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Literatur
Michael Lüders beschreibt in "Armageddon im Orient" wie die USA, Israel und Saudi-Arabien den Krieg gegen den Iran vorbereiten
Grotesk – absurd – irrational – Irrsinn - Armageddon
Buchbesprechung von Arn Strohmeyer
Der Nahostexperte Michael Lüders warnt in seinem neuen Buch „Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt“ seine Leser: „Bei der Lektüre werden vermutlich nicht wenige denken: Das kann doch alles gar nicht sein. Der Autor übertreibt, das ist unmöglich. Leider nein, hier geht es darum, was die Welt tatsächlich in ihrem Innersten zusammenhält, jenseits der Sprechblasen von Demokratie und Menschenrechten. Um das, was in den Hinterzimmern der Macht ausgehandelt wird. Um die Hardware.“ Was dieser Autor schreibt, hat Hand und Fuß, seine Recherchen sind bestens abgesichert. Das Ergebnis seiner Arbeit ist mehr als erschreckend: Da spielen einige amerikanische Superreiche, die sich den Staat untertan gemacht haben, selbst die Regeln bestimmen und die staatliche Politik mit ihren Privatgeschäften permanent vermischen, nicht nur mit dem Schicksal einer Region (des Nahen und Mittleren Ostens), sondern mit dem Schicksal der ganzen Welt. Völkerrecht und Menschenrechte interessieren sie nicht im geringsten.
Das heutige Machtsystem in den USA beschreibt Lüders so: „Mit Förmlichkeiten halten sich Präsident Trump und Jared Kushner [der Schwiegersohn Trumps] nicht weiter auf. Sie symbolisieren den vulgär-clownesken Höhepunkt eines entfesselten Finanzmarktkapitalismus, in dem die Vetternwirtschaft keiner Maske mehr bedarf. Sie ist sich selbst genüge; the winner takes it all. Es wäre ein Irrtum, Trump für einen Betriebsunfall der Demokratie zu halten. Vielmehr verkörpert er den Sieg der Kasinoökonomie über die Politik, verwandelt er den Staat in eine Aktionärsversammlung, in der Geld gleichbedeutend ist mit Macht. Ein oder mehrere Großspender wollen Jerusalem als Hautstadt Israels? Kein Problem sofern der Preis stimmt.“
Die Hauptakteure in diesem brandgefährlichen Spiel im Nahen und Mittleren Osten sind neben dem irrlichternden US-Präsidenten Israel und Saudi-Arabien. Der zionistische Staat und die erzkonservative wahhabitische Monarchie haben seit 2015 ihre frühere Feindschaft beigelegt, weil ihnen ein gemeinsamer Gegner erwachsen ist: der Iran, der inzwischen zum Inbegriff alles Bösen auf dieser Welt hochdämonisiert wird. Lüders warnt vor solchen emotional aufputschenden Verteufelungen und fordert sachliche Analysen der wirklichen Interessenlagen der Beteiligten.
Der Autor sieht keine militärische oder „terroristische“ Bedrohung durch den Iran, sodass auch die Sicherheitsbedürfnisse anderer Staaten – etwa Israels – nicht der Kern des Konflikts sind, sondern das Streben nach der regionalen Vorherrschaft: „Es geht weniger um den rationalen Umgang mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen iranischen Bedrohung, sondern um die Machtverteilung in der Region und die Eindämmung des ‚Schurkenstaates‘ [Iran].“ Die USA verfolgen vor allem auch das Ziel, die militärische Vorherrschaft des zionistischen Staates in der Region zu zementieren. Und diese Position ist nach der Zerstörung des Iraks und Syriens nur noch durch den Iran gefährdet, denn dieser Staat funktioniert und ist die bei weitem stärkste Militärmacht, die in der Lage ist, die Bewegungsfreiheit des atomar bewaffneten Israel einzuschränken. Dabei geht es Teheran keineswegs um die „Vernichtung“ Israels (wie immer wieder behauptet wird), dazu ist der Iran militärisch gar nicht in der Lage. Aber ein Krieg gegen den Iran ist mit einem sehr hohen Risiko verbunden, weil die Folgen völlig unkalkulierbar sind.
Ironie der Geschichte ist: Der Iran verdankt seine heutige starke Position in der Region nicht seiner „aggressiven Expansionspolitik“ (wie im Westen behauptet wird), sondern ausschließlich den Fehlern einer blinden und kopflosen westlichen Politik. Denn erst durch die amerikanische Zerstörung des Irak im Krieg gegen Saddam Hussein 2003 und die als Folge dieses Krieges massive Verheerung Syriens sind das Chaos und das machtpolitische Vakuum angerichtet worden, das der Iran strategisch für sich nutzte. Wer kann es ihm verdenken? Er konnte ernten, was andere vor ihm gesät hatten.
Lüders bringt diesen Fehler des Westens auf die Formel: „Teheran hat das getan, was Geopolitik, also eine an größeren geographischen Zusammenhängen orientierte Machtpolitik, grundsätzlich auszeichnet: Jeder Fehler der Gegenseite wird sofort für eigene Interessen genutzt, kein Machtvakuum geduldet. Um es klar und deutlich zu benennen: der im Westen und Israel wahrgenommene geopolitische Machtzuwachs Irans verdankt sich in erster Linie den Fehlern amerikanischer und israelischer Politik.“
Wenn man meint, dass eine Weltmacht aus eigenen Fehlern lernen kann, dann ist das weit gefehlt. Lüders nennt weitere Beispiele westlicher Politik im Orient, bei denen die Moral – vom Völkerrecht ganz zu schweigen – völlig auf der Strecke bleibt. So hat die amerikanische Politik zusammen mit Saudi-Arabien noch ein „Reich des Bösen“ ausgemacht: das Emirat Katar. Ihm wird angelastet, enge Beziehungen zum Iran zu unterhalten und damit den „Terrorismus“ zu unterstützen. Nun muss Katar allein aus geographischen Gründen gute Kontakte zu Teheran pflegen, denn beide Staaten sind Nachbarn und beuten gemeinsam das weltweit größte Erdgasfeld im Persischen Golf aus, das die Seegrenzen beider Staaten überschneidet. Saudi-Arabien sprach wegen dieser politischen Nähe Katars zum Iran zusammen mit den Emiraten einen Boykott gegen den kleinen Staat aus.
Irgendwie vermischt sich das Komplott der Saudis gegen Katar, das sicher nicht ohne Druck der USA zustande kam, mit einer familiären Angelegenheit der Trumps. Denn Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hat milliardenschwere Verbindlichkeiten wegen einer Immobilie in New York und hatte bei reichen Vertretern Katars um einen Kredit nachgesucht, war mit seinem Anliegen aber gescheitert. Lüders merkt dazu an: „Katarischer Darstellung zufolge war der begeisterte Tweet Trumps beim Boykott Katars („…Vielleicht der Anfang vom Ende des terroristischen Horrors!“) eine unmittelbare Reaktion auf weitere gescheiterte Verhandlungen Kushners mit katarischen Investoren im Zusammenhang mit seiner Luxusimmobilie 666 Fifth Avenue. Wenn es Dohar [Hauptstadt und Regierungssitz Katars] gelingt, dafür den Beweis zu erbringen, etwa auf der Grundlage gehackter Informationen, ist Kushner geliefert und Trump als Präsident angezählt. Das würde an Landesverrat grenzen – ein Showdown am Golf, weil der Pleitier Kushner dringend Geld benötigt, es aber nicht bekommt, und sein Schwiegervater zu ihm hält?“
Auch bei dem Krieg in Syrien ging es den USA und auch Israel nie – wie behauptet – um Demokratie und Menschenrechte, sondern um den Sturz des „Assad-Regimes“ und den Gewinn der strategischen Tiefe in der Auseinandersetzung mit den Schiiten im Irak und Iran. Wenn der Westen (in diesem Fall die USA und die EU) im Bündnis mit der Türkei und den Golfstaaten seinen Einsatz in Syrien mit den Gräueltaten des „Assad-Regimes“ begründet (weil es dadurch jede Legitimität verloren habe), ist das, ohne Assads brutales Vorgehen leugnen zu wollen, pure Heuchelei, denn die amerikanische Politik hat nie Skrupel gehabt, blutrünstige Diktatoren zu unterstützen, wenn sie ihren Interessen dienten. So ist der ägyptische Präsident as-Sisi trotz gravierender Menschenrechtsverbrechen ein treuer Verbündeter der USA. Der frühere US-Präsident Ronald Reagan pflegte über solche Diktatoren zu sagen: „Natürlich sich das Verbrecher, aber es sind ‚unsere‘ Verbrecher!“
Lüders weist auch darauf hin, dass nicht nur die Rückeroberung Aleppos und Ost-Ghoutas durch die syrische Armee viele Opfer gekostet und furchtbare Zerstörungen angerichtet hat, sondern genauso auch die Rückeroberung Mossuls und Raqqas durch die US-Armee und ihre Verbündeten. Lüders Schlussfolgerung: „Die Kritik wird heuchlerisch, wenn sie sich ausschließlich gegen eine Kriegspartei richtet, denn alle Kriegsparteien haben sich in Syrien wie auch im Irak dieser Methoden bedient: Einkreisen, Aushungern und Dauerbeschuss des Gegners.“
Zu hinterfragen sind auch die Vorwürfe gegen das „Assad-Regime“, Giftgas eingesetzt zu haben. Besonders im Fall Ost-Ghouta. Die Truppen Assads hatten diese Stadt bereits vollständig erobert – warum sollten sie dann noch Giftgas einsetzen? Das gibt keinen Sinn. Hatte der Westen nur einen Vorwand für seine Vergeltungsangriffe gesucht, die auch unmittelbar darauf erfolgten, und die ein klarer Bruch des Völkerrechts waren. So wie auch das Verbleiben der amerikanischen Truppen und ihrer verbündeten Milizen im Osten Syriens (unter dem Vorwand, die letzten Kämpfer des IS auszuschalten), ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Lüders kommentiert diesen Vorgang so: „Die ‚Guten‘ sind offenbar der Meinung, internationale Rechtsnormen hätten nur dann eine Bedeutung, wenn die ‚Bösen‘ sie missachten.“
Eine weitere absurde und menschenverachtende Großtat der amerikanischen Politik (diesmal im Bunde mit Großbritannien und den Saudis) ist der Konflikt im Jemen. Dort kämpfen die Huthi-Rebellen gegen die Zentralregierung in der Hauptstadt Sanaa als Reaktion auf ihre politische und wirtschaftliche Benachteiligung. Die saudische Führung unterstellt nun den Huthis, dass sie vom Iran gesteuert seien, um Saudi-Arabien zu destabilisieren, sie verfolgten also eine Strategie der aggressiven Expansion. Lüders spricht in diesem Zusammenhang von „Ideologie und Paranoia“ und nennt folgende Gründe: Geostrategisch sei das Land für Teheran anders als der Irak, Syrien und der Libanon nur von untergeordneter Bedeutung. Die Huthis orientierten sich auch politisch gar nicht am Iran. Vor Ort sei der Iran auch nur mit Militärberatern präsent, nicht mit kämpfenden Milizen.
Die USA sind aber schon seit Jahren tief in diesen Krieg verwickelt. Das Huthi-Problem wird auf „Terrorismus“ reduziert. US-Präsident Obama glaubte, es mit Drohnenangriffen lösen zu können, was aber die Solidarität unter den Huthis und ihren Widerstand nur verstärkte. Saudi-Arabien und Abu Dhabi gehen mit äußerster Brutalität gegen die Huthis vor: mit Luftangriffen und einer Totalblockade, um das Land auszuhungern und zur Kapitulation zu zwingen. Dieses Vorgehen hat dort inzwischen zu einer unvorstellbaren Not geführt. Die UNO spricht von der „schlimmsten humanitären Katastrophe weltweit“.
Die Hauptverantwortung des Krieges tragen im Hintergrund aber die USA und Großbritannien, die den Saudis und Abu Dhabi die Waffen für diesen Krieg und das Kerosin für ihre Bombenflugzeuge liefern. Lüders sieht den Jemen-Konflikt als typisches Beispiel für die Doppelmoral westlicher Politik: „Es stellt sich die Frage, warum diese Tragödie im Gegensatz zu der syrischen zu keiner oder nur geringer Empörung auf Seiten westlicher Politiker und Meinungsmacher bis hinauf zum UN-Generalsekretär führt. Die Antwort ist offenkundig. Nach westlicher Lesart ist Russland hauptverantwortlich für das Leid in Syrien, gleichrangig mit oder noch vor dem Iran und dem „Assad-Regime“. Die moralische Anklage ist folglich ‚politisch korrekt‘. Für das Desaster im Jemen sind neben den beiden Kronprinzen in Riad und Abu Dhabi vor allem die USA und Großbritannien mit verantwortlich – und die zählen bekanntlich zu den ‚Guten‘. Entsprechend zurückhaltend fällt die Kritik aus, zumal Kriegsflüchtlinge aus dem Jemen Europa nicht erreichen, somit die hiesige Innenpolitik nicht berührt ist.“ Auch hier deutet sich ein Fehlschlag westlicher Politik an, dessen Ergebnis unter anderem ist, dass die Beziehungen der Huthis zum Iran so eng geworden sind, wie sie ohne den Konflikt niemals geworden wären.
Ein anderes Beispiel für die Arroganz und Hybris der US-Politik ist die angestrebte „Lösung“ des Palästina-Konflikts. Präsident Trump hat seinen Schweigersohn Jared Kushner mit der Ausarbeitung eines „Friedensplans“ beauftragt, eine so wichtige Frage muss natürlich innerhalb der Familie gelöst werden! Man muss dazu anmerken, dass Kushner orthodoxer Jude ist und sich sehr für Israel und seine Siedlungspolitik engagiert. Gute Voraussetzungen also für diese schwierige Aufgabe. Da ahnt man dann schon im Voraus, wie dieser Plan aussehen soll, der noch streng geheim ist, aber so viel ist durchgesickert: Die Palästinenser sollen ein paar nicht zusammenhängende kleine Flecken im Westjordanland bekommen, der kleine Jerusalemer Vorort Abu Dis soll ihre „Hauptstadt“ werden.
Der Rest der Palästinenser soll im Nord-Sinai angesiedelt werden. Ägyptens Präsident as-Sisi ist auch mit von der Partie, er soll dort Land (vermutlich ein Stück Wüste) zur Verfügung stellen und wird dafür sicher gut bezahlt. Der saudische Kronprinz Salman hat schon den Präsidenten der palästinensischen Autonomie-Behörde Mahmud Abbas zu sich bestellt und ihn unter Druck gesetzt, dem Plan zuzustimmen, der nichts weiter ist als die Fortsetzung der Nakba, der endgültigen Vertreibung dieses Volkes aus seiner Heimat in Reservate oder Bantustans. Da die Hauptbetroffenen – eben die Palästinenser – gar nicht gefragt werden, nicht einmal in einem Referendum darüber abstimmen können, sondern schlicht ohne ihre Mitwirkung eine neue politische Realität für sie geschaffen werden soll, ist das Scheitern durch den Widerstand dieses Volkes vorprogrammiert.
Trump hat ein äußerst schlichtes Weltbild. Er teilt den Globus politisch in die „good guys“ und die „bad guys“ ein. Daraus ergibt sich seine Außenpolitik ganz automatisch. Wer will da noch das Wort Völkerrecht in den Mund nehmen? Es ist unter ihm und seinen Verbündeten völlig außer Kraft gesetzt. Saudi-Arabien, ein Staat in dem Menschenrechte nicht viel gelten, ist ein „good guy“, weil Amerika ihm für Hunderte von Milliarden Dollar Waffen verkaufen kann, Trump dort auch persönlich gute Geschäfte macht und schließlich beide Seiten der Hass auf den Iran eint.
Die Nahost-Politik Trumps und Israels sind inzwischen vollständig gleichgeschaltet. Die Grundzüge der israelischen Politik beschreibt Lüders so: „Die Regierung Netanjahu sucht nicht etwa den Kompromiss oder den Ausgleich, weder mit dem Iran noch mit den Palästinensern. Vielmehr soll der als Feind empfundene Gegner, der als bedrohlich wahrgenommene ‚Andere‘, in die Niederlage gezwungen werden. Erst die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde garantiert nach dieser Logik Frieden und Sicherheit. Eine Politik der Stärke aber, die allein die eigenen (Sicherheits-) Interessen gelten lässt, nicht aber auch die der Gegenseite, ist eine Garantie für Unfrieden, Terror und Krieg.“ Es gilt in diesem Sinne nur das Recht des Stärkeren und so gesehen darf der Iran gar keine eigenen Sicherheitsinteressen haben. Lüders: „Trumps Regierung ist die multipolare Welt ebenso egal wie eine Politik des Ausgleichs. Die Agenda der Weltmacht ist unmissverständlich: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wer sich unseren Vorstellungen nicht unterwirft, wird bestraft. Das Faustrecht ersetzt das Völkerrecht.“
Ein trauriges Kapitel im diesem gar nicht lustigen Possenspiel sind die Medien, genau gesagt die westlichen Mainstreammedien. Sie hätten eigentlich die Pflicht, die gefährlichen Absurditäten und Widersprüche der westlichen Politik im Nahen und Mittleren Osten zu hinterfragen und zu entlarven. Aber sie tun das in der Regel nicht, machen die Einteilung der Welt in „Gut“ und „Böse“ mit. Und so findet der skrupellose saudische Herrscher Salman, den Lüders einen „Machiavelli“ oder „Mephisto“ nennt, eher eine freundliche Presse, weil er sich prowestlich gibt und die westlichen Staaten mit ihm wirtschaftlich eng verbunden sind – nicht zuletzt durch Waffenverkäufe.
Negative Medienbeispiele in diesem Sinne sind die Dämonisierung des Iran wegen seiner Rolle, die er in Syrien und dem Irak spielt, oder die Ausblendung der mitverantwortlichen Rolle, die die USA und Großbritannien bei der Zerstörung des Jemen spielen. Auch die Rolle Russlands in Syrien wird ausgesprochen kritisch gesehen. Lüders folgert aus einer solchen Berichterstattung: „Da geht es nicht um Ausgewogenheit und Vollständigkeit (…), sondern um die Beibehaltung einer Schwarz-Weiß-Perspektive, die den längst ausgemachten Feind unterschwellig, gleichwohl unmissverständlich benennt. Ein solches Narrativ ist von (Kriegs-) Propaganda kaum noch zu unterscheiden.“ Lüders Ausführungen in diesem Buch sind ein Beleg dafür, wie sehr in den westlichen Staaten (gerade auch in Deutschland) eine „Lückenpresse“ dominiert, die sich ganz eindeutig den Interessen westlicher Machtpolitik unterordnet. (Die zumeist völlig unkritische Haltung der deutschen Medien gegenüber der völker- und menschenrechtswidrigen Politik Israels gegenüber den Palästinensern wäre ein eigenes Kapitel wert.)
So müssen Einzelne wie Lüders oder alternative Medien allein hinter die Kulissen dieser Machtpolitik schauen und ihre eklatanten Widersprüche, ihre Verletzungen des Völkerrechts und ihre unmoralischen Abgründe aufdecken: Dass die Politiker des Westens ständig große Ideale und humanistische Motive wie Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte anführen, erweist sich bei näherem Hinsehen als leere Rhetorik. Das Vorgehen gegen den Iran ist dafür ein gutes Beispiel. Dieser Staat gilt als das absolut Böse (obwohl er, was Lüders ausführlich belegt, gegen die erzreaktionäre, zum Teil noch im Mittelalter verharrende saudische Monarchie fast ein liberaler Rechtsstaat ist), aber er ist der letzte Widersacher westlicher Hegemonie in dieser Region und muss deshalb ausgeschaltet werden – wie auch immer und in einem solchen Ausmaß, dass er für die Machtinteressen des Dreiecks USA. Israel und Saudi-Arabien keine Gefahr mehr darstellt.
Trump hat dem Iran den Krieg erklärt und wird ihn durchführen: mit einem direkten Angriff zusammen mit Israel oder mit der Salami-Taktik von verschärften Wirtschaftssanktionen und der Inszenierung von inneren Aufständen, um den Regime-Wechsel herbeizuführen. Lüders fragt mit Recht: Wo und wann hat ein von den USA herbeigeführter Regime-Wechsel schon einmal wirklich Demokratie, Frieden und Fortschritt gebracht? Aber eins ist absolut sicher, da ist dem Autor rückhaltlos zuzustimmen: Sollte es zum Äußersten kommen, wird das Ergebnis nicht ein westlich orientierter Iran sein, sondern Armageddon im Orient. Und die Folgen werden nicht nur der Nahe und Mittlere Osten tragen, sondern auch Europa: durch eine globale Wirtschaftskrise und neue Flüchtlingsströme. Europa und auch Deutschland können dann nicht sagen, sie hätten es nicht gewusst. Der alte Kontinent samt der NATO hat zu lange vor einer hybriden amerikanischen und israelischen Politik der Dummheit und Verblendung die Augen verschlossen und wird den Preis dafür zahlen müssen.
Michael Lüders sei Dank für dieses aufklärende Buch!
Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt
Verlag C.H.Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72791-7, 14,95 Euro
C.H.Beck über den Autor: Michael Lüders war lange Jahre Nahost-Korrespondent der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT und kennt alle Länder der Region aus eigener Anschauung. Als Islamexperte ist er häufiger Gast in Hörfunk und Fernsehen.
Online-Flyer Nr. 676 vom 03.10.2018
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Michael Lüders beschreibt in "Armageddon im Orient" wie die USA, Israel und Saudi-Arabien den Krieg gegen den Iran vorbereiten
Grotesk – absurd – irrational – Irrsinn - Armageddon
Buchbesprechung von Arn Strohmeyer
Der Nahostexperte Michael Lüders warnt in seinem neuen Buch „Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt“ seine Leser: „Bei der Lektüre werden vermutlich nicht wenige denken: Das kann doch alles gar nicht sein. Der Autor übertreibt, das ist unmöglich. Leider nein, hier geht es darum, was die Welt tatsächlich in ihrem Innersten zusammenhält, jenseits der Sprechblasen von Demokratie und Menschenrechten. Um das, was in den Hinterzimmern der Macht ausgehandelt wird. Um die Hardware.“ Was dieser Autor schreibt, hat Hand und Fuß, seine Recherchen sind bestens abgesichert. Das Ergebnis seiner Arbeit ist mehr als erschreckend: Da spielen einige amerikanische Superreiche, die sich den Staat untertan gemacht haben, selbst die Regeln bestimmen und die staatliche Politik mit ihren Privatgeschäften permanent vermischen, nicht nur mit dem Schicksal einer Region (des Nahen und Mittleren Ostens), sondern mit dem Schicksal der ganzen Welt. Völkerrecht und Menschenrechte interessieren sie nicht im geringsten.
Das heutige Machtsystem in den USA beschreibt Lüders so: „Mit Förmlichkeiten halten sich Präsident Trump und Jared Kushner [der Schwiegersohn Trumps] nicht weiter auf. Sie symbolisieren den vulgär-clownesken Höhepunkt eines entfesselten Finanzmarktkapitalismus, in dem die Vetternwirtschaft keiner Maske mehr bedarf. Sie ist sich selbst genüge; the winner takes it all. Es wäre ein Irrtum, Trump für einen Betriebsunfall der Demokratie zu halten. Vielmehr verkörpert er den Sieg der Kasinoökonomie über die Politik, verwandelt er den Staat in eine Aktionärsversammlung, in der Geld gleichbedeutend ist mit Macht. Ein oder mehrere Großspender wollen Jerusalem als Hautstadt Israels? Kein Problem sofern der Preis stimmt.“
Die Hauptakteure in diesem brandgefährlichen Spiel im Nahen und Mittleren Osten sind neben dem irrlichternden US-Präsidenten Israel und Saudi-Arabien. Der zionistische Staat und die erzkonservative wahhabitische Monarchie haben seit 2015 ihre frühere Feindschaft beigelegt, weil ihnen ein gemeinsamer Gegner erwachsen ist: der Iran, der inzwischen zum Inbegriff alles Bösen auf dieser Welt hochdämonisiert wird. Lüders warnt vor solchen emotional aufputschenden Verteufelungen und fordert sachliche Analysen der wirklichen Interessenlagen der Beteiligten.
Der Autor sieht keine militärische oder „terroristische“ Bedrohung durch den Iran, sodass auch die Sicherheitsbedürfnisse anderer Staaten – etwa Israels – nicht der Kern des Konflikts sind, sondern das Streben nach der regionalen Vorherrschaft: „Es geht weniger um den rationalen Umgang mit einer vermeintlichen oder tatsächlichen iranischen Bedrohung, sondern um die Machtverteilung in der Region und die Eindämmung des ‚Schurkenstaates‘ [Iran].“ Die USA verfolgen vor allem auch das Ziel, die militärische Vorherrschaft des zionistischen Staates in der Region zu zementieren. Und diese Position ist nach der Zerstörung des Iraks und Syriens nur noch durch den Iran gefährdet, denn dieser Staat funktioniert und ist die bei weitem stärkste Militärmacht, die in der Lage ist, die Bewegungsfreiheit des atomar bewaffneten Israel einzuschränken. Dabei geht es Teheran keineswegs um die „Vernichtung“ Israels (wie immer wieder behauptet wird), dazu ist der Iran militärisch gar nicht in der Lage. Aber ein Krieg gegen den Iran ist mit einem sehr hohen Risiko verbunden, weil die Folgen völlig unkalkulierbar sind.
Ironie der Geschichte ist: Der Iran verdankt seine heutige starke Position in der Region nicht seiner „aggressiven Expansionspolitik“ (wie im Westen behauptet wird), sondern ausschließlich den Fehlern einer blinden und kopflosen westlichen Politik. Denn erst durch die amerikanische Zerstörung des Irak im Krieg gegen Saddam Hussein 2003 und die als Folge dieses Krieges massive Verheerung Syriens sind das Chaos und das machtpolitische Vakuum angerichtet worden, das der Iran strategisch für sich nutzte. Wer kann es ihm verdenken? Er konnte ernten, was andere vor ihm gesät hatten.
Lüders bringt diesen Fehler des Westens auf die Formel: „Teheran hat das getan, was Geopolitik, also eine an größeren geographischen Zusammenhängen orientierte Machtpolitik, grundsätzlich auszeichnet: Jeder Fehler der Gegenseite wird sofort für eigene Interessen genutzt, kein Machtvakuum geduldet. Um es klar und deutlich zu benennen: der im Westen und Israel wahrgenommene geopolitische Machtzuwachs Irans verdankt sich in erster Linie den Fehlern amerikanischer und israelischer Politik.“
Wenn man meint, dass eine Weltmacht aus eigenen Fehlern lernen kann, dann ist das weit gefehlt. Lüders nennt weitere Beispiele westlicher Politik im Orient, bei denen die Moral – vom Völkerrecht ganz zu schweigen – völlig auf der Strecke bleibt. So hat die amerikanische Politik zusammen mit Saudi-Arabien noch ein „Reich des Bösen“ ausgemacht: das Emirat Katar. Ihm wird angelastet, enge Beziehungen zum Iran zu unterhalten und damit den „Terrorismus“ zu unterstützen. Nun muss Katar allein aus geographischen Gründen gute Kontakte zu Teheran pflegen, denn beide Staaten sind Nachbarn und beuten gemeinsam das weltweit größte Erdgasfeld im Persischen Golf aus, das die Seegrenzen beider Staaten überschneidet. Saudi-Arabien sprach wegen dieser politischen Nähe Katars zum Iran zusammen mit den Emiraten einen Boykott gegen den kleinen Staat aus.
Irgendwie vermischt sich das Komplott der Saudis gegen Katar, das sicher nicht ohne Druck der USA zustande kam, mit einer familiären Angelegenheit der Trumps. Denn Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hat milliardenschwere Verbindlichkeiten wegen einer Immobilie in New York und hatte bei reichen Vertretern Katars um einen Kredit nachgesucht, war mit seinem Anliegen aber gescheitert. Lüders merkt dazu an: „Katarischer Darstellung zufolge war der begeisterte Tweet Trumps beim Boykott Katars („…Vielleicht der Anfang vom Ende des terroristischen Horrors!“) eine unmittelbare Reaktion auf weitere gescheiterte Verhandlungen Kushners mit katarischen Investoren im Zusammenhang mit seiner Luxusimmobilie 666 Fifth Avenue. Wenn es Dohar [Hauptstadt und Regierungssitz Katars] gelingt, dafür den Beweis zu erbringen, etwa auf der Grundlage gehackter Informationen, ist Kushner geliefert und Trump als Präsident angezählt. Das würde an Landesverrat grenzen – ein Showdown am Golf, weil der Pleitier Kushner dringend Geld benötigt, es aber nicht bekommt, und sein Schwiegervater zu ihm hält?“
Auch bei dem Krieg in Syrien ging es den USA und auch Israel nie – wie behauptet – um Demokratie und Menschenrechte, sondern um den Sturz des „Assad-Regimes“ und den Gewinn der strategischen Tiefe in der Auseinandersetzung mit den Schiiten im Irak und Iran. Wenn der Westen (in diesem Fall die USA und die EU) im Bündnis mit der Türkei und den Golfstaaten seinen Einsatz in Syrien mit den Gräueltaten des „Assad-Regimes“ begründet (weil es dadurch jede Legitimität verloren habe), ist das, ohne Assads brutales Vorgehen leugnen zu wollen, pure Heuchelei, denn die amerikanische Politik hat nie Skrupel gehabt, blutrünstige Diktatoren zu unterstützen, wenn sie ihren Interessen dienten. So ist der ägyptische Präsident as-Sisi trotz gravierender Menschenrechtsverbrechen ein treuer Verbündeter der USA. Der frühere US-Präsident Ronald Reagan pflegte über solche Diktatoren zu sagen: „Natürlich sich das Verbrecher, aber es sind ‚unsere‘ Verbrecher!“
Lüders weist auch darauf hin, dass nicht nur die Rückeroberung Aleppos und Ost-Ghoutas durch die syrische Armee viele Opfer gekostet und furchtbare Zerstörungen angerichtet hat, sondern genauso auch die Rückeroberung Mossuls und Raqqas durch die US-Armee und ihre Verbündeten. Lüders Schlussfolgerung: „Die Kritik wird heuchlerisch, wenn sie sich ausschließlich gegen eine Kriegspartei richtet, denn alle Kriegsparteien haben sich in Syrien wie auch im Irak dieser Methoden bedient: Einkreisen, Aushungern und Dauerbeschuss des Gegners.“
Zu hinterfragen sind auch die Vorwürfe gegen das „Assad-Regime“, Giftgas eingesetzt zu haben. Besonders im Fall Ost-Ghouta. Die Truppen Assads hatten diese Stadt bereits vollständig erobert – warum sollten sie dann noch Giftgas einsetzen? Das gibt keinen Sinn. Hatte der Westen nur einen Vorwand für seine Vergeltungsangriffe gesucht, die auch unmittelbar darauf erfolgten, und die ein klarer Bruch des Völkerrechts waren. So wie auch das Verbleiben der amerikanischen Truppen und ihrer verbündeten Milizen im Osten Syriens (unter dem Vorwand, die letzten Kämpfer des IS auszuschalten), ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Lüders kommentiert diesen Vorgang so: „Die ‚Guten‘ sind offenbar der Meinung, internationale Rechtsnormen hätten nur dann eine Bedeutung, wenn die ‚Bösen‘ sie missachten.“
Eine weitere absurde und menschenverachtende Großtat der amerikanischen Politik (diesmal im Bunde mit Großbritannien und den Saudis) ist der Konflikt im Jemen. Dort kämpfen die Huthi-Rebellen gegen die Zentralregierung in der Hauptstadt Sanaa als Reaktion auf ihre politische und wirtschaftliche Benachteiligung. Die saudische Führung unterstellt nun den Huthis, dass sie vom Iran gesteuert seien, um Saudi-Arabien zu destabilisieren, sie verfolgten also eine Strategie der aggressiven Expansion. Lüders spricht in diesem Zusammenhang von „Ideologie und Paranoia“ und nennt folgende Gründe: Geostrategisch sei das Land für Teheran anders als der Irak, Syrien und der Libanon nur von untergeordneter Bedeutung. Die Huthis orientierten sich auch politisch gar nicht am Iran. Vor Ort sei der Iran auch nur mit Militärberatern präsent, nicht mit kämpfenden Milizen.
Die USA sind aber schon seit Jahren tief in diesen Krieg verwickelt. Das Huthi-Problem wird auf „Terrorismus“ reduziert. US-Präsident Obama glaubte, es mit Drohnenangriffen lösen zu können, was aber die Solidarität unter den Huthis und ihren Widerstand nur verstärkte. Saudi-Arabien und Abu Dhabi gehen mit äußerster Brutalität gegen die Huthis vor: mit Luftangriffen und einer Totalblockade, um das Land auszuhungern und zur Kapitulation zu zwingen. Dieses Vorgehen hat dort inzwischen zu einer unvorstellbaren Not geführt. Die UNO spricht von der „schlimmsten humanitären Katastrophe weltweit“.
Die Hauptverantwortung des Krieges tragen im Hintergrund aber die USA und Großbritannien, die den Saudis und Abu Dhabi die Waffen für diesen Krieg und das Kerosin für ihre Bombenflugzeuge liefern. Lüders sieht den Jemen-Konflikt als typisches Beispiel für die Doppelmoral westlicher Politik: „Es stellt sich die Frage, warum diese Tragödie im Gegensatz zu der syrischen zu keiner oder nur geringer Empörung auf Seiten westlicher Politiker und Meinungsmacher bis hinauf zum UN-Generalsekretär führt. Die Antwort ist offenkundig. Nach westlicher Lesart ist Russland hauptverantwortlich für das Leid in Syrien, gleichrangig mit oder noch vor dem Iran und dem „Assad-Regime“. Die moralische Anklage ist folglich ‚politisch korrekt‘. Für das Desaster im Jemen sind neben den beiden Kronprinzen in Riad und Abu Dhabi vor allem die USA und Großbritannien mit verantwortlich – und die zählen bekanntlich zu den ‚Guten‘. Entsprechend zurückhaltend fällt die Kritik aus, zumal Kriegsflüchtlinge aus dem Jemen Europa nicht erreichen, somit die hiesige Innenpolitik nicht berührt ist.“ Auch hier deutet sich ein Fehlschlag westlicher Politik an, dessen Ergebnis unter anderem ist, dass die Beziehungen der Huthis zum Iran so eng geworden sind, wie sie ohne den Konflikt niemals geworden wären.
Ein anderes Beispiel für die Arroganz und Hybris der US-Politik ist die angestrebte „Lösung“ des Palästina-Konflikts. Präsident Trump hat seinen Schweigersohn Jared Kushner mit der Ausarbeitung eines „Friedensplans“ beauftragt, eine so wichtige Frage muss natürlich innerhalb der Familie gelöst werden! Man muss dazu anmerken, dass Kushner orthodoxer Jude ist und sich sehr für Israel und seine Siedlungspolitik engagiert. Gute Voraussetzungen also für diese schwierige Aufgabe. Da ahnt man dann schon im Voraus, wie dieser Plan aussehen soll, der noch streng geheim ist, aber so viel ist durchgesickert: Die Palästinenser sollen ein paar nicht zusammenhängende kleine Flecken im Westjordanland bekommen, der kleine Jerusalemer Vorort Abu Dis soll ihre „Hauptstadt“ werden.
Der Rest der Palästinenser soll im Nord-Sinai angesiedelt werden. Ägyptens Präsident as-Sisi ist auch mit von der Partie, er soll dort Land (vermutlich ein Stück Wüste) zur Verfügung stellen und wird dafür sicher gut bezahlt. Der saudische Kronprinz Salman hat schon den Präsidenten der palästinensischen Autonomie-Behörde Mahmud Abbas zu sich bestellt und ihn unter Druck gesetzt, dem Plan zuzustimmen, der nichts weiter ist als die Fortsetzung der Nakba, der endgültigen Vertreibung dieses Volkes aus seiner Heimat in Reservate oder Bantustans. Da die Hauptbetroffenen – eben die Palästinenser – gar nicht gefragt werden, nicht einmal in einem Referendum darüber abstimmen können, sondern schlicht ohne ihre Mitwirkung eine neue politische Realität für sie geschaffen werden soll, ist das Scheitern durch den Widerstand dieses Volkes vorprogrammiert.
Trump hat ein äußerst schlichtes Weltbild. Er teilt den Globus politisch in die „good guys“ und die „bad guys“ ein. Daraus ergibt sich seine Außenpolitik ganz automatisch. Wer will da noch das Wort Völkerrecht in den Mund nehmen? Es ist unter ihm und seinen Verbündeten völlig außer Kraft gesetzt. Saudi-Arabien, ein Staat in dem Menschenrechte nicht viel gelten, ist ein „good guy“, weil Amerika ihm für Hunderte von Milliarden Dollar Waffen verkaufen kann, Trump dort auch persönlich gute Geschäfte macht und schließlich beide Seiten der Hass auf den Iran eint.
Die Nahost-Politik Trumps und Israels sind inzwischen vollständig gleichgeschaltet. Die Grundzüge der israelischen Politik beschreibt Lüders so: „Die Regierung Netanjahu sucht nicht etwa den Kompromiss oder den Ausgleich, weder mit dem Iran noch mit den Palästinensern. Vielmehr soll der als Feind empfundene Gegner, der als bedrohlich wahrgenommene ‚Andere‘, in die Niederlage gezwungen werden. Erst die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde garantiert nach dieser Logik Frieden und Sicherheit. Eine Politik der Stärke aber, die allein die eigenen (Sicherheits-) Interessen gelten lässt, nicht aber auch die der Gegenseite, ist eine Garantie für Unfrieden, Terror und Krieg.“ Es gilt in diesem Sinne nur das Recht des Stärkeren und so gesehen darf der Iran gar keine eigenen Sicherheitsinteressen haben. Lüders: „Trumps Regierung ist die multipolare Welt ebenso egal wie eine Politik des Ausgleichs. Die Agenda der Weltmacht ist unmissverständlich: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wer sich unseren Vorstellungen nicht unterwirft, wird bestraft. Das Faustrecht ersetzt das Völkerrecht.“
Ein trauriges Kapitel im diesem gar nicht lustigen Possenspiel sind die Medien, genau gesagt die westlichen Mainstreammedien. Sie hätten eigentlich die Pflicht, die gefährlichen Absurditäten und Widersprüche der westlichen Politik im Nahen und Mittleren Osten zu hinterfragen und zu entlarven. Aber sie tun das in der Regel nicht, machen die Einteilung der Welt in „Gut“ und „Böse“ mit. Und so findet der skrupellose saudische Herrscher Salman, den Lüders einen „Machiavelli“ oder „Mephisto“ nennt, eher eine freundliche Presse, weil er sich prowestlich gibt und die westlichen Staaten mit ihm wirtschaftlich eng verbunden sind – nicht zuletzt durch Waffenverkäufe.
Negative Medienbeispiele in diesem Sinne sind die Dämonisierung des Iran wegen seiner Rolle, die er in Syrien und dem Irak spielt, oder die Ausblendung der mitverantwortlichen Rolle, die die USA und Großbritannien bei der Zerstörung des Jemen spielen. Auch die Rolle Russlands in Syrien wird ausgesprochen kritisch gesehen. Lüders folgert aus einer solchen Berichterstattung: „Da geht es nicht um Ausgewogenheit und Vollständigkeit (…), sondern um die Beibehaltung einer Schwarz-Weiß-Perspektive, die den längst ausgemachten Feind unterschwellig, gleichwohl unmissverständlich benennt. Ein solches Narrativ ist von (Kriegs-) Propaganda kaum noch zu unterscheiden.“ Lüders Ausführungen in diesem Buch sind ein Beleg dafür, wie sehr in den westlichen Staaten (gerade auch in Deutschland) eine „Lückenpresse“ dominiert, die sich ganz eindeutig den Interessen westlicher Machtpolitik unterordnet. (Die zumeist völlig unkritische Haltung der deutschen Medien gegenüber der völker- und menschenrechtswidrigen Politik Israels gegenüber den Palästinensern wäre ein eigenes Kapitel wert.)
So müssen Einzelne wie Lüders oder alternative Medien allein hinter die Kulissen dieser Machtpolitik schauen und ihre eklatanten Widersprüche, ihre Verletzungen des Völkerrechts und ihre unmoralischen Abgründe aufdecken: Dass die Politiker des Westens ständig große Ideale und humanistische Motive wie Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte anführen, erweist sich bei näherem Hinsehen als leere Rhetorik. Das Vorgehen gegen den Iran ist dafür ein gutes Beispiel. Dieser Staat gilt als das absolut Böse (obwohl er, was Lüders ausführlich belegt, gegen die erzreaktionäre, zum Teil noch im Mittelalter verharrende saudische Monarchie fast ein liberaler Rechtsstaat ist), aber er ist der letzte Widersacher westlicher Hegemonie in dieser Region und muss deshalb ausgeschaltet werden – wie auch immer und in einem solchen Ausmaß, dass er für die Machtinteressen des Dreiecks USA. Israel und Saudi-Arabien keine Gefahr mehr darstellt.
Trump hat dem Iran den Krieg erklärt und wird ihn durchführen: mit einem direkten Angriff zusammen mit Israel oder mit der Salami-Taktik von verschärften Wirtschaftssanktionen und der Inszenierung von inneren Aufständen, um den Regime-Wechsel herbeizuführen. Lüders fragt mit Recht: Wo und wann hat ein von den USA herbeigeführter Regime-Wechsel schon einmal wirklich Demokratie, Frieden und Fortschritt gebracht? Aber eins ist absolut sicher, da ist dem Autor rückhaltlos zuzustimmen: Sollte es zum Äußersten kommen, wird das Ergebnis nicht ein westlich orientierter Iran sein, sondern Armageddon im Orient. Und die Folgen werden nicht nur der Nahe und Mittlere Osten tragen, sondern auch Europa: durch eine globale Wirtschaftskrise und neue Flüchtlingsströme. Europa und auch Deutschland können dann nicht sagen, sie hätten es nicht gewusst. Der alte Kontinent samt der NATO hat zu lange vor einer hybriden amerikanischen und israelischen Politik der Dummheit und Verblendung die Augen verschlossen und wird den Preis dafür zahlen müssen.
Michael Lüders sei Dank für dieses aufklärende Buch!
Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt
Verlag C.H.Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72791-7, 14,95 Euro
C.H.Beck über den Autor: Michael Lüders war lange Jahre Nahost-Korrespondent der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT und kennt alle Länder der Region aus eigener Anschauung. Als Islamexperte ist er häufiger Gast in Hörfunk und Fernsehen.
Online-Flyer Nr. 676 vom 03.10.2018
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