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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Kann denn BDS Sünde sein?
Von Evelyn Hecht-Galinski

Kann es wirklich Sünde sein, wenn eine Bewegung versucht, mit Boykott, Divestment und Sanktionen (BDS-Kampagne) das seit 70 Jahren besetzte palästinensische Volk in seinem Befreiungskampf zu unterstützen? Die Gründung der gewaltlosen BDS-Kampagne geht auf einen vom Kampf der Südafrikaner inspirierten Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zurück, mit Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen Druck auf Israel auszuüben, bis der „jüdische Staat“ internationales Recht einhält und die illegale Besatzung Palästinas beendet. Am Beispiel von Südafrika und dem erfolgreichen Kampf gegen die Apartheid sieht man den Erfolg dieser friedlichen Kampagne, in der man allein durch ökonomischen und kulturellen Druck ein System stürzen kann.

Der "Jüdische Staat" ist ein Apartheidsystem und sollte jedem anständigen jüdischen Bürger, der dieses System noch verteidigt, die Schamesröte ins Gesicht treiben. Wenn es also in einem "Jüdischen Staat" Straßen „nur für Juden“ gibt, jüdische Besatzer über ein besetztes Volk mit einer Brutalität herrschen, die ihresgleichen sucht in der Welt unter angeblich demokratischen Staaten.

Seit Jahrzehnten werden UN-Resolutionen, die feststellten, dass die Errichtung von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, vom "Jüdischen Staat" negiert. Um diese Missachtung zu beenden wäre es an der Zeit, dass die UN-Staatengemeinschaft beschließt, endlich die BDS-Kampagne zu unterstützen, denn nur diese wirksame Unterstützung würde endlich dazu beitragen diese Rechtsverletzungen zu beenden. Schließlich sind Staaten dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, das sie sonst so gern immer wieder für sich bemühen, wenn es darum geht, andere Staaten zu boykottieren, Beispiel Russland.

Die traurige Wirklichkeit der heuchlerischen Staatengemeinschaft ist allerdings ernüchternd. Seit Jahrzehnten schaut sie tatenlos zu, wie der „jüdische Staat" das geraubte Land illegal besiedelt, seine Ressourcen ausbeutet und palästinensische Häuser zerstört. Die katastrophalen Folgen für die palästinensische Bevölkerung sind offensichtlich. Die Palästinenser sind abgeschnitten von Wasser, ihrem fruchtbarem Land und ihrer Ernte, die ihnen – wie gerade wieder geschehen – durch Zerstörung ihrer Olivenbäume durch marodierende Siedler vernichtet wurde. Als Folge wird der Lebensstandard immer erbärmlicher, die Gesundheitsfürsorge immer schlechter und die Arbeitslosigkeit immer höher, sodass sich viele Palästinenser gezwungen sehen, als Zwangsarbeiter für die verhassten Besatzer zu arbeiten, die sich dann noch rühmen können, wie "großherzig" sie ihre palästinensischen Arbeiter behandeln; ein Sarkasmus sondergleichen. Dass diese Besatzungsverbrechen einen verständlichen Frust bei der palästinensischen Jugend auslöst, die von Geburt an nichts anderes kennt als die Stiefel der Unterdrücker, können wir uns ausmalen. Noch erbärmlicher ist das Leben im von Israel abgeriegelten Gazastreifen, wo das Volk unter erbarmungslosen Bedingungen dahinvegetiert, eingeschlossen und malträtiert von allen Seiten.

Während die palästinensische Wirtschaft im besetzten Westjordanland am Boden liegt, hat sich auf dem Rücken der Palästinenser eine florierende Siedlergesellschaft ausgebreitet.

Die Siedlerinfrastruktur „nur für Juden“ hat das Land so aufgeteilt, dass die Bewegungsfreiheit der Palästinenser so eingeschränkt wird, dass ein Leben in Würde und ohne Angst kaum möglich ist. Das jüdische Besatzerregime hat seit 1967 seine Militärherrschaft mit mehr als 1.700 Militärverordnungen konsolidiert, die mit diesen „Gesetzen“ so gut wie alle palästinensischen Aktivitäten einschränkt und kriminalisiert.

Seit US-Präsident Trump am Ruder ist und seiner Ankündigung, Jerusalem als Hauptstadt des "Jüdischen Staates" anzuerkennen und den Umzug der US-Botschaft dorthin ankündigte, kennt das Netanjahu-Regime in seiner Euphorie kein Halten mehr und schafft neue Tatsachen, wie die kürzlich genehmigten tausende neuer Siedlungswohneinheiten und neuen Gesetzen, die sowohl ein Zusammenleben als auch die Zwei-Staaten-Lösung immer unmöglicher machen. Für mich war immer klar, dass sich dieses Mantra einmal als eine große politische Lüge herausstellt!

In diesem Sinn ist auch die Forderung an das Exekutivkomitees der PLO, die Anerkennung von Israel auszusetzen, bis Israel einen Staat Palästina in den Grenzen von 1967 anerkennt, die Annektierung von Ost-Jerusalem zurücknimmt und seinen Siedlungsbau zurücknimmt, voll zu unterstützen, wie der Vorsitzende des Nationalrates, Salim Zanoun sie in Ramallah forderte. (1)

Das der „Jüdische Staat“ keine dieser Minimalforderungen erfüllen wird ist mehr als wahrscheinlich. Die Oslo Verträge waren für die jüdischen Besatzer niemals existent und sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden! So ist zu hoffen, dass der Nationalrat der Palästinenser das Gremium der der Dachorganisation PLO, nicht wankelmütig wird und endlich auf diese „Ohrfeige“ der Trump Entscheidung reagiert und sich auf keine „Friedensverhandlungen“ mehr einlässt, die für die Palästinenser nichts bringen, außer Demütigung.

Wenn Präsident Abbas noch einen Funken Anstand verspürt, dann macht er endlich platz für eine neue palästinensische Vertretung, die ihren Namen verdient und das palästinensische Volk vertritt und nicht nur Eigeninteressen und Kollaboration.

Israel will alles, nur keinen Frieden und vollzieht die zionistische Staatsräson der Judaisierung in atemberaubendem Tempo, während die Staatengemeinschaft feige schweigt! Während die jüdischen Besatzer die Palästinenser mit der Strategie des siedlerkolonialistischen Projekts – die gleichzeitige Plünderung und Besiedlung von geraubtem palästinensischen Land – behandeln, wird dieses kriminelle Verhalten von der Staatengemeinschaft mit Wohlwollen betrachtet im Kampf gegen den Islam, aus dem der "Jüdische Staat" seine Daseinsberechtigung schöpft und diesen Kolonialstaat westlichen Stils in Palästina aufrecht erhält.

Noch stehen die christlich-zionistischen Freunde des "Jüdischen Staates" in diesem Kampf gegen den Islam Seit an Seit mit den jüdischen Freunden, doch ihr wirkliches Ziel ist es, alle Juden zu missionieren und gemeinsam über den Islam zu herrschen.

Der Gazastreifen, dieser Elendsstreifen, der in Schmutz, Trümmer und Hilflosigkeit versinkt, hält der tatenlosen Staatengemeinschaft den Spiegel des moralischen Versagens vor, die das Netanjahu- Regime gewähren lässt! Es ist ein Freiluftgefängnis, abgeriegelt von allen Seiten, von Israel auf der einen Seite und von den USA bezahlten Ägypten auf der anderen Seite, mithilfe der Abbas-Behörde, die alles versucht um die alleinige Macht zu erhalten und wird nur von westlichen Gnaden am Leben erhalten. Was also bleibt den Eingesperrten um auf sich aufmerksam zu machen? Ab und an eine Rakete abzufeuern, die zwar nicht trifft, aber sofortige israelische Angriffe zur Folge hat. Die Bevölkerung ist schutzlos den Angriffen der jüdischen Davidsternbomber ausgeliefert, sie werden dezimiert, hier handelt der "Jüdische Staat" genau nach dem Vorbild der Auslöschung der amerikanischen Indianer, nach dem Prinzip der ethnischen Säuberung.

Wer das kritisiert oder schlimmer noch, die BDS-Bewegung unterstützt, wird als Judenhasser und Antisemit diffamiert. So hat es der "Jüdische Staat" geschafft, sich immer als Opfer, das nur aus „Selbstverteidigung“ handelt, darzustellen, während Israel in Wirklichkeit der Aggressor ist. Dieses mediale Propagandaspiel hat sich mittlerweile weltweit so etabliert, dass die Vertreibung der Palästinenser so gut wie kein Thema mehr ist, sondern israelische Kriegsverbrechen und Kindermorde als gerechtfertigte Selbstverteidigung toleriert werden. Das macht es mehr als bequem für die jüdischen Besatzungstruppen, weiter ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit auszuführen.

Man ist verblüfft über den Erfolg dieser Hasbara-Propaganda, die es geschafft hat, 70 Jahre nach der Nakba die Besetzten mit den Besatzern gleichzusetzen und als ebenbürtige Kriegsparteien darzustellen. Das ist perfide! Das palästinensische Volk ist heute eines der meist vergessenen Völker der Erde und das kann sich nur ändern, wenn die Staatengemeinschaft endlich das Recht dieses Volkes anerkennt und die BDS-Bewegung, diese gewaltlose Strategie der Palästinenser zur Erlangung ihrer Freiheit und Rechte, unterstützt.

Warum also werden nur die zionistisch-jüdischen Kriegsverbrechen an den Palästinensern geduldet? Weil Juden die Täter sind, und diese immer nur als Opfer und Verfolgte zu betrachten sind? Die jahrzehntelange Zwangsherrschaft und Militärbesetzung, die derzeit von dem rechtsextremen und rassistischsten Regime aller Zeiten im "Jüdischen Staat" verfolgt wird, darf nicht ungestraft fortgesetzt werde. Das widerspricht der Würde des Menschen, die unteilbar ist, und auch für das palästinensische Volk, als letzte Opfer Hitlers gelten sollte, oder nicht, Frau Merkel?

Solange Palästinenser gefangen, gedemütigt, besetzt und ermordet werden, solange friedlicher Protest kriminalisiert wird, solange Widerstand als Terror verunglimpft wird, solange werden wir die BDS-Kampagne und den Freiheitskampf für Palästina unterstützen.

Dass der "Jüdische Staat" jetzt eine "Schwarze Liste" benutzt, um internationalen, vorwiegend jüdischen Hilfsorganisationen, die Einreise verweigert, während rechtsextreme oder Naziorganisationen darin nicht aufgeführt werden, kann nur als letzter verzweifelter Versuch gewertet werden, der erfolgreichen BDS-Bewegung entgegenzutreten, zeigt aber auch, wie wirksam dieser Kampf ist. Diese „Schwarze Liste“ ist abstoßend, undemokratisch und eine Auszeichnung für uns ALLE. Zeigt sie doch die wahre Fratze der "einzigen" Demokratie im Nahen Osten! Gemeinsam werden wir die Ungerechtigkeit, den Rassismus und alle Formen der Unterdrückung überwinden! Kann denn BDS Sünde sein?


Fussnote

1 https://www.tagesschau.de/ausland/israel-palaestinenser-107.html


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)


Online-Flyer Nr. 643  vom 17.01.2018

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