternativ-Szene hatte sich schon vorzeitig von Stollwerck verabschiedet und so hatte Rossa leichtes Spiel.
Er heuerte polnische Arbeiter an, deren Aufgabe es war, die Drahtseile, an denen das Tonnengewölbe im Annosaal hing, mit Schweißgeräten zu durchtrennen. So wurde das Gewölbe zum Einsturz gebracht. Dies geschah am helllichtem Tag. Damit war der erste Schritt getan, den gesamten Annosaal-Komplex abzureißen.
Abriss des Annosaal-Komplexes – 1987
Zu "Platania"
Anlass der Besetzung des Parks am Kaiser-Wilhelm-Ring war das Vorhaben der Ratspolitiker, dort eine U-Bahn-Haltestelle mit Tiefgarage zu bauen. Möbel-Pesch hatte sich die Garage für seine Kunden gewünscht, und der CDU-Politiker Blömer hatte sich dafür ins Zeug gelegt. Der Park stand diesem Plan im Weg.
An der Besetzungsaktion haben sich viele beteiligt. Einige Umwelt-Aktivisten bauten sich im Geäst der Platanen Holzhütten, in denen sie auch über Nacht blieben. Häufig erschienen dort Klaus der Geiger und andere Straßenmusiker und sorgten für gute Stimmung.
Zu Karneval herrschte in "Platania" noch Lust und Fröhlichkeit. Das Epos vom rebellischen gallischen Dorf, das einst den Römern das Leben schwer machte, wurde inszeniert. Klaus der Geiger schlüpfte in das Kostüm der Miraculix und rührte in einem Kessel ein heißes exotisches Getränk an.
Aber kaum war Karneval vorbei, holten "die Römer" zum Gegenschlag aus. Gegen 4 Uhr nachts marschierte eine Kohorte Polizisten auf, riegelte das Gelände ab und holte die 4 oder 5 verbliebenen Umwelt-Aktivisten von den Bäumen. Dann begannen die Sägemaschinen zu heulen. Mit dem Abholzen der Park-Bäume war eine holländische Firma beauftragt worden.
Als ich am nächsten Morgen zum Ort des Geschehens kam, stand dort kein Baum mehr.
Ich traf das türkische Ehepaar an, das dort seinen Kiosk hatte. Nach und nach kamen aufgebrachte Anwohner, die in der Nacht vom Höllenlärm der Sägemaschinen aus dem Schlaf gerissen worden waren und nun mit Entsetzen feststellten, was mit ihren Bäumen geschehen war.
Unterstützt vom türkischen Paar organisierte ich spontan eine Protestwand am Absperrzaun. Ich besorgte mir Kartons vom nächsten Supermarkt, dazu ein Tapetenmesser, Eddingstifte und eine Kleberolle. Auf zugeschnittenen Karton-Täfelchen konnten die Anwohner ihre Wut über die Betonköpfe im Rat zum Ausdruck bringen und diese am Zaun befestigen. Auf diese Weise entstand die "1. Kölner Klagemauer".
Diese Aktion lief über drei Wochen. Wiederholt erschienen Ordnungsamts-Mitarbeiter in Polizeibegleitung und rissen die Kärtchen ab. Sie konnten aber die Aktion nicht stoppen.
Wenige Monate später fand eine Landtagswahl statt. Wie schon immer kandidierte Blömer im Wahlkreis Lindenthal; gewöhnlich holte er dort 60 Prozent der Stimmen. Diesmal sollte es anders kommen.
Ein Kritiker der Baumfäll-Aktion am Kaiser-Wilhelm-Ring war vor der Wahl Nacht für Nacht mit dem Fahrrad unterwegs, um auf Blömers Plakaten die Augen mit schwarzen Streifen zu überkleben. In weißer Schrift stand darauf: "Dieser Kandidat gehört zu der Clique, die den Park am Kaiser-Wilhelm-Ring für eine Tiefgarage abholzen ließ." Ein Plakat-Klebe-Team war dann Tag für Tag damit beschäftigt, neu zu plakatieren. Am Wahltag erhielt Blömer die Quittung: Eine bislang unbekannte SPD-Frau holte das Direktmandat.
Übrigens: Bei der Vergabe des neuen Kiosk in der U-Bahn-Station wurde das türkische Paar, das die "Aktion Platania" unterstützt hatte, abgestraft. Der Kiosk ging an einen deutschen Bewerber.
Nachbemerkung
Die Protestbewegung in den 70er/80er Jahren, die sich vor allem in Besetzungsaktionen manifestierte, war relativ spontihaft. Alternative Projekte scheiterten oft, weil Möglichkeiten, sie längerfristig zu halten bzw. weiterzukämpfen, nicht wahrgenommen wurden. Eine kritische Bestandsaufnahme steht noch aus. (PK)
Angaben zum Buch:
Die Stadt, das Land, die Welt verändern!
Die 70er/80er Jahre in Köln - alternativ, links, radikal, autonom
ISBN: 978-3-462-03840-8
Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014
636 Seiten, Broschur
Preis
Deutschland 29,99 Euro
Schweiz 40,10 sFr
Österreich 30,90 Euro
Siehe auch die Buchrezension:
1,8 kg Geschichte einer Stadt mit Lücken
Anmerkungen zu einem Buch über die 70er/80er Jahre in Köln
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ Nr. 488 vom 10.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21084
Und siehe die Fotogalerie zu Walter Herrmanns Wirken heute:
Krieg dem Kriege
Walter Herrmann zeigt die Fratze der Unmenschlichkeit
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ Nr. 491 vom 31.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21161
Online-Flyer Nr. 491 vom 31.12.2014
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Kultur und Wissen
Zum Buch "Die Stadt, das Land, die Welt verändern"
„Unverschämt!“
Von Walter Herrmann
„Was ist von Stollwerck geblieben? Zunächst gab es noch ein paar Jahre lang... eine Zwischennutzung von Maschinenhalle und Annosaal für ein autonomes Kulturzentrum, gefolgt von der Kulturfabrik Stollwerck... Im April 1987 gingen aber auch hier für die Kultur die Lichter aus, Schluss mit lustig.“ Das ist alles, was im Buch "Die Stadt, das Land, die Welt verändern" über den Annosaal der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik zu lesen ist. Kein Wort über die Zerstörung des Saals und wer dafür verantwortlich ist! Der seinerzeit mit „Sympathien für die antiautoritäre, undogmatische Linke“ ausgestattete WDR- und Arte-Autor Jürgen Bevers darf dies schreiben bzw. unter den Teppich kehren. Nicht schreiben durfte Walter Herrmann. „Walter Herrmann hat versucht einen Artikel zu Palazzo Schoko zu schreiben. Er war unverständlich...“ Das teilt Herausgeber Reiner Schmidt nach Erscheinen des Buches mit. Walter Herrmanns Kommentar dazu: „Unverschämt!“ Hier dokumentieren wir, was Walter Herrmann "Unverständliches" zu sagen hat.
Im Graffiti-Dom Annosaal, 1987 (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Für das Buchprojekt "Die Stadt, das Land, die Welt verändern" hatte ich drei Beiträge geliefert. Sie bezogen sich (a) auf das alternative Kulturzentrum Stollwerck, (b) die "Aktion Platania" und (c) das Kontaktzentrum für untergetauchte ehemalige Heimjugendliche in der Kerpener Straße in Köln-Sülz, ein Projekt der Basisgruppe Psychologie, das vom Studentenparlament der Uni Köln unterstützt wurde. In diesen Projekten war ich selbst aktiv. Was die alternativen Projekte "Stollwerck" und "Platania" angeht, bemühte ich mich um die Fortdauer dieser Projekte und zwar zu einem Zeitpunkt, als viele Akteure schon aufgegeben hatten. Meine Beiträge für das Buch fielen allesamt unter den Tisch, ich erhielt noch nicht einmal eine Rückmeldung.
Zu "Stollwerck"
Allen Beteiligten der Stollwerck-Aktion war von vorneherein klar, dass der damalige Oberstadtdirektor Rossa alles daransetzen würde, das alternative Kulturzentrum platt zu machen. Er hatte speziell den Gebäudeteil mit dem Annosaal und die Maschinenhalle im Visier. Letztere war als "Graffiti-Dom" weit über Köln hinaus bekannt und geschätzt als Konzertsaal mit einmaliger Atmosphäre.
Kampf um den Erhalt des Annosaal-Komplexes
Gegen den von Rossa geplanten Abriss dieser Gebäude formierte sich erstaunlicherweise kein relevanter Widerstand. Daraufhin unternahm ich das mir Mögliche. Ich konzentrierte mich auf den Annosaal. In der Bibliothek der Industrie- und Handelskammer stieß ich auf einen Zeitungsausschnitt mit Foto über die Eröffnung des Theobromina-Saals im Stollwerck. So hieß der Annosaal ursprünglich. Heinrich Stollwerck, der Techniker unter den Stollwerck-Brüdern, hatte diesen Saal, zu dem eine breite doppelläufige Treppe führte, für seinen "Theobromina-Chor" entworfen, einen Arbeiter-Chor, der seinerzeit sehr bekannt war und in Wien und anderen europäischen Städten auftrat. Ein an dicken Stahlseilen aufgehängtes Tonnengewölbe sorgte für optimale Akustik im Saal.
Ich informierte den Landeskonservator, der daraufhin den Annosaal zum "Kulturdenkmal" erklärte.
Unterstützung bei meinem Bemühen um die Rettung des Annosaals erhielt ich auch von der LEG, die für die Bebauung des Stollwerck-Grundstücks zuständig war. Ein Mitarbeiter der LEG gab mir eine Kopie des vom Rat der Stadt ursprünglich beschlossenen Bebauungsplans. Dem Plan zufolge sollte der Annosaal-Komplex nicht abgerissen werden.
Annosaal mit zerstörter Deckenkonstruktion – 1987 – mit Klaus dem Geiger
Um den Abriss von Annosaal und Maschinenhalle aufzuhalten, hatte ich zudem Unterschriften bei Prominenten gesammelt, denen ich jeweils eine Mappe mit DIN-A4-Farbfotos von Graffiti-Motiven der Maschinenhalle vorlegte. Zu den Unterzeichnern gehörten der Grafiker Klaus Staeck, die Theatermacher Jürgen Flimm und Millowitsch junior, der Architekt der Kölner Philharmonie Peter Busmann, BAP-Gründer Wolfgang Niedecken, die Komponisten Maurizio Kagel und John Cage. Cage erinnerte sich lebhaft an eines seiner Konzerte im "Graffiti-Dom".
Die AIternativ-Szene hatte sich schon vorzeitig von Stollwerck verabschiedet und so hatte Rossa leichtes Spiel.
Er heuerte polnische Arbeiter an, deren Aufgabe es war, die Drahtseile, an denen das Tonnengewölbe im Annosaal hing, mit Schweißgeräten zu durchtrennen. So wurde das Gewölbe zum Einsturz gebracht. Dies geschah am helllichtem Tag. Damit war der erste Schritt getan, den gesamten Annosaal-Komplex abzureißen.
Abriss des Annosaal-Komplexes – 1987
Zu "Platania"
Anlass der Besetzung des Parks am Kaiser-Wilhelm-Ring war das Vorhaben der Ratspolitiker, dort eine U-Bahn-Haltestelle mit Tiefgarage zu bauen. Möbel-Pesch hatte sich die Garage für seine Kunden gewünscht, und der CDU-Politiker Blömer hatte sich dafür ins Zeug gelegt. Der Park stand diesem Plan im Weg.
An der Besetzungsaktion haben sich viele beteiligt. Einige Umwelt-Aktivisten bauten sich im Geäst der Platanen Holzhütten, in denen sie auch über Nacht blieben. Häufig erschienen dort Klaus der Geiger und andere Straßenmusiker und sorgten für gute Stimmung.
Zu Karneval herrschte in "Platania" noch Lust und Fröhlichkeit. Das Epos vom rebellischen gallischen Dorf, das einst den Römern das Leben schwer machte, wurde inszeniert. Klaus der Geiger schlüpfte in das Kostüm der Miraculix und rührte in einem Kessel ein heißes exotisches Getränk an.
Aber kaum war Karneval vorbei, holten "die Römer" zum Gegenschlag aus. Gegen 4 Uhr nachts marschierte eine Kohorte Polizisten auf, riegelte das Gelände ab und holte die 4 oder 5 verbliebenen Umwelt-Aktivisten von den Bäumen. Dann begannen die Sägemaschinen zu heulen. Mit dem Abholzen der Park-Bäume war eine holländische Firma beauftragt worden.
Als ich am nächsten Morgen zum Ort des Geschehens kam, stand dort kein Baum mehr.
Ich traf das türkische Ehepaar an, das dort seinen Kiosk hatte. Nach und nach kamen aufgebrachte Anwohner, die in der Nacht vom Höllenlärm der Sägemaschinen aus dem Schlaf gerissen worden waren und nun mit Entsetzen feststellten, was mit ihren Bäumen geschehen war.
Unterstützt vom türkischen Paar organisierte ich spontan eine Protestwand am Absperrzaun. Ich besorgte mir Kartons vom nächsten Supermarkt, dazu ein Tapetenmesser, Eddingstifte und eine Kleberolle. Auf zugeschnittenen Karton-Täfelchen konnten die Anwohner ihre Wut über die Betonköpfe im Rat zum Ausdruck bringen und diese am Zaun befestigen. Auf diese Weise entstand die "1. Kölner Klagemauer".
Diese Aktion lief über drei Wochen. Wiederholt erschienen Ordnungsamts-Mitarbeiter in Polizeibegleitung und rissen die Kärtchen ab. Sie konnten aber die Aktion nicht stoppen.
Wenige Monate später fand eine Landtagswahl statt. Wie schon immer kandidierte Blömer im Wahlkreis Lindenthal; gewöhnlich holte er dort 60 Prozent der Stimmen. Diesmal sollte es anders kommen.
Ein Kritiker der Baumfäll-Aktion am Kaiser-Wilhelm-Ring war vor der Wahl Nacht für Nacht mit dem Fahrrad unterwegs, um auf Blömers Plakaten die Augen mit schwarzen Streifen zu überkleben. In weißer Schrift stand darauf: "Dieser Kandidat gehört zu der Clique, die den Park am Kaiser-Wilhelm-Ring für eine Tiefgarage abholzen ließ." Ein Plakat-Klebe-Team war dann Tag für Tag damit beschäftigt, neu zu plakatieren. Am Wahltag erhielt Blömer die Quittung: Eine bislang unbekannte SPD-Frau holte das Direktmandat.
Übrigens: Bei der Vergabe des neuen Kiosk in der U-Bahn-Station wurde das türkische Paar, das die "Aktion Platania" unterstützt hatte, abgestraft. Der Kiosk ging an einen deutschen Bewerber.
Nachbemerkung
Die Protestbewegung in den 70er/80er Jahren, die sich vor allem in Besetzungsaktionen manifestierte, war relativ spontihaft. Alternative Projekte scheiterten oft, weil Möglichkeiten, sie längerfristig zu halten bzw. weiterzukämpfen, nicht wahrgenommen wurden. Eine kritische Bestandsaufnahme steht noch aus. (PK)
Angaben zum Buch:
Die Stadt, das Land, die Welt verändern!
Die 70er/80er Jahre in Köln - alternativ, links, radikal, autonom
ISBN: 978-3-462-03840-8
Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014
636 Seiten, Broschur
Preis
Deutschland 29,99 Euro
Schweiz 40,10 sFr
Österreich 30,90 Euro
Siehe auch die Buchrezension:
1,8 kg Geschichte einer Stadt mit Lücken
Anmerkungen zu einem Buch über die 70er/80er Jahre in Köln
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ Nr. 488 vom 10.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21084
Und siehe die Fotogalerie zu Walter Herrmanns Wirken heute:
Krieg dem Kriege
Walter Herrmann zeigt die Fratze der Unmenschlichkeit
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ Nr. 491 vom 31.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21161
Online-Flyer Nr. 491 vom 31.12.2014
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