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Arbeit und Soziales
Eindrücke aus Duisburgs Norden
Der heilige Martin und die Kälte
Von Katrin Gems (Geschichtswerkstatt Duisburg-Nord)
Kalt ist es noch nicht wirklich, wenn die Tage auch schon kurz geworden sind und es ungemütlich regnet - der Winter kommt erst. Am 11. November feierten wir den Tag des heiligen Martin, des römischen Soldaten, der bei eisiger Kälte seinen wärmenden Mantel mit einem armen Mann teilt, "hat Kleider nicht, hat Lumpen an". "So hilf mir doch in meiner Not, sonst ist der bittere Frost mein Tod", ruft er der Legende nach dem Vorrüberreitenden zu und der zeigt eine in Vergessenheit geratene Eigenschaft: Barmherzigkeit. Er wirft dem Mann keine Münze zu, er teilt. Das ist kein Almosen. Der Soldat hat es jetzt weniger warm, aber der Mann im Schnee kann weiterleben.
St. Martin in Duisburg-Bruckhausen (Fotos: Katrin Gems)
Ich bin bestimmt eine sentimentale Natur, mich hat die Geschichte als Kind furchtbar gerührt und sie tut es noch heute. Ich liebe die Laternen, die das Licht in die Dunkelheit des Novembers tragen und das Feuer, das die Nacht erhellt und Wärme spendet. Und es empört mich, dass die "Jobcenter" Sanktionen verhängen, die Menschen in Not stürzen. 8500 Menschen hat man in Duisburg den Strom abgestellt - und das sind nur die dokumentierten Fälle. Ihre Stromkosten müssen Hartz IV Empfänger von den € 409,- bestreiten, die Ihnen monatlich zur Verfügung stehen. Wird diese überaus knappe Summe noch gekürzt, müssen Menschen frieren und hungern.
Vor ein paar Tagen lief im Radio ein "Tagesgespräch" zum Thema Obdachlosigkeit, bei dem Bürger erzählen konnten, ob sie Bettlern Geld geben oder nicht. Ich war entsetzt über einige Anrufer, die "Gegenleistungen" der Bettler forderten ("könnte ja wenigstens eine Zeitung verkaufen...") und verkündeten, diese seien ja nur auf der Straße gelandet, weil sie faul seien. Selbstverständlich waren die Anrufer alle fleißige Leistungsträger, die ihr Geld ebenso selbstverständlich durch Fleiß "verdienen" - im doppelten Sinne das Wortes.
Martin von Tours muss ein ziemlicher Idiot gewesen sein, oder? Sicher hatte der "arme Mann" tatsächlich drei mit Seide gefütterte Kaschmirmäntel im Schrank und hat nur so getan, als würde er erfrieren, um sich am halben Mantel Martins zu bereichern? Dass es Unglück gibt, dass Menschen schwach und krank sein oder werden können und trotzdem das Recht haben, mit Würde behandelt zu werden, kommt solchen Menschen wohl nicht in den Sinn. Vielleicht eines Tages doch: Wenn es sie selbst erwischt.
St. Martin in Duisburg-Bruckhausen
In Duisburg haben in der letzten Woche Mitglieder der Initiative "AufRecht bestehen!" vor dem Jobcenter demonstriert und Stutenkerle an die Angestellten verteilt, um an die Gabe des Heiligen zu erinnern und gegen die Sanktionen des "Jobcenters" zu protestieren. Die "soziale Kälte" ist längst institutionalisiert. Wie sagte mein Lateinlehrer immer? "Is kalt in Deutschland. Zieht Euch warm an..." Wohl dem, der einen Mantel hat.
Online-Flyer Nr. 637 vom 15.11.2017
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Eindrücke aus Duisburgs Norden
Der heilige Martin und die Kälte
Von Katrin Gems (Geschichtswerkstatt Duisburg-Nord)
Kalt ist es noch nicht wirklich, wenn die Tage auch schon kurz geworden sind und es ungemütlich regnet - der Winter kommt erst. Am 11. November feierten wir den Tag des heiligen Martin, des römischen Soldaten, der bei eisiger Kälte seinen wärmenden Mantel mit einem armen Mann teilt, "hat Kleider nicht, hat Lumpen an". "So hilf mir doch in meiner Not, sonst ist der bittere Frost mein Tod", ruft er der Legende nach dem Vorrüberreitenden zu und der zeigt eine in Vergessenheit geratene Eigenschaft: Barmherzigkeit. Er wirft dem Mann keine Münze zu, er teilt. Das ist kein Almosen. Der Soldat hat es jetzt weniger warm, aber der Mann im Schnee kann weiterleben.
St. Martin in Duisburg-Bruckhausen (Fotos: Katrin Gems)
Ich bin bestimmt eine sentimentale Natur, mich hat die Geschichte als Kind furchtbar gerührt und sie tut es noch heute. Ich liebe die Laternen, die das Licht in die Dunkelheit des Novembers tragen und das Feuer, das die Nacht erhellt und Wärme spendet. Und es empört mich, dass die "Jobcenter" Sanktionen verhängen, die Menschen in Not stürzen. 8500 Menschen hat man in Duisburg den Strom abgestellt - und das sind nur die dokumentierten Fälle. Ihre Stromkosten müssen Hartz IV Empfänger von den € 409,- bestreiten, die Ihnen monatlich zur Verfügung stehen. Wird diese überaus knappe Summe noch gekürzt, müssen Menschen frieren und hungern.
Vor ein paar Tagen lief im Radio ein "Tagesgespräch" zum Thema Obdachlosigkeit, bei dem Bürger erzählen konnten, ob sie Bettlern Geld geben oder nicht. Ich war entsetzt über einige Anrufer, die "Gegenleistungen" der Bettler forderten ("könnte ja wenigstens eine Zeitung verkaufen...") und verkündeten, diese seien ja nur auf der Straße gelandet, weil sie faul seien. Selbstverständlich waren die Anrufer alle fleißige Leistungsträger, die ihr Geld ebenso selbstverständlich durch Fleiß "verdienen" - im doppelten Sinne das Wortes.
Martin von Tours muss ein ziemlicher Idiot gewesen sein, oder? Sicher hatte der "arme Mann" tatsächlich drei mit Seide gefütterte Kaschmirmäntel im Schrank und hat nur so getan, als würde er erfrieren, um sich am halben Mantel Martins zu bereichern? Dass es Unglück gibt, dass Menschen schwach und krank sein oder werden können und trotzdem das Recht haben, mit Würde behandelt zu werden, kommt solchen Menschen wohl nicht in den Sinn. Vielleicht eines Tages doch: Wenn es sie selbst erwischt.
St. Martin in Duisburg-Bruckhausen
In Duisburg haben in der letzten Woche Mitglieder der Initiative "AufRecht bestehen!" vor dem Jobcenter demonstriert und Stutenkerle an die Angestellten verteilt, um an die Gabe des Heiligen zu erinnern und gegen die Sanktionen des "Jobcenters" zu protestieren. Die "soziale Kälte" ist längst institutionalisiert. Wie sagte mein Lateinlehrer immer? "Is kalt in Deutschland. Zieht Euch warm an..." Wohl dem, der einen Mantel hat.
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