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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
US-Instrumente CETA und TTIP
Marche funébre der SPD
Von Izzeddin Musa

Ich bin zu der internen SPD-Veranstaltung „Chancen und Risiken von Freihandelsabkommen“ am 01. Juli 2016 in Siegburg eingeladen worden. Ich habe mich gefreut, bei dieser Veranstaltung alles los zu werden, was ich gegen CETA und TTIP, die (Un-)Freihandelsabkommen auf dem Herzen habe. Worum es gegangen ist und was dann geschah, erfährt der Leser aus meinem beigefügten Schreiben an den MdB vom 17. Juli. Eine Antwort bzw. Stellungnahme habe ich bis heute nicht erhalten. Wenigstens von Dirk Wiese hätte ich das nicht erwartet. Ich habe mich doch getäuscht! Nun ist die Schonfrist abgelaufen und ich mache alles öffentlich.

Bei den Wahlen 2017 steuert diese SPD im Bund, angeführt von Sigmar Gabriel, unumwunden auf die 20 Prozent zu. In Ländern, wie z.B. Baden-Württemberg ist sie bei ca. 12 Prozent gelandet. Gabriel wird die magische Grenze nach unten schon schaffen. Er ist auch der Einzige, den man weit und breit erspäht, der sich als SPD-Kanzlerkandidat, da es gegenwärtig in der SPD großer Mangel an Persönlichkeiten herrscht, anbietet. Er könnte es sogar schaffen, Kanzler zu werden, wegen der Merkelschen „Wir schaffen das“-Politik, von der die Menschen die Nase gestrichen voll haben und deshalb die geführte „Alternativlos"-Kanzlerin nicht mehr ertragen können. Na, dann man zu Gabriel.

Hier mein Schreiben an den Genossen zur parteiinternen Veranstaltung "Chancen und Risiken von Freihandelsabkommen":
    Lieber Genosse Dirk, es war mir leider nicht vergönnt, Dich kennen zu lernen und mit Dir am Freitag, 01.Juli 2016, zu diskutieren. Ich war schon unterwegs nach Siegburg, als ein Not-Anruf mich wieder Richtung Heimweg zurückholte. Nun komme ich erst jetzt dazu, Dir einige Zeilen zu schreiben, was ich eigentlich vor versammelter Mannschaft gern gesagt hätte.

    Dir ist George Friedman, Leiter von STRATFOR (Strategic Forecasting Inc), eine der einflussreichsten Denkfabriken für US-Geopolitik, von der CIA und Pentagon finanziert, sicherlich ein Begriff. Er sagt: „Also, das primäre Interesse der Vereinigten Staaten durch das letzte Jahrhundert hindurch – also im Ersten, Zweiten und im Kalten Krieg – sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gewesen, denn vereinigt wären diese beiden die einzige Macht, die uns bedrohen könnte – und daher sicherzustellen, dass das nicht passiert.“ Das bedeutet: Primäres Ziel der US-Geopolitik sei es schon seit 100 Jahren, so George Friedman, eine Allianz zwischen Deutschland und Russland um jeden Preis zu verhindern.

    Genauer betrachtet, CETA und TTIP sind US-Instrumente, abgesehen von vielen anderen Nachteilen, die als Angriff auf unsere Souveränität, Rechtsfreiheit und Demokratie zu verstehen sind. Damit wollen die USA uns ewig in ihrem Fahrwasser halten, um eine Allianz mit Russland zu verhindern. Diese Handelsabkommen sind ein Angriff auf das europäische Vorsorgeprinzip. Wenn Partnerschaft Gefolgschaft heißen soll, müssen wir lieber Gegner sein. Ich meine, Deutschlands natürlicher Verbündeter ist Russland – nicht Washington.

    Sollte die SPD bei ihrem gegenwärtigen Verhalten bleiben, glaube ich, dass sie die 20-Prozent-Marke bald knacken wird. Ich sage Dir auch warum:

    Der SPD-Vorstand hat ein Diskussionsforum zu TTIP im Internet gestartet. Es haben sich unendlich viele zu Wort gemeldet. Ich habe auch einige Male meine Bedenken gegen TTIP und CETA geäußert. Alles wurde veröffentlicht. Ich habe keine einzige Stimme gesehen, die sich für diese Abkommen eingesetzt hat. Absolut alles dagegen. Aber dann verschwand das Ganze still und heimlich aus dem Internet. Es kam keine Reaktion und kein Kommentar vom Vorstand! Hat das Ergebnis der SPD-Führung nicht gepasst?

    Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland und europaweit haben gegen TTIP und CETA unterschrieben. Hat die SPD eine Notiz davon genommen? 250.000 Menschen haben in Berlin gegen diese Abkommen demonstriert. Warum hat sich die SPD in Schweigen gehüllt und sich nicht deutlich positioniert? Ist es dann verwunderlich, wenn die SPD sich nicht aus dem Umfragetief erholen kann?

    Unser Wirtschaftsminister hat einigen MdBs erlaubt, einen Blick in die Verträge zu werfen, ohne Handy, ohne Notizen zu machen. Ist das die Transparenz, von der die Partei faselt? Nach all dem Protest aus der Bevölkerung hat Gabriel uns die Beruhigungspille in Sachen CETA und TTIP verschrieben, die lautet: "Ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat kann es deshalb kein Ja aus Deutschland geben"!

    Wenn aber im Oktober der EU-Ministerrat CETA mit Kanada beschließen soll, steht heute schon fest: Der Vertrag soll "vorläufig" angewendet werden. Im Klartext heißt das: Bevor die Parlamente der Mitgliedstaaten abstimmen dürfen, tritt der Vertrag vorläufig in Kraft. Und bis CETA tatsächlich von allen Parlamenten beschlossen ist, kann das noch viele Jahre dauern. Also, dafür gibt es rechtlich nicht einmal eine zeitliche Beschränkung!!! Selbst ein Zeitraum von zehn Jahren, oder mehr, ist durchaus drin!

    Die Wahrheit ist: Die "vorläufige Anwendung" ist praktisch eine "endgültige Anwendung"! Ich frage dich: Ist das die Demokratie, die wir Sozialdemokraten wollen? Ich meine: Die „geführte“ Angela Merkel und, inzwischen auch der „geführte?“ SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel haben alle Freiheit und jede Möglichkeit "nein" zur vorläufigen Anwendung zu sagen. Aber genau das machen sie nicht. Im Gegenteil: Sie sagen heute schon "Ja". Die deutsche Regierung hat sich festgelegt. Sie ist für die vorläufige Anwendung! Die SPD-Führung darf sich also doch nicht wundern, wenn sie bald unter 20 Prozent landet.
     
    Diese Zustimmung zum US-Vorhaben konterkariert das kluge Vorgehen unseres Außenministers, der die Absichten der USA durchschaut hat und sich entsprechend äußert und handelt. Er forderte beim Vortreffen der NATO am 14. Juni 2016, den NATO-Russland-Rat wieder zu beleben. Er legt trotz allem auf den Dialog mit Russland viel Wert und auf gute vertrauensvolle deutsch-russische Beziehungen. Deshalb organisierte er ein Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel vor dem aggressiven NATO-Gipfel in Warschau, trotz der Störungen Polens und der baltischen Staaten, die gezielt auf Konfrontation mit Moskau gehen. Die Polen haben den Kniefall Willy Brandts wohl vergessen!!! Das Vorgehen ist unserem Außenminister hoch anzurechnen.

    In Europa und insbesondere wir Deutschen haben ein großes Interesse an Entspannung und nicht an Eskalation mit Russland. Russland wird sich niemals der willkürlichen Dominanz der USA/EU unterwerfen. Das müssen wir als Russlands Nachbarn uns stets vor Augen halten.

    Erfreulich ist zu beobachten, wie die deutsche Regierung anfängt, sich allmählich zu emanzipieren und sich von der destruktiven US-Außenpolitik klipp und klar loszusagen versucht. Ich verweise auf den Beitrag von Altbundeskanzler Gerhard Schröder in der SZ vom 18. Juni 2016:

    „Die Vorstellung, dass irgendjemand in der russischen Führung die Absicht haben könnte, in NATO-Staaten zu intervenieren, hat mit der Realität nichts zu tun. Den Partnern in Osteuropa kann man die Angst nur durch ein vertrauensvolles Verhältnis zu Russland nehmen. Stattdessen hatten die Amerikaner vor, Georgien und die Ukraine in die NATO zu führen, und das sind unmittelbare Nachbarn Russlands.“
     
    Zitat Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin: „Ich sage, die USA ist Kapitalismus im Endstadium, daher darf es nicht wundern, dass sie mit allen Mitteln versuchen, Europa als „Bluttransfusion“ zu gewinnen, was ihren Leib nochein/zwei Jahrzehnte mitunter über Wasser hält, was anderes ist das nicht.“

    Es gibt in der Tat eine reale Bedrohung, die aber nicht von Russland ausgeht, sondern von der aggressiven NATO und US-Politik, die einen Keil zwischen Europa, besonders Russland und Deutschland, treiben will. Merkel ist in vorauseilendem Gehorsam zu einer Säbelrasslerin geworden, die erschreckend durch ihre alternativlose Machtfülle zu einer gefährlichen Politik bereit ist, die für Deutschland keine gute Zukunft erwarten lässt. Ich erinnere hier an das Jahr 2003, wenn Angela Merkel damals das Sagen hätte, hätten viele deutsche Soldaten ihr Leben in einem sinnlosen und völkerrechtwidrigen Krieg im Irak opfern müssen. Das sollte die SPD, als Merkels Koalitionspartner, stets vor Augen haben, damit die Kanzlerin uns nicht in den Abgrund reißen kann.

    Zum Schluss hoffe ich, dass die SPD laut und deutlich „Nein“ sagt zu diesen Handelsabkommen, die in keinster Weise in unserem Interesse liegen. In den USA gibt es großen Widerstand gegen TPP, und die Amerikaner sind auch gegen NAFTA, weil sich dieses Abkommen nur zum Nachteil der arbeitenden Menschen ausgewirkt hat. TIPP und CETA haben nichts mit Freihandel, sondern nur mit Hegemonie und US-Dominanz zu tun.

    Eine Erinnerung noch: Für den September sind Groß-Demonstrationen in sieben Großstädten gegen CETA/TTIP geplant. Das Gedächtnis der Massen wird nicht kurzlebig sein, bis zum Wahltag in 2017!!!

    Deiner Meinung sehe ich sehr gern entgegen und verbleibe mit freundlichen Grüßen und Glückauf
    Izzeddin
Genau eine Woche später, nach der obigen Veranstaltung, am 7. Juli 2016, bekam ich aus Düsseldorf von André Stinka MdL, Generalsekretär der NRW/SPD und Leiter der Programmkommission, eine Anfrage, ob ich mich an der Entwicklung des Wahlprogramms zur NRW-Landtagswahl beteiligen möchte.

Ich habe ja gesagt, in der Annahme, etwas umsetzen zu können, woran ich glaube. Vier Tage später bekam ich eine Mail, in der ich gefragt wurde: Welche Themen sind Dir besonders wichtig?

Ich dachte, ich könnte meine Themen nach Gutdünken selbst frei wählen. Dem war es aber nicht so. Ich bekam eine Themenliste vorgesetzt, von der ich Themen, die mich interessieren könnten, ankreuzen sollte. Es waren Themen, die durchaus für das Land wichtig erschienen. Jedoch mit keiner Silbe wurden die Handelsabkommen mit Kanada und den USA erwähnt. Obwohl diese durch den Bundesrat gehen sollten, dem das Land NRW auch angehört, zur Abstimmung. Daraufhin schrieb ich an den MdL, was ich davon halte.

Hier meine Stellungnahme - vom 13.07.2016:
    Lieber André,
     
    sicherlich sind die aufgelisteten Themen sehr wichtig und einige davon sind gar von großer Interesse für mich. Jedoch brennen mir z. Zt. andere Themen auf der Zunge, die nicht auf der Liste aufgeführt sind. Diese wären:
     
    1. Die Freihandelsabkommen CETA und TTIP, die als US-Instrumente, womit Amerika unsere Demokratie und Souveränität rauben wird und uns zu Willenlose macht.
    2. Unsere Beziehungen zu Russland und USA-NATO. Hier denke ich, dass Russland unser natürlicher Verbündeter ist und nicht Washington. Eben auch, dass das Bundeskanzleramt von der NATO-Führung (USA) entmündigt worden ist. Das darf nicht sein.

    Mag sein, Du würdest mir sagen, das sind Berliner Themen und ich antworte, die NRW-SPD muss auf die Berliner Politik Einfluss nehmen. Denn die gegenwärtige Situation ist sehr brenzlig, dass man solche wichtige Themen nicht Berlin alleine entscheiden lassen darf!!! Sonst vermute ich, dass die Berliner Führung die 20-Prozent-Marke bei den nächsten Wahlen bald knacken wird. Das kann nicht im Sinne der Sozialdemokratie sein. Wir in den Ländern, bis hin zu den Ortsvereinen, sollten nicht nur Mehrheitsbeschaffer für die Berliner sein.
     
    Aus diesen Gründen sehe ich von einer weiteren Beteiligung ab und wünsche Euch viel Erfolg.
     
    Mit freundlichen Grüßen und Glückauf
    Izzeddin
Auch hier bekam ich keine Antwort mehr, was soviel bedeutet wie: jeder hat eine durchgezogene Linie, worauf er zu gehen hat, wenn er überhaupt, irgendwann „etwas“ werden will. Dass nenne ich freie Meinungsäußerung der Volksvertreter und völlige Entscheidungsfreiheit, nur nach dem „Gewissen“! Und diese SPD will meine Stimme im Land und Bund haben? Nicht das ich lache.

Übrigens, auch hier ist die Schonfrist vorbei.

Online-Flyer Nr. 573  vom 03.08.2016

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