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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Kommentar
Warum sprechen wir von „Hungertoten“ und nicht von „Hungermorden“?
Was ist der größte Terrorismus und wer sind die größten Terroristen?
Von Yavuz Özoguz

Über den Begriff Terrorismus lässt sich in der westlichen Welt ausgiebig streiten, denn während Terroristen, deren Terror zum Wohl der westlichen Welt dient, nicht als solche betrachtet werden, gilt jeder legitime Befreiungskampf gegen westliche Kolonien als Terrorismus. Doch beide Betrachtungen lenken vom größten Terrorismus der Zeit ab. Wikipedia versteht unter Terrorismus vereinfacht kriminelle Gewaltaktionen gegen Menschen oder Gegenstände zur Erreichung eines politischen, religiösen oder ideologischen Ziels. Dazu eine Statistik: Im Jahr 2017 wurden weltweit 8584 Terroranschläge verübt, bei denen 18.753 Todesopfer zu beklagen sind [1]. Die Tatsache, dass es sich bei der Mehrheit der Todesopfer um Muslime handelt, spielt für die hier angestellte Betrachtung keine Rolle. Vielmehr soll zum Verständnis des eigentlichen Terrors in dieser Welt die Zahl der als Terroranschlag eingestuften Anschläge durch sämtliche Todesstrafen in sämtlichen Ländern dieser Erde ausgeweitet werden. Gemäß ganz sicher nicht religionsfreundlichen Organisationen gab es im Jahr 2017 weniger als 1000 erfasste Hinrichtungen weltweit [2]. An dieser Stelle wird eine sehr hohe Dunkelziffer von weiteren 1000 Hinrichtungen postuliert, womit wir eine Gesamtzahl von 20753 Todesopfern hätten. Um die Betrachtungen zum Terrorismus auf die Spitze zu treiben, sollen zudem sämtliche Morde in aller Welt ebenfalls als Terrorismus eingestuft werden. Schließlich handelt es sich für die Betroffenen um Terror, selbst wenn damit keine politischen Ziele verfolgt werden. Die Welt geht von rund 440.000 Morden weltweit aus. Um nicht kleinlich zu wirken, summieren wir damit die Zahl der hier in einer wirklich absurden Art und Weise zusammengerechneten Terroropfer auf eine halbe Million Menschen pro Jahr auf! Diese halbe Million Todesopfer sind nicht einmal 1/12 (in Worten: ein Zwölftel) allein der Kinder, die gemäß Welthungerhilfe jedes Jahr an Hunger sterben [3].

Die Zahl von 6,3 Millionen hungertoten Kindern berücksichtigt nicht die Erwachsenen, die ebenfalls an Hunger sterben. Will man einen halbwegs fairen Vergleich anstellen, so haben wir also im Schnitt jeden Tag 51 Terroropfer, 1206 Mordopfer und 17.260 hungertote Kinder in dieser Welt zu beklagen.

Warum aber sprechen wir von „Hungertoten“ und nicht von „Hungermorden“? Ist der Entzug oder zumindest das Vorenthalten von Nahrungsmitteln kein krimineller Gewaltakt? Aktuell leben wir in einer Welt, wie sie noch nie so reich war, noch nie so viel produziert hat und noch nie so viel verschwendet hat. Gemäß Bundesumweltministerium verfügen viele Menschen über Nahrungsmittel im Überfluss. Insgesamt sind 2,1 Milliarden Menschen übergewichtig, vor allem in den Industrieländern. Dort wird zudem ein beträchtlicher Teil der Nahrung weggeworfen. Allein in Deutschland wirft jeder Mensch im Durchschnitt jährlich 82 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. [4] Oder anders ausgedrückt: Allein die Verschwendung in Deutschland übersteigt den Bedarf der an Hunger sterbenden in der Welt. Und Deutschland ist sicherlich nicht das verschwenderischste Land dieser Erde.

Das Problem liegt in der halbwegs gerechten Verteilung dieser Güter auf Erden. Würde man den Bürgern in Deutschland die Sachlage in dieser Welt schonungslos und in aller Deutlichkeit sachlich erklären, dann wäre ein Großteil der Bevölkerung sensibilisiert und würde eine gerechtere Verteilung der Güter anstreben. Würde jede Tagessschau mit dem Hinweis beginnen, „heute sind 17.260 Kinder verhungert“, gäbe es eine andere Betrachtungsweise der Welt.

Da dies nicht geschieht, muss eine Ideologie dahinter stecken, die das verhindert. Jene Ideologie heißt Kapitalismus! Wenn Terrorismus kriminelle Gewaltaktionen gegen Menschen oder Gegenstände zur Erreichung eines politischen, religiösen oder ideologischen Ziels ist, dann ist der Kapitalismus die größte Terrorideologie der Geschichte der Menschheit. Keine noch so brutale und haltlose Terrorideologie von Terroristen kann da mithalten, zumal viele Terroristen im Sold des Kapitalismus stehen.

An dieser Stelle werden Sozialisten, die auf eine gerechtere Verteilung der Güter drängen, möglicherweise aufhorchen und zu der fehlerhaften Annahme gelangen, dass doch der inzwischen durch Spinnfäden verstaubte Sozialismus die rettende Lösung sei. Dazu bedarf es nicht nur eines Blicks in die untergegangenen Systeme, die Sozialismus angestrebt haben. Auch aktuelle Systeme vernichten die Menschlichkeit. In China gibt es kaum Hungertote und die Verteilung der materiellen Güter ist sicherlich gleichmäßiger als in der westlichen Welt, aber das System verdinglicht den Menschen und vergöttert Dinge. Es lässt seine Menschen zu Workoholiks mutieren, die nur nach materiellen Gütern streben und dadurch zunehmend Menschlichkeit verlieren. Der so genannte Sozialismus wird eine Art Turbo-Kapitalismus mit gleichmäßiger Versklavung der Arbeitstiere. Es gibt sogar sozialistische Big-Macs. Der Mensch wird wie ein Tier betrachtet und behandelt. Ihm werden rein materielle Gelüste und Bedürfnisse zugeschrieben, die zu erfüllen sind. Das Menschenbild im Sozialismus und Kapitalismus unterschiedet sich kaum voneinander. Ein Mensch mit Geist und Seele, ein Mensch, der höhere Ziele anstrebt und Menschlichkeit vervollkommnen möchte, so etwas ist in beiden Ideologien nicht vorgesehen.

In solch einer Welt wird es Zeit, dass die Jugend aufwacht und Fragen stellt. Es wird Zeit Fragen zu stellen nach Werten. Ein Wert, den alle Menschen gleichermaßen mittragen werden, heißt Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist aber nicht möglich, so lange ein durchmaterialisierter Mensch, dem jegliche Ewigkeitsperspektive geraubt wurde, mit der Todesdrohung konfrontiert wird. Warum sollte er sich aufopfern? Selbst wenn es nicht sein ganzes Leben ist, warum sollte er seine Zeit opfern? Warum sollte er den Kampf gegen die übermächtigen Konzerne und Medien auf sich nehmen und sein Leben lang dadurch materielle Nachteile ertragen? Für Gerechtigkeit? Ist sie denn zu erreichen? Lohnt das?

Ein Mensch ohne Seele wird den Geist Gottes in seinem Herzen nicht erkennen können. Ein seelenloser Mensch wird zu einem geistlosen Menschen, der einem Tier gleicht. Tiere kennen nur sehr wenige Themen, die allesamt auf einen Nenner zu bringen sind: Triebbefriedigung. Das ist der aktuelle Zustand der Westlichen Welt. Jenes Tier wird zum größten Terroristen der Zeit.

„Sie haben Herzen, mit denen sie nicht verstehen, und sie haben Augen, mit denen sie nicht wahrnehmen, und sie haben Ohren, mit denen sie nicht hören; diese sind wie das Vieh; nein, sie sind abgeirrter. Diese sind wahrlich die Achtlosen.“ [5]

In späteren Geschichtsbüchern, die nach einigen Jahrhunderten auf die heutige Zeit zurückblicken, wird das Phänomen des Terrorismus, wie ihn die Westliche Welt definiert, eine Randnotiz der Geschichte sein. Selbst die von der Westlichen Welt so geliebte Konzentration an Terroristen in Idlib wird kaum Erwähnung finden. Aber der wahre Terror an Millionen von Hungertoten wird ganze Generationen von Politikern, Hochschullehrern und Presstituierten zu größten Verbrechern der Geschichte abstempeln. Viele dieser Menschen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie um ihrer eigenen Triebbefriedigung willen (Machtlust ist auch ein Trieb), von den eigentlichen Unmenschlichkeiten dieser Welt ablenken.

Wer nicht dazu gehören möchte, muss seinen Tropfen des Widerstandes in den Ozean der Wahrheit einbringen [6]. Es ist eine Gnade Mensch sein zu dürfen.


Fußnoten:

[1] https://de.statista.com/themen/548/terrorismus/
[2] http://todesstrafe.amnesty.at/zahlen_fakten.php
[3] https://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/pictures/publications/de/fact_sheets/topics/2016_factsheet_hunger.pdf
[4] https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/globale-bevoelkerungsentwicklung-nahrungsmittelproduktion-und-umweltfolgen/
[5] Heiliger Quran 7:179
[6] http://www.eslam.de/manuskripte/buecher/wir_sind_keine_fundamentalistische_islamisten_in_deutschland/wir_sind_keine_fundamentalistische_islamisten_in_deutschland_wir_boykottieren.htm

Erstveröffentlichung am 02.10.2018 bei Muslim-Markt

Online-Flyer Nr. 678  vom 17.10.2018

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