NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

zurück  
Druckversion

Kultur und Wissen
Gedanken zur Leitkultur
Was würde Jesus heute in Deutschland sagen?
Von Yavuz Özoguz

Nur zur Erinnerung: Jesus war kein Deutscher! Aber da die deutsche Leitkultur angeblich von ihm geprägt sein soll, darf man ruhig die Frage stellen, was er zum heutigen Nordeuropa sagen würde? Was würde Jesus dazu sagen, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden? Was würde er dazu sagen, dass wir glauben, dass Geld die Welt regiert, und dass das mehr oder minder unabänderlich sei? Was würde er dazu sagen, dass in der westlichen Führungsmacht USA nur jemand Präsident werden kann, der entweder selbst Multimilliardär ist oder an deren Gängelbändern hängt? Würde er das schweigsam hinnehmen?

Und was würde er dazu sagen, dass nicht nur Geld die Welt regiert, sondern vor allem Falschgeld! Die Summe sämtlicher „gedruckten“ Falschgelder in der Welt erreicht pro Jahr nicht einmal eine einzige Milliarde, und die Fälscher werden oft erwischt und müssen mit drastischen Strafen rechnen. Aber gleichzeitig drucken die USA Summen in Höhe von Tausenden Milliarden (Billionen) an Geldern, ohne dass es dafür irgendeinen Gegenwert gibt, und beuten damit die ganze Welt aus, verwüsten die Erde und zerstören Kulturen und Zivilisationen. Würde Jesus dazu tatenlos schweigen? Würde er nicht den Kapitalismus an der Wurzel bekämpfen, der für so viel Leid auf der Erde die Hauptschuld trägt?


Aus der Arbeiterfotografie-Ausstellung "Rettet den Reichtum – Die Politik des globalen Kapitals und der Widerstand dagegen", 2005

Was würde Jesus zu unserm Konsumwahn sagen, der auf dem kapitalistischen Wachstumsirrsinn beruht? Was würde er sagen, wenn allein eine Stadt wie Wien jeden Tag so viel noch verzehrbares Brot vernichtet, dass allein Graz davon leben könnte! Gleichzeitig sterben jeden Tag 30.000 Menschen an Hunger in der Welt. Würde er das nicht als Mord bezeichnen, als Mord, dessen Schuldige wir Kapitalisten und Verschwender sind? Und was würde er dazu sagen, dass wir mit unseren extrem billigen und subventionierten Gemüseexporten nach Afrika den Bauern dort jegliche Existenzgrundlage nehmen und dadurch Armut und Hunger in der Welt noch weiter steigern? Was würde er dazu sagen, dass mit brasilianischer Soja unsere Masthühner voll gestopft werden, während in Brasilien Menschen verhungern?

Und was würde Jesus dazu sagen, dass wir schweigen, wenn die USA ihr Uran in Form von schlimmsten Geschossen im Irak entsorgen? Was würde Jesus zu uns Deutschen sagen, wenn wir uns gemeinschaftlich dazu entschlossen haben, keine Atomkraft mehr zu nutzen wegen den Risiken, aber in völliger apathischer Schweigsamkeit hinnehmen, dass die USA weiterhin ihre Atomwaffen bei uns lagert und von unserem Boden aus abschießen wollen?

Würde er sich vor der Freiheitsstatue verneigen?

Was würde er dazu sagen, dass wir Westler die mit Abstand größten Waffenexporteure der Welt sind und an so vielen Kriegen beteiligt mit Hunderttausenden Kollateralschäden, wie wir die von uns ermordeten unschuldigen Zivilisten nennen? Und was würde er dazu sagen, dass wir zusammen mit den Saudis in Syrien Demokratie herbeibomben wollen? Würde er zur neuen Religion von Demokratie und Freiheit auf Basis von Kapitalismus zustimmen, wenn jene Religion alles verdinglicht und Dinge vergöttert? Würde er sich vor der Freiheitsstatue verneigen, oder würde er sagen: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler“ (Matthäus 23.29).

Ja, die Welt ist in den Pranken des Kapitalismus derart festgefahren, dass selbst der Idealismus der Jugend durch die Dauerberieselung in virtuellen Netzen der Gefangenen zerstört wird. Was würde Jesus dazu sagen, dass die Friedenbewegung in Deutschland inzwischen faktisch tot ist und jedes Rockkonzert und jedes Fußballspiel der zweiten Liga mehr Leute auf die Beine bekommt, als der Einsatz für Frieden? Würde Jesus nicht fragen, was er denn mit der Leitkultur in Deutschland überhaupt noch zu tun hat?

Und würde Jesus dazu schweigen, dass Pornographie als Freiheit gilt und jeder, der sich gegen Abtreibung wendet, als rückschrittlicher Mensch? Würde er die öffentliche Entwürdigung der Frau, die inzwischen mit wenigen Mausklicks auch für kleine Kinder zugänglich ist, dulden? Würde er dulden, dass die Körper der Menschen und ihre Triebe genau so in den Wachstumswahn des Kapitalismus gestellt werden, wie die Pharmaindustrie, das gesamte Gesundheitswesen, die Strom- und Gasversorgung und sogar das Trinkwasser? Würde er schweigen dazu, dass selbst am Trinkwasser einige wenige Könige des Kapitalismus ihre Hälse nicht voll genug bekommen, während die Schriftgelehrten und Pharisäer ihr Wissen dazu missbrauchen, jenen Königen zu dienen?

Oder würde Jesus aufräumen, wie er es einst im Tempel tat? Eine der wenigen Geschichten Jesu, die in allen vier Evangelien berichtet wird, ist seine gewaltsame Tempelreinigung. Im Johannesevangelium steht dazu (ab 2:14): „Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: tragt das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zur Räuberhöhle!“

Würde er an der Wall Street und in Frankfurt an der Börse aufräumen?

Sind das nicht die heutigen Bänker, die unzähligen Goldenen Kälber, die sie anbeten und die Schafe, die ihnen blind folgen und es ihnen ermöglichen? Würde Jesus heute an der Wall Street und in Frankfurt an der Börse nicht ähnlich aufräumen? Ist nicht die ganze Erde Tempel Gottes und strahlt nicht in jedem Herzen das Licht Gottes, so dass jemand, der schweigsam hinnimmt, wie so viele Herzen bluten, zum Mitmörder wird?

„So brachte er ihnen ein Kalb hervor als Leiche, das blökte. Sie sagten: Das ist euer Gott..“ (Heiliger Qur’an 20:88) Der Kapitalismus möchte, dass wir das Geld anbeten. Die Führungsmacht der Westlichen Welt macht es vor. Als weltweite Höchststrafe gilt der Ausschluss aus dem weltweiten Finanzsystem. Jene Strafe hat bisher nur die Islamische Republik Iran ereilt, weil dort Jesus und Maria wirklich noch geehrt werden.

Aber wie ist es mit uns in Deutschland. Was hat unsere Leitkultur noch mit Jesus zu tun? Ist es nicht die heuchlerische Fassade eines Raubtierkapitalismus, der selbst den Geburtstag Jesu gekapert hat? Und wenige Tage danach feuern wir hunderte Millionen Euro in die Luft, während allein mit diesem deutschen Geld in Afrika Millionen von Menschen einen ganzen Monat nicht verhungern und verdursten müssten.

Wenn Jesus heute zurückkommen würde, dann würde er die größten Verbrecher und Mörder unserer Zeit davon abhalten, weiterhin so viel Unheil zu verbreiten. Er stände an der Seite der verdurstenden Afrikaner, an der Seite der verhungernden Inder. Er würde an der Seite der Palästinenser stehen und Bethlehem befreien. Er würde von den nimmersatten Superreichen nehmen und den Armen geben.

Warum bleibt uns die Befreiungstheologie des Islam verborgen?

Ist das der Grund dafür, warum der Kapitalismus den Menschen jegliche Hoffnung auf die Rückkehr Jesu geraubt hat, so dass in Deutschland nur noch eine verschwindende Minderheit überhaupt daran glaubt und dafür betet? Und ist das der Grund für die weltweite Verbreitung von Angst und Hass gegenüber dem Islam? Ist das der Grund, warum die modernen Dollarzeichenritter im missbrauchten Namen des Islam Monster erschaffen haben, die so viel Schrecken und Leid verbreiten, damit die Westliche Welt sich ja nicht mit der Befreiungstheologie des wahren Islam beschäftigt? Ist das der Grund dafür, dass der epochale, inzwischen zweite Brief der Heiligkeit unsere Zeit Imam Chamene’is an die Westliche Welt total verschwiegen wurde, während jeder Rülpser ihres gezüchteten IS-Führers Bagdadi in alle Sprachen der Welt übersetzt wird?

Imam Chamene’i ist die Heiligkeit unserer Zeit, die Jesu Erbe lebt und Jesus so verehrt, wie es ihm gebührt. Er ist es, der die wahre Leitkultur des Christentums in Deutschland retten kann. Die Herumfasler über Leitkultur, der man sich zu integrieren habe, meinen hingegen nicht die Befreiungstheologie Jesu und aller gottesehrfürchtigen Menschen, sondern die totale Unterwerfung in den Raubtierkapitalismus. Da aber der Raubtierkapitalismus nur noch mit immer brutaleren Mitteln in der Welt aufrechterhalten werden kann und wir letztendlich inmitten eines Weltkrieges stehen, wird es Zeit, dass jeder aufhört Schaf zu sein. Es wird Zeit unsere menschliche Leitkultur zu entdecken in und für Deutschland. Und da muss jeder bei sich anfangen; nicht nur zwischen Weichnachten und Neujahr, während man gute Vorsätze fürs neue Jahr fasst, sondern auch zwischen Neujahr und Weihnachten. Nur so können wir unsere geliebte Heimat Deutschland befreien, indem wir unsere eigenen Herzen befreien.


Erstveröffentlichung bei muslim-markt-forum.de


Yavuz Özoguz (* 1959 in Istanbul) ist ein türkischstämmiger Verfahrensingenieur und Autor, der seit Anfang der sechziger Jahre in Deutschland lebt. Er ist Vorsitzender der Organisation Islamischer Weg e.V. in Delmenhorst. Zusammen mit seinem Bruder Gürhan Özoguz gründete er die website Muslim-Markt, muslim-markt.de. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet ihn und die website - laut wikipedia - mit dem Hinweis auf "Sympathien zum theokratischen Regierungssystem des Iran und antizionistische sowie antiisraelische Agitation". Am 19. Januar 2004 wurde Yavuz Özoguz vom Amtsgericht Delmenhorst im Zusammenhang mit Veröffentlichungen auf seiner Website wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Verfahren wurde in der Berufung am Landgericht Oldenburg eingestellt.


Top-Bild:
Protest anläßlich des Soldatengottesdienstes 2016 in Köln
Otto Pankoks Christus, der das Gewehr zerbricht
(Foto: arbeiterfotografie.com)


Online-Flyer Nr. 548  vom 10.02.2016

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE