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Gauck mit fast 300 Athleten nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans?
"Europa-Spiele" in der Diktatur
Von Ulrich Gellermann
Der Bundespräsident wird auf keinen Fall hinfahren. Die Bundeskanzlerin interveniert bei der Europäischen Union. Und der für Sport zuständige Innenminister weist den Deutschen Olympische Sportbund (DOSB) ultimativ an, keine Delegation zu den "Europa-Spielen" in Baku zu senden. April! April! - selbst am Ende des scherzhaften Monats. Denn natürlich sendet der DOSB zur Premiere der "Europa-Spiele" in Baku, zu den Wettkämpfen in Aserbaidschan, fast 300 Athleten, vom Steuerzahler mit einer halben Euro-Million subventioniert. Und ein protestierendes Wort von Gauck oder Merkel ist nicht zu lesen. Demokratische Gestik aller Art ist zurzeit nur für Russland reserviert.
Fliegt Gauck nun nach Aserbaidschan
oder nicht?
Wie sollte man auch eine Familien-Diktatur, die tapfer auf der Seite der westlichen Werte in Afghanistan, im Irak und im Kosovo gekämpft hat, auf irgendeine schwarze Liste setzen? Zudem fördert das Land im Kaukasus geradezu verdienstvolle Mengen an Öl und Gas. Das Öl wird - total demokratisch von einem Konsortium unter Führung der BP (früher British Petrol) - durch die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline auf den europäischen Markt geleitet. Das beschert zwar der Bevölkerung keinen Reichtum, denn nach Berechnungen der Weltbank leben 47 Prozent der Aseri unter der Armutsgrenze. Aber rund um die Familie des Präsidenten Ilham Aliyev bleibt so viel Ölgeld hängen, dass ihn das "Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) schon 2012 zum korruptesten Mann des Jahres ernannt hat. Das versteht der Mann nicht, er verteilt doch den Reichtum gerecht. So besaß im Jahre 2009 sein zu dieser Zeit elfjähriger Sohn neun Strandhäuser in Dubai mit einem Gesamtwert von 44 Millionen Dollar.
Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen
Seit August lebt der Bürger-rechtler Rasul Jafarov in Aserbaidschan hinter Gittern. Er vermehrt die Zahl der politischen Gefangenen, die in den Gefängnissen sitzen, weil sie eine eigene Meinung haben. Auf einen Besuch des Bundestags-abgeordneten Christoph Strässer, der 2009 vom Europa- rat zum Sonderberichterstatter für politische Gefangene in Aserbaidschan ernannt wurde, warten sie noch heute. Schließlich hatte die Bundeskanzlerin dem Chef der Erb-Diktatur erst jüngst versichert, Deutschland habe Interesse an einem weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Aserbaidschan sei ein "Partner von wachsender Bedeutung". Ein paar Floskeln zu den Menschenrechten sollten auf keinen Fall das Projekt des "Südlichen Gaskorridors" stören, dessen Pipelines Erdgas vom Kaspischen Meer bis nach Italien bringen werden, um eine Alternative zum Gas aus Russland zu schaffen.
Online-Flyer Nr. 508 vom 29.04.2015
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Gauck mit fast 300 Athleten nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans?
"Europa-Spiele" in der Diktatur
Von Ulrich Gellermann
Der Bundespräsident wird auf keinen Fall hinfahren. Die Bundeskanzlerin interveniert bei der Europäischen Union. Und der für Sport zuständige Innenminister weist den Deutschen Olympische Sportbund (DOSB) ultimativ an, keine Delegation zu den "Europa-Spielen" in Baku zu senden. April! April! - selbst am Ende des scherzhaften Monats. Denn natürlich sendet der DOSB zur Premiere der "Europa-Spiele" in Baku, zu den Wettkämpfen in Aserbaidschan, fast 300 Athleten, vom Steuerzahler mit einer halben Euro-Million subventioniert. Und ein protestierendes Wort von Gauck oder Merkel ist nicht zu lesen. Demokratische Gestik aller Art ist zurzeit nur für Russland reserviert.
Fliegt Gauck nun nach Aserbaidschan
oder nicht?
NRhZ-Archiv
Deutsche Sportverbände zeichnen sich durch beharrliche Blindheit bei der Wahl jener Länder aus, in denen sich Sport auf Mord reimt. Ist doch der Deutsche Fußball-Bund der FIFA bisher treu gefolgt, als die Fédération mit Katar als Austragungsort der Fußball-WM 2022 eine islamische Diktatur auswählte. Aber nicht nur die staatsnahen Sportfunktionäre können der dicken Splitter im Auge wegen keine Balken bei anderen sehen. Auch das staatseigene Fernsehen hat Probleme eine Diktatur zu erkennen: Hat doch die ARD 2012 im selben Baku die Austragung des "Eurovision Song Contest" unterstützt, und bei der Übertragung der fröhlichen Singerei jeden Blick in aserbaidschanische Gefängnisse vermieden.
Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen
NRhZ-Archiv
Auch der speziellen Merkelschen Staatsräson trägt die angebliche Republik Aserbaidschan Rechnung: Israel verhandelt seit längerem über die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts Sitalca. Der liegt in der Nähe der Hauptstadt Baku und ist nur ein paar hundert Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Eine ideale Basis für die israelische Luftwaffe und ihre F-16-Kampfjets. Um die Verhandlungen zu beschleunigen, unterzeichneten Aserbaidschan und Israel vor zwei Jahren ein Militärabkommen in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar. Darin sagte die Regierung des Benjamin Netanjahu die Lieferung von Drohnen sowie Luft- und Raketenabwehrtechnik zu. Dass damit ein Waffenembargo der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umgangen wird, das wegen des aserbaidschanischen Konfliktes mit Armenien um die Region Berg-Karabach verhängt wurde, interessiert weder die Regierung Merkel noch den Deutschen Olympischen Sportbund.
Und während die "Europa-Spiele" noch fröhlich mit dem reinen Sport wedeln, sind die lupenreinen USA schon einen Schritt weiter: Am 9. April fand im Senat des US-Staates Washington eine Plenarsitzung statt. In dieser Sitzung wurde eine pro-aserbaidschanische Resolution verabschiedet. In den obligatorischen Begleitreden musste Aserbaidschan unbedingt als sich dynamisch entwickelndes Musterland bezeichnet werden, das sich "nach den Traditionen der Toleranz richtet, demokratische Reformen einführt und ein wichtiger Partner der USA ist". Im Dokument heißt es auch, dass Aserbaidschan einen wesentlichen Beitrag zur Energiesicherheit der USA und ihrer europäischen Verbündeten leistet und als ein wichtiger Bestandteil des Südlichen Gaskorridors gilt, der die Energieversorgung Europas diversifiziert. - Dass der Gaskorridor eine abgespeckte Variante des Nabucco-Projekts ist, lobbyisiert von ehemaligen Außenministern der USA und Deutschlands, dass der deutsche Ex-Außenminister Fischer heißt und GRÜN ist, so GRÜN wie der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes Michael Vesper, das ist einer der wundersamen Zufälle, die das politische Leben für den gemeinen Bürger bereithält, damit ihm nicht langweilig wird. (PK)
Diese Glosse haben wir mit Dank von Ulrich Gellermanns Blog Rationalgalerie übernommen:
Online-Flyer Nr. 508 vom 29.04.2015
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