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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Aufrichtigkeit braucht das Land
Von Evelyn Hecht-Galinski

Tatsächlich ist jede antisemitisch motivierte Straftat eine Tat zu viel, aber wären wir aufrichtig, dann würden wir diesen Satz einmal hinterfragen. Was steckt hinter dieser Aussage heuchlerischer deutscher Politiker? Ist der mediale Antisemitismus-Hype nicht ein Ablenkungsmanöver, mit dem die gesamte deutsche Politik und ihre Funktionsträger, quer durch alle Parteien, versäumt hat, den Ursachen für die aktuellen Vorkommnisse in unserem Land auf den Grund zu gehen? 70 Jahre nach der Nakba, der Vertreibung des palästinensischen Volkes aus Palästina, bereitet sich das Establishment der Bundesrepublik Deutschland darauf vor, diese Feierlichkeiten zusammen mit dem "Jüdischen Staat" zu begehen. Die Palästinenser, als letzte vergessene Leidtragende des Holocaust, werden allein gelassen in ihrem Leid, während der "Jüdische Staat" und seine deutschen Vertreter und Helfer  als alleinige Holocaustopfer blind unterstützt  werden. Diese blinde Anbetung infolge der deutschen Traumatisierung und aus einem Schuldgefühl heraus wird an jede Generation weitervererbt und führt uns zu einer gefährlichen Konsequenz des Hasses, die nur in einem Desaster enden kann. Was wir brauchen, ist kein Antisemitismus-Beauftragten, sondern wir brauchen einen Rassismus-Beauftragten, der sich um den grassierenden Islam-Hass und dessen Auswirkungen kümmert.

Wie kann es sein, dass sich deutsche Politiker von Bundespräsident Steinmeier, Kanzlerin Merkel, Bundesinnenminister de Maiziere und der Bundesjustizminister Maas darüber echauffieren und Krokodilstränen vergießen und von Scham übermannt werden, wenn als Reaktion auf die einseitige völkerrechtswidrige Ankündigung von US-Präsidenten-Dealer Trump und der jahrzehntelangen Besatzung Davidstern-Flaggen verbrannt werden?

Haben sich diese Politiker jemals dafür geschämt, dass sie immer wieder komplizenhaft ein Auge zugedrückt haben, wenn die Besatzungsmacht wieder mal auf Krieg und Ausweitung seines Territoriums in Form von illegalen Siedlungen aus waren? Haben sie sich etwa geschämt, dass sie den "Jüdischen Staat" und seine illegale Besatzungs-Politik erst mit ermöglicht haben? Haben sie sich je geschämt für ihre grenzenlose Solidarität mit den Besatzern, und dass sie für das unglaubliche Unrecht an den Palästinensern den deutschen Steuerzahler für Rüstungsgüter zahlen lassen und ihre Zusammenarbeit auf ALLEN Gebieten, die militärische, geheimdienstliche und sonstige Zusammenarbeit, noch erweitern.

Dafür allerdings sollten all diese Menschenrechtsheuchler sich schämen, dass sich dank ihrer eilfertigen und willigen Mithilfe, 72 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, Deutschland erneut schuldig macht durch die Unterstützung der ethnischen Säuberung des palästinensischen Volkes.

Speziell an Bundespräsident Steinmeier gerichtet: bedeutet das "Deutsch sein"? So „deutsch“ wie dieser schamlose „Teflon-Zeuge“ vor dem Untersuchungsausschuss im NSA-Skandal, der kaltherzig und schamlos dafür gesorgt hat, dass Murat Kurnaz weiter im amerikanischen KZ Guantanamo bleiben musste? Es wirft doch ein mehr auf fragwürdiges Bild auf diesen Bundespräsidenten, dass er trotz eines inoffiziellen Angebots der Amerikaner 2002, Kurnaz freizulassen, dieses Angebot nicht annahm und schlimmer noch, der verkünden ließ "ich würde mich heute nicht anders verhalten"! Mein „Deutsch sein“ jedenfalls ist nicht von Unrecht und Unaufrichtigkeit geprägt. (1)(2)(3)

Zeigt sich hier nicht ein "gestörtes" Verhältnis zu Muslimen, auch deutschen? Hat dieser Bundespräsident eine "übersteigerte Judenliebe", ein philosemitisches Trauma, das so weit geht, dass er nicht nur zu dem jahrzehntelangen Unrecht des israelischen Besatzerstaates am palästinensischen Volk schweigt, sondern dass er jetzt auch noch bestimmen will, was und wer "DEUTSCH" ist? Ich bin deutsch, Herr Bundespräsident, ob ihnen das nun passt oder nicht, und jedenfalls ich schäme mich für die konzertierte Aktion, angefacht von Politik und Medien, die in einen Flächenbrand des Islam-Hasses und Ausgrenzung der muslimischen (deutschen) Bürger in diesem Land enden könnte. Es muss Schluss sein mit der kollektiven Gehirnwäsche!

Während Israel von deutschen Politikern nur am Rande ein bisschen kritisiert wird, interpretieren sie unisono das Verbrennen von israelischen Flaggen „Verbrennen des "Existenzrechts des "Jüdischen Staates". Ganz falsch, aber nochmals: Die David-Stern-Flagge ist das Symbol der illegalen seit Jahrzehnten anhaltenden jüdischen Besatzung Palästinas und der Demütigung des palästinensischen Volkes! Nicht mehr und nicht weniger und das hat mit Antisemitismus rein gar nichts zu tun.

Und ist die Wut nicht allzu verständlich, die die palästinensischen Demonstranten umtreibt, ihre Familie in der besetzten Heimat immer im Blick und hier allein gelassen von der deutschen Regierung, die schlichtweg die Palästinenser für den deutschen Holocaust bezahlen lässt und als willige Helfer der Besatzungsmacht agieren. Aber, Herr Steinmeier, man kann eine alte Schuld, nicht mit einer neuen Schuld vergessen machen.

Es braucht auch keine neuen Gesetze, wie vom Innenminister de Maiziere gefordert. Wieder einmal „Sonderregelungen“ für Juden? Machen wir uns doch nichts vor, der Anspruch des Netanjahu- Regimes auf Anerkennung von Israel als "Jüdischer Staat" ist der plumpe Versuch, Kritik an Israel als "Judenhass umzudeuten. Eine clevere Idee, die allerdings zu durchsichtig ist um ernst genommen zu werden, außer natürlich bei den gläubigen und unkritischen Israel-Apologeten, denn das widerspricht jedem demokratischen Verständnis und entspricht auch nicht diesen Werten. Ein Netanjahu-Regime mit einem Ministerpräsidenten, der samt Ehefrau unter Korruptionsverdacht steht und gerade versucht, Gesetze in der "einzigen" Demokratie im Nahen Osten so zu verbiegen, dass er als Ministerpräsident nicht mehr belangt werden kann, gegen den zehntausende jüdische Israelis demonstrieren und ihn weg haben möchten. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen in dieser Geschichte: Leider demonstrieren die Bürger des "Jüdischen Staats" nicht gegen die illegale Besatzung, gegen den illegalen Siedlungsbau oder gegen die Verbrechen der "Jüdischen Verteidigungsarmee", für die das Netanjahu Regime, nebenbei gesagt, auch noch ein Gesetz plant, dass Soldaten, die Palästinenser ermorden, nicht mehr belangt werden können.

Wenn also deutsche Politiker sich darüber aufregen, dass "Ausbrüche von Hass" gegen den "Jüdischen Staat" auf deutschen Straßen nicht "zelebriert" werden dürfen, dann frage ich zurück, warum wird nicht einmal die Ursache erforscht und da sind wir wieder beim Hauptproblem, nämlich bei der krankhaften, unkritischen Solidarität mit einem Regime, dass die Rechte des palästinensischen Volkes mit Füßen tritt und ein ganzes Volk in Besatzung hält. Dazu schweigen deutsche Politiker. Sie sollten sich dafür schämen, dass Jerusalem als Symbol Palästinas zur "ewig ungeteilten" Hauptstadt des "Jüdischen Staates" gemacht werden soll, und nicht gegen die legitimen Proteste dagegen. Ist es nicht sogar die Pflicht jedes Palästinensers, ob christlich oder muslimisch, sich für ein ungeteiltes Jerusalem und für die Freiheit Palästinas einzusetzen? Wenn ein paar Demonstranten "Tod den Juden" schreien, dann ist das unschön, aber eine wütende Reaktion auf die Schreie der jüdischen Extremisten und Siedler, die straflos durch den "Jüdischen Staat" ziehen und "Tod den Arabern" oder sogar „Araber ins Gas“ brüllen. Weder schaffen es diese jüdischen Hass-Parolen in die sog. Qualitätsmedien, noch wurden sie öffentlich weder von Politikern noch von den Zentralratsfunktionären, die überall Antisemitismus wittern, kritisiert oder gar davon distanziert!

Deshalb ist nicht einzusehen, ja, geradezu widersinnig, dass muslimische Einwanderer eine Verantwortung übernehmen sollen für deutsche Schuld, die sie gar nicht zu verantworten haben, und die ganz aktuell im Bilde sind, wie ihre Brüder und Schwestern in Palästina zu leiden haben! Wenn ein durchgeknallter CDU-Innenexperte Schuster gar noch fordert, dass palästinensische Demonstranten, die David-Stern Flaggen verbrennen, ausgewiesen werden sollen, dann ist das erträgliche Maß voll! (4)

Solche Einigkeit von Politik und Medien würde ich mir wünschen, wenn es um die längst überfällige Kritik am "Jüdischen Besatzer-Staat" geht, die endlich die einzige richtige Konsequenz ziehen müsste, nämlich die palästinensischen Zivilgesellschaft und die gewaltlose BDS-Kampagne „Boykott, Desinvestment , Sanktionen“ mit sofortiger Wirkung zu unterstützen und endlich ihren anschleimenden übersteigerten Philosemitismus einzustellen.

Bemerkenswert ist, dass gerade die AfD, und nicht etwa linke Parteien, den Jerusalem-Beschluss begrüßten. Wahrscheinlich wird die neue österreichische "Rechtsnationale" Kurz-Regierung zwischen ÖVP und FPÖ bald in dieselbe Kerbe hauen, denn sie alle stehen "Seit an Seit" in unverbrüchlicher  Solidarität mit dem "Jüdischen Besatzer-Staat" und dafür sollten sie sich schämen!

Widersprechen wir all den Schusters, Knobloch, „IM Victoria“-Kahane, Weinthal, Broder, Posener, Herzinger und vielen anderen, die jetzt so geballt ihre Islamophobie und Philosemitismus ausleben.

Schluss mit der deutschen Staatsräson und dem "besonderen" Verhältnis für ein unmenschliches jüdisches Staatsterror-Regime, das vor nichts zurückschreckt, weder davor, Behinderte in Gaza zu ermorden, noch davor, Kinder in Haft zu nehmen und jetzt auch noch die Todesstrafe zu fordern.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nochmals das im Zambon-Verlag erschienene Buch "B`Tselem - Folter in Israel" zu empfehlen, dass auf jedem "Gabentisch liegen sollte.

Was würde heutzutage wohl Jesus dazu sagen, wenn seine Eltern Maria und Joseph keinen Einlass am Checkpoint bekämen, um  in das besetzte Bethlehem zu kommen.
Aufrichtigkeit braucht das Land!

In diesem Sinne fröhliche Weihnachten!


Erich Fried:
Benennungen


1.

Die gestern geschrien haben „Die Juden sind schuld"
sollen heute nicht schreien
„die Zionisten"

Die geschrien haben
„Die Juden sind schuld"
sind schuld daran
daß die Zionisten schuld werden konnten

Die geschrien haben
„Die Juden sind unser Unglück"
sind das Unglück der Juden
und der Palästinenser geworden

Das befreit nicht die Zionisten
von Schuld an den Palästinensern
und die Juden nicht
von Verantwortung für Zionisten

Aber nicht die sollen heute
die Juden verantwortlich machen
die gestern geschrien haben
„Die Juden sind schuld"

2.

Es gibt Zionisten
die nennen Antizionisten Antisemiten
und es gibt Juden
die den Zionisten das glauben

Es gibt Antisemiten
die nennen Zionisten Bundesgenossen
wenn sie zu Juden sprechen
sonst nur nützliche Juden

Es gibt Sprecher des Westens
die nennen jüdische Antizionisten
rote Antisemiten
wenn sie zu Juden sprechen

Und wenn sie zu Nichtjuden sprechen
nennen dieselben Sprecher
dieselben jüdischen Antizionisten
dreckige rote Juden

3.

Zionisten
mit linkem falschen Bewußtsein
Zionisten
mit rechtem falschen Bewußtsein

Antisemiten
mit rechtem falschen Bewußtsein
Antisemiten
mit linkem falschen Bewußtsein
und Antisemiten
mit zionistischem falschen Bewußtsein

Kein Bewußtsein
das den Antisemitismus
oder den Zionismus
rechtfertigen kann


Fussnoten:

1 http://www.zeit.de/politik/2016-03/nsa-affaere-frank-walter-steinmeier-untersuchungsausschuss/komplettansicht
2 http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/anwalt-bernhard-docke-steinmeier-wollte-kurnaz-nicht-aus-guantanamo-holen-14872950.html
3 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/murat-kurnaz-frank-walter-steinmeier-hat-nicht-die-groesse-seinen-fehler-einzugestehen-a-1134391.html
4 https://www.welt.de/politik/deutschland/article171666662/CDU-Innenexperte-will-Flaggenverbrenner-ausweisen.html


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)


Online-Flyer Nr. 641  vom 20.12.2017

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