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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Palästina, verdammt in alle Ewigkeit?
Von Evelyn Hecht-Galinski

Was sich am vergangenen Sonntag beim so genannten "Kanzler-Duell" zwischen CDU-Kanzlerin und SPD-Herausforderer Schulz abspielte, macht mich fassungslos. Da hat sich doch tatsächlich der SPD- Herausforderer an Türken und an Palästinensern "abgearbeitet". Schulz werde, sollte er Kanzler werden (was hoffentlich nicht geschehen wird!) für ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eintreten. Weiß Schulz als ehemaliger EU-Parlamentspräsident denn nicht, dass diese so genannten Beitrittsverhandlungen eine Fata Morgana waren, ebenso wie die so genannten Friedensverhandlungen zwischen dem "Jüdischen Staat" und den Palästinensern? Was also hat Schulz dazu angetrieben, sich als Hardliner zu geben? Meint er wirklich, damit noch ganz rechte und ganz linke Stimmen dazu zu bekommen? Klar, dass dieser an Selbstüberschätzung leidende "trockene Alkoholiker" und ehemalige Buchhändler aus Würselen verzweifelt versuchte, sein Image aufzumöbeln, um doch noch ein paar Prozentpunkte mehr herauszuholen als in dem vorausgesagten katastrophalen Umfrageergebnis.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Ganz unerträglich und für mich unwählbar wurde dieser SPD-Kandidat allerdings mit seiner Aussage zu jungen palästinensischen Männern. Auf die Frage von Maybritt Illner (ZDF), die von Merkel wissen wollte, ob der "Islam zu Deutschland gehöre", verteidigte Merkel ihre Aussage zwar mit dem Zusatz "verfassungskonform", forderte aber, dass sich die islamischen Geistlichen stärker von "islamistischem Terror" abgrenzen sollten.

Diese Forderung hätte ich mir allerdings von der deutschen Kanzlerin auch einmal gegenüber den "jüdisch-zionistischen Besatzerfreunden" in Deutschland gewünscht, die sich ja immer wieder mit dem "judaistischen Staatsterror-Besatzer-Regime" solidarisieren. Da würde ich ihr die Frage stellen: wie lässt sich dieser Angriff auf die Menschenwürde mit unserem Grundgesetz und dem Absatz 1 der Verfassung vereinbaren? Darin steht nämlich:

Absatz 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Absatz 2: "Das deutsche Volk bekennt sich darin zu unverletzlichen unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt."

Dass sich deutsche Politiker dazu bekennen und danach handeln, daran habe ich schon lange meine Zweifel, besonders auch nach diesem äußerst fragwürdigen Fernseh-Duell, das zudem noch als "Zwangs-Programm" diverser TV-Sender verordnet wurde. Doch blieb uns ja noch der Abschaltknopf!

Meine Frage ist also, wie sich dieser deutsche oberste Verfassungsgrundsatz, mit dem voranschreitenden, schleichenden Versuch der Aushöhlung vieler Grundrechte vereinbaren lässt? Das gilt für fragwürdige Abschiebungen, Lauschangriffe, neuartige Gesichtserkennungs-Scanner, Einschränkungen von Demonstrationsrechten, Beschneidung der Versammlungsfreiheit, Aussperrungen und Abrieglungen bei Staatsbesuchen und Gipfeln, die allein dazu dienen, sich selbst zu feiern und das Volk wie ein Hund an der Leine mit dem Slogan "ihr müsst draußen bleiben" auszusperren.

Wie ist das mit den mehr als fragwürdigen Waffenlieferungen auch in Krisengebiete, sowie der immer stärker werdenden Zusammenarbeit mit Diktatoren und Terror-Regimen, also der "Israelisierung" Deutschlands?

Da komme ich allerdings auf meine Hauptfrage: Wie lässt sich der Verfassungsgrundsatz mit dem zusätzlichen Passus als Teil der "deutschen Staatsräson" für "Israels Sicherheit" vereinbaren, den beide Kandidaten verteidigten und unterstützen.

Was ich besonders kritisiere und als eine Unverschämtheit von Herausforderer Schulz empfand war, als er von einem "tiefen Antisemitismus" junger palästinensischer Männer sprach, denen es eben zu sagen gelte, dass dieser Schutz Israels Teil deutscher Staatsräson sei.

Ich halte das für eine völlig unnötige Entgleisung dieses Kandidaten, dem es besser angestanden hätte, sich hinter die bedrohten, besetzten und entrechteten, dem nunmehr jahrzehntelangen (!) jüdischen Staatsterror ausgesetzten Palästinenser zu stellen. Diese Verpflichtung gegenüber Palästina und den Palästinensern muss doch endlich einmal auf der Agenda eines ehemaligen SPD-Europapolitikers stehen. Stattdessen hat er eine Volksgruppe – unter Besatzung – beleidigt. Ich frage mich, ob Schulz wohl von Vertretern des Zentralrats der Juden oder der israelischen Botschaft "gecoacht" worden war?

Sowieso habe ich diesen damaligen EU-Parlamentspräsidenten Schulz noch in unguter Erinnerung, als ich am 25. Februar 2014 von einem Freund, SPD-Mitglied (noch!) und engagierten Kämpfer für die Freiheit Palästinas, zur Eröffnung der Nakba-Ausstellung ins Straßburger Parlament eingeladen wurde. Dort erfuhr ich, dass Schulz sich geweigert hatte, diese wichtige und sehenswerte Ausstellung über die Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 zu eröffnen, geschweige denn sie mit einem "2-minütigen" Besuch zu beehren.

Wer hat die Palästinenser verraten: die Sozialdemokraten

Soviel zur „Solidarität“ der Fraktion der Sozialisten und Sozialdemokraten im EU-Parlament für das besetzte Palästina. Wieder einmal scheint mir der alte, etwas abgewandelte Spruch an die Sozialdemokraten gerichtet, zu passen: "Wer hat die Palästinenser verraten: die Sozialdemokraten"!

Die Nakba-Ausstellung wurde übrigens durch die Liberale Alde Fraktion ermöglicht, obwohl deren liberales Mitglied, Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europaparlaments, ein "erklärter und bedingungsloser" Israel-Freund ist.

Schulz hat sich mit seiner in meinen Augen mehr als eines Kanzlerkandidaten unwürdigen Diffamierung gegenüber einer Gruppe von Menschen als Kanzler disqualifiziert!

Kanzlerin Merkel, zu deren Unterstützern ich gewiss nicht gehöre, hätte sich einen derartigen Flop, diese Unverschämtheit, allerdings nicht geleistet. Ungefragt auf Kosten der Schwächsten, der Palästinenser, vom "Jüdischen Staat" Unterdrückten, besetzten, ihrer Rechte und Eigenstaatlichkeit beraubt, Stimmen zu erheischen.

Schulz allerdings hat ungefragt und ohne Not eine Diffamierung begonnen, die ihn sicher weder für Palästinenser, für Palästina-Unterstützer, noch für viele türkische Wähler als wählbare Alternative attraktiv macht.

Was von den grünen, linken und liberalen Kollegen in puncto Palästina zu erwarten ist, sieht allerdings auch nicht verheißungsvoller aus und lässt mich mit Ratlosigkeit an der Wahlurne zurück.

Allerdings rieb ich mir verwundert die Augen, dass es kritiklos und von Medien unterstützt hingenommen wurde, dass sich das "Zentralorgan" des Zentralrats der Juden, die Jüdische Allgemeine, und die Jerusalem Post in den deutschen Wahlkampf einmischten und "radikale Palästinenser" auf Listen der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) kritisierten, und in deren Schlepptau natürlich auch wieder der philosemitische Grüne Volker Beck.

Volker Beck fragte sogar, warum die PFLP nicht verboten sei. Die Kandidaten gehören zur Volksfront für die Befreiung Palästinas, die zwar auf der Terrorliste der EU steht, (auf Betreiben Israels?) aber in Deutschland (glücklicherweise und zu Recht NICHT VERBOTEN ist!) Diese MLPD hat eine Liste mit Kandidaten der PFLP, diese nimmt aber nicht eigenständig an der Wahl teil, sondern die MLPD hat Kandidaten aus mindestens zehn Nationalitäten auf der Liste vertreten und ist meines Wissens die EINZIGE Partei in Deutschland, die sich für die Freiheit Palästinas einsetzt und das auch in ihrem Wahlprogramm vertritt. (1)

In der Zwischenzeit schreiten fast unbeachtet von deutscher Politik und Öffentlichkeit die immer schlimmer werdenden judaistischen Repressalien des Netanjahu-Regimes gegen Palästinenser und Palästina weiter voran. Da zelebriert Netanjahu die Feierlichkeiten zu 50 Jahre Besatzung Palästinas auf gestohlenem palästinensischem Land in der judaistischen illegalen Siedlung und versichert deren illegalen Bewohnern, dass sie gekommen seien, um für immer zu bleiben. Und er versprach außerdem, dass unter ihm keine einzige Siedlung geräumt werde, und dass Jerusalem die für ewig ungeteilte Hauptstadt des "Jüdischen Staates" bleibt und machte gleich nach seiner Rückkehr nach Jerusalem weitere Millionen für neue Siedlungen im illegal besetzten Palästina locker! (2)

Da greift die israelische Hardcore-Zionistin und Besatzungs-Unterstützerin, die israelische Justizministerin Ayelet Shaked, die Richterschaft an und verkündet, dass "der Zionismus nicht weiter seinen Kopf beugen würde“ vor einem universalen System der individuellen Rechte. Sie kündigte das von ihrer Partei, dem Likud, und das von Netanjahu unterstützte und in erster Lesung durch das Parlament angenommene neue Grundgesetz an, das Israel als "Nationalstaat des jüdischen Volkes" definiert, als eine "moralische und politische Revolution". Dieser Gesetzentwurf lässt ausschließlich Juden für Juden ein "Recht auf nationale Selbstbestimmung" gelten und stuft z.B. das Arabische von einer offiziellen Sprache zu einer Sprache mit speziellem Status herunter.

Was das für die mehr als 20% Nichtjuden, hauptsächlich Palästinenser mit israelischem Pass, Beduinen, deren Vertreibung momentan gerade wieder in ungeahnte Höhen steigt, und die wenigen verbliebenen Christen im "Heiligen Besatzerland" bedeutet!

Wer es bis jetzt noch nicht wahrhaben wollte, dass der "Jüdische Staat" ein Apartheidstaat ist, möge jetzt endlich eines Besseren belehrt sein und endlich die Boykottmaßnahmen der BDS-Kampagne unterstützen!

Wegen der deutschen Vergangenheit die Augen nicht verschließen

Gerade wegen der deutschen Vergangenheit dürfen wir nicht die Augen verschließen, wenn Unrecht geschieht und diese sogenannte "einzige" Demokratie im Nahen Osten, die Ethnokratie "Jüdischer Staat" auf Teufel komm raus, Land raubt, besetzt und ethnisch säubert und rassistisch judaisiert. Von deutschen Politikern ALLER Parteien hatte ich anderes(!) erwartet: 50 Jahre nach Beginn der zweiten Besatzung und 69 Jahre nach Gründung des "Jüdischen Staates" auf Kosten der Vertreibung und einmaligen Besatzung eines Volkes, gegen dieses Unrecht zu schweigen sind genug!

Also appelliere ich an deutsche Politiker und Wähler, darüber nachzudenken, wie lange dieser illegale und unhaltbare Zustand mit deutscher Hilfe denn noch weitergehen soll. Palästina, verdammt in alle Ewigkeit?


Fussnoten:

(1) http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1600880
(2) https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/56469-zum-50-jahrigen-siedlungsjubilaum-schwort/

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)


Online-Flyer Nr. 627  vom 06.09.2017

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