Arbeit und Soziales
IG Metall und ver.di zufrieden mit der aktuellen Kölner Aktion zu Werkverträgen
"Damit der Politik ein Licht aufgeht!"
Von Kerstin Klein, Dominik Haas und Stephan Otten
Trotz strömendem Regen und der frühen Uhrzeit versammelten sich heute (am 9.11.) am Morgen um halb sechs, wie angekündigt über 100 Kolleginnen und Kollegen auf der Hohenzollernbrücke in Köln. Die Kolleginnen und Kollegen, entzündeten bei der Aktion Wachsfackeln und spannten ein Großtransparent an das Brückengeländer. Auch verdi-KollegInnen von DuMont Schauberg (KStA und EXPRESS) waren beteiligt
"Das zeigt deutlich, wie sehr das Thema in den Betrieben brennt“, so Kerstin Klein von der IG Metall in Köln. "Wir erwarten nun, dass die Politiker genau hinsehen und gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch von Werkverträgen schaffen“, sagte ihr Kollege Dominik Haas von der IG Metall.
"Im WDR wird die Leiharbeit sukzessive abgebaut, neue Regelarbeitsverhältnisse entstehen jedoch nicht. Stattdessen werden zunehmend Werk- und Dienstleistungsverträge mit externen Unternehmen geschlossen. Dadurch werden die Tarifverträge unterlaufen und Mitbestimmungsrechte ausgehebelt.“, so Stephan Otten, ver.di Gewerkschaftssekretär. "Deshalb war es gut und wichtig, heute ein gemeinsames Zeichen zu setzen und auch zukünftig gemeinsam für unsere Forderungen einzutreten“, so Otten weiter. "Allein schärfere Kontrollen durch Aufsichtsbehörden werden nichts bringen, wir brauchen diese Kontroll- und Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Betrieben, bei unseren Betriebsräten. Die Beschäftigten müssen die Möglichkeit haben, Einfluss auf Auslagerungsentscheidungen zu nehmen, bevor sie umgesetzt werden. Nur so können zukünftig Scheinwerkverträge und die damit einhergehende Verschlechterung von Arbeitsbedingungen vermieden werden."
Unterstützt wurde die heutige Aktion auch von der Partei DIE LINKE, die das Thema ja ursprünglich in die Bundestagsdebatte eingebracht hat.
"Wir wissen dass es diese Haltung in den meisten Bundestagsfraktionen gibt, wir erwarten nun auch von Seiten der CDU/CSU, dass sie sich für die Beschäftigten einsetzt. Es wäre fatal für die Betroffenen in prekären Arbeitsverhältnissen, wenn hier auf die Behauptungen der Arbeitgeberverbände gehört würde!“ forderte Kerstin Klein.
Die Kampagne gegen den Missbrauch von Werkverträgen wird nun in den Betrieben weiterlaufen. Hierzu wurde bereits umfangreiches Aktionsmaterial erstellt und kann auf den Internetseiten eingesehen werden, z.B. unter: www.focus-werkvertrag.de.
Unser Dank gilt heute den Kolleginnen und Kollegen der Firmen Kone, Otis, Voith Industrial Services, Thyssen Krupp Aufzüge, RS Aufzüge, Kiel Montagebau, Weber Rohrleitungsbau, SAG GmbH, Actemium Cegelec Services, nkt cables, Bosch Sicherheitssysteme, Babcock Industries & Power, DuMont Schauberg, Rhein Energie, Kliniken der Stadt Köln, Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, Netcologne und WDR, die heute dabei waren.
Werkverträge sind unverzichtbar
Werkverträge sind ein elementarer Bestandteil des Wirtschaftslebens. Seit mehr als 100 Jahren erbringen beispielsweise Handwerker und Dienstleister aus den verschiedensten Branchen in dieser Form ihre Leistung.
Das gilt im Privatleben (bei Autoreparaturen, Anstreicharbeiten etc.) genauso wie im betrieblichen Alltag. In der M+E-Industrie werden per Werkvertrag beispielsweise Serviceleistungen (etwa Kantine) und Know-how eingekauft (zum Beispiel IT-Fachwissen). Ebenso werden weitere Aufgaben (beispielsweise Qualitätssicherung, Logistik) an Spezialisten vergeben. Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze werden so gesichert.
Die Beauftragung von spezialisierten Unternehmen führt dazu, dass ausgelagerte Leistungen besser und kostengünstiger erbracht werden können, während die Unternehmen die eigenen Aktivitäten auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Produzierende Unternehmen können auf diese Weise ihre Güter und Leistungen in einer höheren Qualität und zu besseren Preisen anbieten. Das macht sie wettbewerbsfähig und sichert so Arbeitsplätze.
Hintergrund: Unternehmen in der Metall- und Elektro-Industrie müssen sich jeden Tag im Wettbewerb behaupten. Deshalb kommt es für sie darauf an, Produkte, Produktionsprozesse und Personaleinsatz laufend weiter zu verbessern. Standardisierte Massenprodukte mit weniger aufwändigen Fertigungsprozessen sowie Aufgaben, die besonderes Know-how erfordern, vergeben sie an spezialisierte und damit effizientere Zulieferer. Nahezu täglich muss geprüft werden, welche Aufgaben besser im eigenen Unternehmen erledigt und welche besser von externen Anbietern zugekauft werden („make or buy“).
Es reicht eben nicht, dass die Produkte der M+E-Industrie besser sind als die ihrer Konkurrenten, sie müssen auch zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden können. Nur so können die Unternehmen überleben. Falsche politische Weichenstellungen haben hier direkte Auswirkungen auf die Fertigungsprozesse und können dem Industriestandort Deutschland erheblich schaden.
Werkvertragsbeschäftigte sind keine Mitarbeiter zweiter Klasse
Werkverträge sind auch kein Instrument zum Lohndumping oder ein Hebel für "prekäre Beschäftigung“: Auch die Unternehmen der M+E-Industrie sind nicht nur Auftraggeber, sondern auch in erheblichem Umfang Anbieter von Werkvertragsleistungen.
Allein in unserer Industrie arbeiten bis zu einer Million Mitarbeiter in Unternehmen, die mit der Wartung, Montage, Herstellung und Lieferung von Vor- und Zwischenprodukten befasst sind, regelmäßig in Form von Werkverträgen. Beschäftigte in Werkvertragsunternehmen sind keine Arbeitnehmer zweiter Klasse. Es gibt keinen rechtsfreien Raum. Sie sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, haben dieselben Rechte und genießen den gleichen Schutz wie andere Arbeitnehmer. Sie können Betriebsräte wählen, Gewerkschaften beitreten und Tarifverträge abschließen.
Anders als die öffentliche Diskussion vermuten lässt, gibt es keine schlechten und guten Werkverträge, sondern nur legale Werkverträge und illegale Scheinwerkverträge. Rechtsmissbrauch ist bereits heute verboten. Die M+E-Arbeitgeber wenden sich entschieden gegen Scheinwerkverträge. Das Ausgliedern bestimmter Tätigkeiten auf fremde Dienstleister ist hingegen kein Missbrauch, sondern gehört als existenzielles Element zu einer arbeitsteiligen und spezialisierten Gesellschaft. Legale Werkverträge dürfen nicht durch einzelne schwarze Schafe in Misskredit gebracht werden. (PK)
Online-Flyer Nr. 536 vom 11.11.2015
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