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Medien
Eine lockere Folge von Leserbriefen und Kommentaren
Hajos Einwürfe
Von Hajo Kahlke

Darf ein "verantwortungsvoller Antifaschist" einen Menschen niederstechen? Ist die Bombardierung Syriens genauso ein Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas? Das sind Fragen, die in "Hajos Einwürfen" zum Thema gemacht sind. Die Neue Rheinische Zeitung versteht sich im Verbund mit der Vierteljahresschrift DAS KROKODIL als ein Forum, das zum Nachdenken anregen, eingefahrene, verkrustete Denkstrukturen aufbrechen bzw. der bewusst lancierten Desorientierung des Denkapparats – besonders der Linken – entgegenwirken will. Hajos kurze Texte sollen dazu ihren Beitrag leisten. Die Neue Rheinische Zeitung bringt deshalb in loser Folge von ihm verfasste Leserbriefe und Kommentare, die bei den Angeschriebenen nur selten das Licht der Öffentlichkeit erblicken.


Darf ein "verantwortungsvoller Antifaschist" einen Menschen niederstechen?

Da behauptet jemand, er habe nur wegen Nothilfe bzw. aus Notwehr einen anderen Menschen auf offener Straße zu Tode gestochen. Und sofort fragt man sich: Hoppla, mit welchem Messer denn? Ja, warum führte Jock Palfreeman ein Messer - kein Schweizer Offiziersmesser, das man erst umständlich aufklappen muss, sondern ein zum Zücken und Zustechen geeignetes, mit einer 13 cm langen Klinge - überhaupt mit sich? Wenn Palfreeman tatsächlich nur den Ausflug nach Sofia, wo er die Tat dann verübte, für derart riskant einschätzte, dass er für alle Fälle gewappnet sein wollte, hätte er natürlich Pfefferspray o.ä. mitgenommen. Aber niemals ein Messer, zumal nicht als verantwortungsvoller "Antifaschist", als der er hier gehandelt wird. Gesprächspartner Stemmler jedoch fragt da nichts nach.

Stemmler fragt auch nicht nach, woran die Gruppe von "Neonazis", der Palfreeman und seine zwei Begleiter im nächtlichen Sofia begegneten, und mit der es dann zur tödlich endenden Auseinandersetzung kam, überhaupt als Neonazis zu erkennen gewesen sein soll. Ebenso fragt er nicht, aufgrund welcher Fakten der rechtskräftig verurteilte Mörder Palfreeman sein Opfer Andrei Monov "den getöteten Faschisten" nennt, obwohl Palfreeman im Gespräch nur anführen kann, dass Andrei Monov der Sohn eines Politikers der (aus der KP hervorgegangenen!) bulgarischen Sozialistischen Partei ist, die gesagt habe, ihre Politik wäre der "faschistischen" Koalition der Patriotischen Front am nächsten - eine in jeder Hinsicht lächerliche Argumentation . Nein, statt nachzufragen übernimmt Stemmler lieber ungeprüft die von Palfreeman verabreichte Etikettierung "Neonazis" und "Faschist". Denn bulgarische Nationalisten werden Palfreemans Kontrahenten und sein Opfer wohl schon gewesen sein - das reicht dann zum Verdikt.

Aber vor allem ist es auch Palfreemans Tatversion "Nothilfe" bzw. "Notwehr", die Stemmler ungeprüft übernimmt. Dass dieser Version immerhin ein rechtskräftiges Urteil entgegensteht, ist für ihn völlig unerheblich. Was ist auch schon das Gerichtsurteil eines östlichen Staats, eines Balkan-Landes gar, dessen "Gesetze willkürlich" und dessen "Richter korrupt" sind, gegen das Wort eines westlichen Gentleman, pardon "Antifaschisten"! Es ist der alte westliche Überlegenheitswahn, der hier Urständ feiert, und der kein Klischee über den unzivilisierten Osten bzw. den korrupten Balkan auslässt. Natürlich gibt es Fälle, wo ein Klischee dann durchaus zutrifft, aber eben nicht in dieser hier so selbstverständlich vorausgesetzten Ausschließlichkeit!

Übrigens: zum Zeitpunkt seiner - gewissermaßen auf Urlaub begangenen - Tat hatte sich Jock Palfreeman als Soldat bei der Britischen Armee verpflichtet. Nicht gerade typisch für einen "Antifaschisten", sondern eher für jemanden, der Gewalt hoch, Gerechtigkeit aber gering schätzt. Diese nicht so recht zu dem von ihr dargebotenem Bild des "Antifaschisten" Palfreeman passende Information unterschlägt die junge Welt ihren Lesern. Warum?

Leserbrief zum Artikel "'Ich zog ein Messer, um mich zu verteidigen' - Nach Angriff von Neonazis: Ein australischer Antifaschist sitzt seit über zehn Jahren in Bulgarien im Knast", Gespräch von Kristian Stemmler mit Jock Palfreeman, junge Welt vom 7./.8.4.2018, Seite 8



Bombardierung Syriens genauso ein Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas?


Man muss ja schon dankbar sein , dass sie überhaupt was machen, aber ansonsten wiederholt dieser Aufruf - gewiss, es gibt dort auch den einen oder anderen guten Satz - die übliche Halbherzigkeit der Frankfurter Friedens- und Zukunftswerkstatt: insbesondere viel Äquidistanz , welche einerseits Aggression und andererseits deren Gegenteil, nämlich die Abwehr der Aggression, als Teil einer "Eskalationsspirale" faktisch gleichsetzt.

Und was ist eigentlich mit militärischer "Reaktion" gemeint, die nun der falsche "Weg" sei? Einer Reaktion geht ja immer eine tatsächlich geschehene "Aktion"voraus, welche war die denn hier? Wenn schließlich nur der WEG falsch ist - dann ist hingegen im Umkehrschluss das ZIEL der US-geführten Koalition richtig, oder wie?

Weiter: Warum formuliert man die Forderung an Merkel (sie wird allerdings nie persönlich benannt!) mit "Einhalt gebieten" so unrealistisch, dass das, was Merkel tatsächlich konkret tun bzw. unterlassen könnte, um der Aggression nicht noch mehr zuzuarbeiten, aus dem Blick gerät?

Zu schlechterletzt: Warum wird die wirklich geschehene und abermals wirklich drohende Bombardierung Syriens als "genauso ein Kriegsverbrechen" in eins gesetzt mit dem fiktiven bzw. inszenierten Einsatz von Giftgas?

Anmerkungen zum Aufruf der Friedens- und Zukunftswerkstatt zur Demonstration "Nein zum Krieg – Die Waffen nieder" am 14. April 2018 in Frankfurt/Main, in dem es heißt: "Die Friedensbewegung betrachtet mit großer Sorge die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und Russland über Syrien und fordert ein Ende der Eskalations­spirale. Eine Bombardierung Syriens durch die USA oder andere NATO-Staaten könnte ungeahnte Konsequenzen mit sich ziehen. Die Bundesregierung muss dringend mäßigend auf Präsident Trump einwirken und für Deutschland eine Beteiligung an militärischer Eskalation ausschließen. Der ange­drohte und völkerrechtswidrige Angriff einer US-geführten Koalition auf Syrien ist unverantwortlich und erhöht die Gefahr einer weltweiten militärischen Eskalation zwischen den beiden größten Atommächten dramatisch. Die Bundesregierung muss einem von NATO-Staaten geführten Angriff Einhalt gebieten. Eine militärische Reaktion ist der falsche Weg. Deshalb muss die Bundeswehr aus allen Kriegsgebieten abgezogen und Waffenexporte müssen sofort eingestellt werden. Der Vorwurf des Giftgaseinsatzes muss aufgeklärt werden. Die Friedensbewegung fordert unabhängige Untersuchungen durch die Vereinten Nationen zu den Giftgas-Angriffen. Syrien braucht Frieden und nicht noch mehr Krieg. Weitere Raketen werden nur weitere Menschenleben kosten. Die Bombardierung Syriens ist genauso ein Kriegsverbrechen, wie der Einsatz von Giftgas. Syrien ist zum Schlachtfeld weltweiter Interessen geworden, bei dem sich Russland und NATO gegenüberstehen. Die derzeitige Eskalation bedroht den Weltfrieden und muss beendet werden, bevor aus Machtanspruch, Unvernunft oder Fahrlässigkeit ein nuklearer Krieg die Welt erschüttert."

Online-Flyer Nr. 655  vom 18.04.2018

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