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Lokales
Ein ungewöhnlicher 8. Mai in Mecklenburg-Vorpommern
Nelken, Fackeln und Swingblockaden
Von Ariane Dettloff
Angesagt war ein NPD-Aufmarsch in Demmin, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zwischen Berlin und Rostock, nicht weit vom Hof Ulenkrug der Kooperative Longo mai. Deren Mitglieder engagierten sich im Aktionsbündnis 8. Mai bei Gegenveranstaltungen, um dem Fackelzug der Nazis, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, entgegenzutreten. Während die Neofaschisten die Niederlage des "Dritten Reichs" betrauerten, feierte das Bündnis die Befreiung und das Ende des Weltkriegs mit einer Friedensdemonstration und Kulturveranstaltungen.
Online-Flyer Nr. 511 vom 20.05.2015
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Lokales
Ein ungewöhnlicher 8. Mai in Mecklenburg-Vorpommern
Nelken, Fackeln und Swingblockaden
Von Ariane Dettloff
Angesagt war ein NPD-Aufmarsch in Demmin, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zwischen Berlin und Rostock, nicht weit vom Hof Ulenkrug der Kooperative Longo mai. Deren Mitglieder engagierten sich im Aktionsbündnis 8. Mai bei Gegenveranstaltungen, um dem Fackelzug der Nazis, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, entgegenzutreten. Während die Neofaschisten die Niederlage des "Dritten Reichs" betrauerten, feierte das Bündnis die Befreiung und das Ende des Weltkriegs mit einer Friedensdemonstration und Kulturveranstaltungen.
Esther Bejerano (rechts sitzend) und andere Musiker in Demmin
Den 150 Fackelträgern stellten und setzen sich in diesem Jahr mehr als tausend Menschen entgegen - deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Dabei waren auch viele Menschen aus anderen Städten und Ländern, u.a. aus Rostock, Berlin, Frankreich und der Schweiz. Internationale BeobachterInnen begleiteten die Protestaktionen, darunter auch eine Konzert-Blockade der „Lebenslaute“ und der Straßentanz von „Swing gegen Rechts“.
800 Polizeikräfte waren im Einsatz, um die NPDler an ihr Ziel zu bringen. Am Peenehafen sollte wie alljährlich ein Kranz für die Opfer des Massen-Selbstmordes von 500 Demminer Frauen und Kindern 1945 anlässlich des Einzugs der Roten Armee versenkt werden. Aufgrund der Blockaden gelang ihnen dies erstmals nur mit dreistündiger Verspätung, Nebenstraßen und Schleichwege nutzend.
Der Anlass für den Demminer Nazi-Fackelzug, der massenhafte Selbstmord 1945 aus Angst vor Vergeltung, aber auch nach erlittener Vergewaltigung, wird von den Rechten heute als Opferkult instrumentalisiert. Der Grund für das tragische Geschehen, das Abbrennen der Altstadt eingeschlossen, lag allerdings nicht zuletzt in der Greuelpropaganda der fanatischen Hitleranhänger und daran, dass sie nicht aufhörten aus dem Hinterhalt zu schießen, nachdem schon die Emissäre der Roten Armee zur Übergabe Demmins ermordet wurden.
Am 8. Mai letzten Jahres hatte die Polizei einen herausgegriffenen Gegendemonstranten aus Frankreich so „bearbeitet“, dass er im Krankenhaus ins künstliche Koma versetzt werden musste. Dazu wird demnächst ein Gerichtsprozess stattfinden. Die Brutalität der Polizei, die sich auch in rabiatem Räumen von blockierenden Menschen zeigte, schlug Wellen bis in den Landtag hinein.
Dieses Jahr nun setzte die Polizeiführung auf Deeskalation. Blockadegruppen wurden meist gar nicht geräumt, allerdings zeitweise eingekesselt, damit sie die Ersatzroute nicht stören konnten. Ob dies rechtens war, wird zu klären sein.
Zuvor fand die Friedensdemons-tration des Aktionsbündnisses statt. Es gab Redebeiträge örtlicher PolitikerInnen und des aus Kamerun geflüchteten Geraud Potago, der von seiner fünfjährigen Flucht berichtete. Kapital und Rohstoffe genössen Bewegungs-freiheit, die Menschen aus dem Süden dagegen nicht. Man brauche den Zusammenschluss der Widerstandsbewegungen in Afrika und Europa.
Zuvor fand die Friedensdemons-tration des Aktionsbündnisses statt. Es gab Redebeiträge örtlicher PolitikerInnen und des aus Kamerun geflüchteten Geraud Potago, der von seiner fünfjährigen Flucht berichtete. Kapital und Rohstoffe genössen Bewegungs-freiheit, die Menschen aus dem Süden dagegen nicht. Man brauche den Zusammenschluss der Widerstandsbewegungen in Afrika und Europa.
Highlights des kulturellen Programms waren der Auftritt der 92jährigen Esther Bejerano - Überlebende des KZ Auschwitz - mit den Rappern der "Microphone Mafia" aus Köln und das Offene Singen von "ZivilChorage" auf dem Marktplatz. Ein Wermutstropfen in der dreitägigen Veranstaltung war die geringe Beteiligung der alteingesessenen Einheimischen an der „1. Demminer Konferenz gegen Krieg und Faschismus". Insgesamt folgten aber 60 Interessierte den spannenden Vorträgen zu Frontex, zur Verquickung von Neofaschismus und Staat, zur Rückkehr einer Ost-West-Konfrontation und zur Psychologie von Kriegsmobilisierung. Professor Klaus Jürgen Bruder warnte insbesondere vor einer verbreiteten "Erkenntnisfurcht" hier und heute. So nannte er die Abwehr unangenehmer Fakten von Militarisierung und Kriegsvorbereitung. Im Abendprogramm begeisterten Stefan Körbel und Michael Letz mit Liedern und Texten aus der Revolution 1848.
Bilanz: Eine erfolgreiche Intervention für Frieden und gelebte Toleranz, gegen Naziumtriebe. Die MitorganisatorInnen von Longo mai haben viel dafür investiert. Ein Teil der erwarteten Fördergelder ist aber ausgeblieben. (PK)
Bildergalerie zum 8. Mai in Demmin
http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/080515demmin.html
Bildergalerie zum 8. Mai in Demmin
http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/080515demmin.html
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